Auswärtiges Amt - Ermittlungen in Baerbocks Visa-Affäre laufen schleppend

Wegen des Verdachts der Rechtsbeugung ermittelt die Berliner Staatsanwaltschaft seit Mai gegen Mitarbeiter im Visa-Referat des Auswärtigen Amts. Doch aus Annalena Baerbocks Ministerium heißt es, man wisse davon nur aus den Medien.

Afghanische Reisepässe liegen zur weiteren Bearbeitung in Körben in der deutschen Botschaft in Islamabad (Pakistan) / dpa
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Daniel Gräber leitet das Ressort Kapital bei Cicero.

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Es ist merkwürdig. Cicero-Recherchen zur Affäre um Visa für angebliche Afghanen führten schon vor Monaten dazu, dass die Staatsanwaltschaft Berlin Ermittlungen wegen des Verdachts der Rechtsbeugung eingeleitet hat. Mitarbeiter des Auswärtigen Amts hatten Beamte an der deutschen Botschaft in Islamabad angewiesen, trotz massiver Zweifel an der Identität eines Antragstellers ihm ein Visum auszustellen. Doch in dem von Grünen-Politikerin Annalena Baerbock geführten Ministerium hat man von den Ermittlungen bislang offiziell noch nichts mitbekommen. Warum läuft das Verfahren so schleppend?

„Dem Auswärtigen Amt sind lediglich Medienberichte über Ermittlungen der Berliner Staatsanwaltschaft bekannt. Die Staatsanwaltschaft hat bisher keinen Kontakt zu uns in dieser Angelegenheit aufgenommen“, teilte Baerbocks Pressestelle mit. Dabei wird nach Informationen von Cicero und Business Insider mindestens gegen einen namentlich bekannten Mitarbeiter des für strittige Einzelfälle zuständigen Visa-Referats 509 im Auswärtigen Amt ermittelt. Und das schon seit Mai. 

Tiefsitzender Frust

Dieses Ermittlungsverfahren, das bei der Staatsanwaltschaft Berlin unter dem Aktenzeichen 235 Js 3173/23 geführt wird, geht auf eine Strafanzeige der AfD-Bundestagsfraktion zurück. Es geht dabei um den Fall Mohammad G., über den wir schon mehrfach exklusiv berichtet haben: Ein angeblicher Afghane, dessen angeblicher Bruder bereits in Deutschland lebt, will per Familiennachzug in die Bundesrepublik. Erst wurde sein Antrag abgelehnt, dann klagte er dagegen, und das Auswärtige Amt stimmte vor Gericht einer Visum-Erteilung zu.

Das ist ein gängiges Vorgehen. Mitarbeiter deutscher Auslandsvertretungen, die anonym bleiben wollen, berichten über tiefsitzenden Frust: Wenn sie nach aufwendiger Prüfung einen Visum-Antrag ablehnen, stünden vor der Botschaft bereits Anwälte parat, die dem Antragsteller zur Klage vor einem deutschen Verwaltungsgericht raten. Dann werde das Visum häufig doch erteilt, weil das Auswärtige Amt klein beigebe. 

„Falscher Pass hin oder her“

Für genau diese verwaltungsgerichtlichen Visa-Streitfälle war jener Referent zuständig, gegen den nun wegen des Verdachts der Rechtsbeugung ermittelt wird. Denn in diesem einen, besonders krassen Fall ging er womöglich zu weit. Per E-Mail wies er die deutschen Beamten in Pakistan an, bei Mohammad G. alle Augen zuzudrücken: „Falscher Pass hin oder her“, schrieb er.
 

 

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Cicero und Business Insider liegen diese und weitere E-Mails, die zwischen Islamabad und Berlin hin und her gingen, vor. Diese eine E-Mail gelangte auch zur AfD-Bundestagsfraktion, die daraufhin ihre Strafanzeige gegen den Unterzeichner stellte. Die Staatsanwaltschaft Berlin hat nach einer ersten Prüfung einen Anfangsverdacht bejaht und das Ermittlungsverfahren eingeleitet. Das geht aus einem Schreiben der Ermittlungsbehörde an die Fraktion hervor, das auf den 25. Mai 2023 datiert ist.

Staatsanwaltschaft schweigt

Eine weitere Strafanzeige zum selben Fall hat ein ehemaliger Mitarbeiter des Bundesinnenministeriums gestellt. Er bezog sich lediglich auf die Cicero-Berichterstattung, in der keine Namen genannt wurden, daher richtete sich das daraufhin eingeleitete Ermittlungsverfahren zunächst gegen Unbekannt. Es trägt das Aktenzeichen 235 UJs 848/23.

Auf unsere Nachfrage an die Staatsanwaltschaft, ob beide Verfahren zusammengelegt werden und gegen welche beziehungsweise wie viele Mitarbeiter des Auswärtigen Amts sich die Ermittlungen richten, gab es keine Antwort. „Zum Schutze der laufenden Ermittlungen“ könne man dazu derzeit nichts sagen.

Woher kam der Druck?

Laufen die Ermittlungen wirklich oder werden sie nur verschleppt? Denn wenn es stimmt, was das Auswärtige Amt offiziell mitteilt, haben die Ermittler noch nicht einmal mit dem Auswärtigen Amt Kontakt aufgenommen.

Dabei gäbe es innerhalb des Ministeriums, das unter Joschka Fischer 2005 schon einmal durch eine Visa-Affäre erschüttert wurde, einiges aufzuklären. Der Referent, gegen den sich das eine Ermittlungsverfahren richtet, hat nicht im Alleingang gehandelt. Auch sein Vorgesetzter machte Druck auf die Kollegen in Islamabad, die sich standhaft weigerten, das Visum auszustellen, weil sie erhebliche Zweifel an der behaupteten Identität und der Verfolgungsgeschichte des Antragstellers Mohammad G. hatten.

Wer war im Auswärtigen Amt noch eingebunden? Woher kam der nach unten weitergegebene Druck? Und vor allem: Warum war er so massiv?

Referent soll ins Ausland versetzt werden

Der Referent, ein promovierter Jurist, ist nach Informationen von Cicero und Business Insider inzwischen nicht mehr auf seinem Posten. Intern erhalten Kollegen, die ihn per E-Mail anschreiben, schon seit Wochen eine automatische Abwesenheitsnotiz mit dem Hinweis: „Ihre E-Mail wird an (...) weitergeleitet“.

Angeblich soll er turnusgemäß ins Ausland versetzt werden. Aber geht das, solange gegen ihn strafrechtlich ermittelt wird? Und ist er womöglich nur das Bauernopfer, um andere Verantwortliche in Baerbocks Ministerium zu schützen?

Aus der Pressestelle des Auswärtigem Amts heißt es dazu nur: „Wir bitten um Ihr Verständnis, dass wir uns grundsätzlich nicht zu Details oder personellen Entscheidungen zu Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern äußern, die keine leitenden und öffentlichen Positionen innehaben.“

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