Abschiedsbesuch bei Biden - Merkel ist Geschichte

Mit ihrem Trip in die USA hat sich Angela Merkel von der Politik verabschiedet. Nicht nur von der internationalen Bühne, sondern aus der deutschen Politik überhaupt. Anderenfalls wäre sie nicht nach Washington geflogen, sondern in die Hochwassergebiete gefahren.

Bundeskanzlerin Merkel wird von US-Präsident Biden im Weißen Haus begrüßt / dpa
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Autoreninfo

Thomas Jäger ist Professor für Internationale Politik und Außenpolitik an der Universität zu Köln. Er ist Mitglied der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste.

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Um die Widerstandskraft der Demokratien zu stärken, sucht der amerikanische Präsident Biden gerade Verbündete. Demokratien müssen, je stärker sie sich im Innern ausdifferenzieren, weil weltanschauliche oder identitätspolitische Zergliederung den Zusammenhalt der Nation aufbrechen, ihre Legitimation durch gute Entscheidungen, effektive Leistungen und die Lösung der anstehenden Probleme herstellen. Die Legitimation kommt nicht mehr von innen, sondern muss erarbeitet werden.

Zum Beispiel in der Pandemie. „Spritze in den Arm und Geld in die Tasche“, sagte Biden kurz und präzise auf die Frage, wie die Pandemie besiegt wird. Merkel hingegen meinte zur Impfstoffbeschaffung: „Im Großen und Ganzen ist nichts falsch gelaufen.“ Das sah allerdings nur sie so.

Ob die amerikanische Demokratie weiterhin derart leistungsfähig sein kann, hängt davon ab, ob sie auch künftig Regeln und Taktung der Weltwirtschaft prägt. Oder ob dies in Peking entschieden wird. Im Wettstreit mit China geht es um Technologie, Effektivität und Effizienz. Schlicht gesagt: Welches System ist für seine Bürger besser? Der ideologische Konflikt mit der Sowjetunion war nie soweit gediehen. Da standen sich Überfluss und Mangelwirtschaft gegenüber. Jetzt steht die Spitze des technologischen Fortschritts zur Disposition. Die USA wollen die führende Weltmacht bleiben.

Freundliches, bestimmtes Verabschieden

Um China auf Abstand zu halten, brauchen die Vereinigten Staaten Verbündete. Die Bundesregierung signalisiert seit Bidens Wahl, dass sie auf diese Linie nicht einschwenkt. Wo Biden eine strikte Politik will, will Merkel lavieren. Das haben sich beide Regierungschefs in Washington nun nochmals persönlich sagen können. Ob damit die verabredete Strategie einer Build Back Better World (B3W), also einer Alternative zur Neuen Seidenstraße, schon ebenso zum Papiertiger mutiert ist wie die EU-Asien-Konnektivitätsstrategie, muss sich zeigen. Mit Angela Merkel kommt Biden jedenfalls keinen Schritt weiter – und so wurde sie freundlich, aber vor allem verabschiedet.

Aus Merkels Sicht sieht die Reise auch so aus. Mit ihrem Trip in die USA hat sich die Kanzlerin von der Politik verabschiedet. Nicht nur von der internationalen Bühne, sondern aus der deutschen Politik überhaupt. Anderenfalls wäre sie nicht nach Washington geflogen, sondern in die Hochwassergebiete gefahren. Tausende Menschen stehen in Deutschland vor den Trümmern, die das Wasser riss. Viele sind gestorben. Eine große Zahl wird vermisst. Eigentlich ist der Platz der Regierungschefin dort. Aber Frau Merkel kandidiert nicht mehr. So flog sie in die USA.

Putins Lachen war bis Kiew zu hören

Lässt man von Merkels Besuch in Washington alles Brimborium weg, bleibt wenig Neues zu berichten. Beide Staaten schätzen den Umgang mit China unterschiedlich ein. Die USA wollen China vom Griff nach der Weltmacht abhalten. Deutschland will das nur, wenn die Geschäfte weiter laufen. Die USA wollten die Pipeline Nord Stream 2 verhindern. Das hat Angela Merkel abgewendet. Nun erwarten die USA Garantien für die Ukraine. Denn wenn die Ukraine nicht mehr gebraucht wird, um Erdgas nach Westen zu verkaufen, könnte der militärische Druck Russlands zunehmen, um die Ukraine vom Westen zu trennen. Deutschland sieht das auch, und Merkel sagte, die Bundesrepublik werde „auch aktiv handeln“, wenn Russland die Ukraine als Transitland nicht respektiert. Putins Lachen war bis Kiew zu hören.

Um überhaupt ein greifbares Ergebnis vorweisen zu können, wurde eine „Washingtoner Erklärung“ unterschrieben. Beide Seiten sind für Freiheit und gegen Unterdrückung. Ein Zukunftsforum für den transatlantischen Austausch wurde eingerichtet, ein Wirtschaftsdialog verabredet und eine Klima- und Energiepartnerschaft beschlossen. Grundsätzlich wollen beide Seiten den Klimawandel aufhalten. Indem immer wieder darauf hingewiesen wird, dass dies doch gegenüber Trump ein Fortschritt sei, lässt sich gut verdecken, dass es keinen Konsens dahingehend gibt, was, wie und wann das alles umgesetzt werden soll. Deshalb diese Arbeitskreise.

Die Kanzlerin laviert sich raus

Unterm Strich brachte die Reise nichts Neues. Es wurden die altbekannten Einschätzungen aufgewärmt. Mehr war auch gar nicht zu erwarten. Merkel laviert sich auch international aus ihrer Regierungszeit heraus. Für die US-Regierung ist nun entscheidend, wer in Deutschland die nächste Regierung stellt. Aus amerikanischer Sicht war Merkel schon Geschichte, als sie in Washington landete. Die Kommentare über ihre Amtszeit in der Washington Post und Foreign Policy an den Tagen zuvor waren wenig schmeichelhaft. Dafür waren die Lobgesänge in der Pressekonferenz umso preisender.

Wie es eben so ist, wenn man verabschiedet wird.

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