Friedensnobelpreis für Narges Mohammadi - Sie hat jede Ehrung verdient, aber der Preis ist der falsche

Die inhaftierte iranische Frauenrechtlerin Narges Mohammadi verdient jede Unterstützung. Allerdings hat ihr mutiger Kampf mit dem Stiftungszweck des Nobelpreises, nämlich dem Frieden, kaum etwas zu tun. Das Komitee in Oslo legt diesen immer freier aus.

Narges Mohammadi / picture alliance
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Autoreninfo

Ferdinand Knauß ist Cicero-Redakteur. Sein Buch „Merkel am Ende. Warum die Methode Angela Merkels nicht mehr in unsere Zeit passt“ ist 2018 im FinanzBuch Verlag erschienen.

 

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Die iranische Frauenrechtlerin und Menschenrechtsaktivistin Narges Mohammadi hat ganz zweifellos höchste Ehrung und vor allem Unterstützung verdient. Zumal sie im Gegensatz zu vielen anderen Empfängern des Friedensnobelpreises nicht auf einem mit Macht und Mitteln ausgestatteten Posten sitzt. Im Gegenteil, die 51-jährige Frau sitzt im Gefängnis in Teheran eine mehrjährige Strafe ab.

Seit rund 25 Jahren ist Mohammadi politisch aktiv für die Rechte von Frauen im Iran. Ende 2022, während der landesweiten Proteste gegen Irans Mullah-Herrschaft, brachte sie einen Bericht ans Licht, der mutmaßliche Folter an zahlreichen Frauen in einem Hochsicherheitsgefängnis aufdeckte. Insgesamt 13 Mal sei sie festgenommen und 5 Mal verurteilt worden, die Strafen beliefen sich auf zusammengenommen 31 Jahre Gefängnis und 154 Peitschenhiebe, listet das Nobelpreiskomitee in Oslo auf. Der Preis geht also an eine Frau, die tatsächlich das ist, was sich viele Politiker gerne selbst zuschreiben, ohne es je unter Beweis stellen zu müssen, nämlich: mutig.

Ein entwerteter Preis

Die diesjährige Preisvergabe hat somit eine ganz andere Qualität als etwa die bizarre Auszeichnung der Europäischen Union (2012) oder Barack Obamas (2009), der damals gerade erst ins Weiße Haus gekommen war. Diese beiden und manche andere Entscheidungen des Osloer Komitees haben den Preis in den Augen weiter Teile der Weltöffentlichkeit entwertet.

 

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Schon seit Jahrzehnten hat sich das Komitee, das vom norwegischen Parlament beschickt wird, von dem Stiftungszweck Alfred Nobels in seinen Entscheidungen immer öfter entfernt. Zur Erinnerung: Dieser stiftete in seinem Testament den Preis für denjenigen, „der am meisten oder am besten für die Verbrüderung der Völker gewirkt hat, für die Abschaffung oder Verminderung der stehenden Heere sowie für die Bildung und Verbreitung von Friedenskongressen“.

Kampf gegen das Unterdrückungsregime

Nochmals: Mohammadi verdient „für ihren Kampf gegen die Unterdrückung von Frauen im Iran und ihren Kampf für die Menschenrechte und Freiheit für alle“ unter großen persönlichen Risiken und Entbehrungen gegen das Unterdrückungsregime der iranischen Mullahs die Unterstützung aller freiheitlich gesinnten Menschen und Regierungen. Aber mit der Verbrüderung der Völker, Abrüstung und Friedenskonferenzen hat der Kampf der Iranerinnen unter dem Motto Frau, Leben, Freiheit“ allenfalls in einem sehr abstrakten Sinne zu tun.

Auch im vergangenen Jahr standen die Menschenrechte im Zentrum der Begründung des Komitees für die Preisverleihung an den weißrussischen Aktivisten Ales Bialitski, die russische Organisation Memorial und das ukrainische Center for Civil Liberties. Damals hieß es in der Begründung: „Gemeinsam veranschaulichen sie die Bedeutung der Zivilgesellschaft für Frieden und Demokratie“.

Dass bürgerliche Freiheit nicht immer gleichbedeutend mit Frieden ist, sollte allerdings angesichts der Geschichte vieler Freiheitskämpfe und derzeit auch des Verteidigungskampfes der Ukraine gegen Russland auch dem Osloer Komitee klar sein. Viele Demokratien wurden nicht nur mit friedlichen Mitteln erkämpft.

Weg vom konkreten Friedensziel

Dieses Komitee jedenfalls hat sich seit den 1960er Jahren immer öfter die Freiheit genommen, Nobels Stiftungszweck weg vom konkreten Friedensziel hin zur Auszeichnung des Einsatzes für Menschenrechte oder andere politische Ziele zu interpretieren. Explizit begann das 1960 mit der Auszeichnung des südafrikanischen ANC-Präsidenten Albert John Luthuli.

Auch der saß damals im Gefängnis, ähnlich wie Mohammadi heute. Er hatte öffentliche Unterstützung und Ehrung so verdient wie Mohammadi heute. Mit dem Stiftungszweck des Preises hatte er aber nur insofern zu tun, als er dezidiert für einen gewaltlosen Kampf gegen die Apartheid eintrat. Ähnliches gilt für den Preisträger von 1964, nämlich Martin Luther King. 1968 erhielt dann René Cassin den Preis – vor allem für seine Mitarbeit an der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte. Auch Aung San Suu Kyi (1991) und Rigoberta Menchu (1992) wurden „für ihren Einsatz für die Menschenrechte“ ausgezeichnet.  

Etwa seit der Jahrtausendwende wurden dann noch weitere Ziele zur Begründung der Vergabe des Friedensnobelpreises aufgenommen, etwa „nachhaltige Entwicklung“ (bei der Vergabe an die Kenianerin Wangari Maathai 2004) oder „die Förderung wirtschaftlicher und sozialer Entwicklung von unten“ (Muhammad Yunus 2006).

Schließlich kam 2007 der Klimaschutz hinzu, als Al Gore und der Weltklimarat IPCC ausgezeichnet wurden. 2014 wurde die damals erst 17-jährige Pakistanerin Malala Yousafzai „für ihren Kampf gegen die Unterdrückung von Kindern und Jugendlichen und für das Recht aller Kinder auf Bildung“ ausgezeichnet, 2021 die philippinische Aktivistin Maria Ressa und der russische Journalist Dmitry Muratov für ihren Einsatz für die Pressefreiheit.

Mit dem Zweck des Friedens

Das sind alles höchst ehrenwerte Zwecke. Aber sie mit dem Zweck des Friedens, dem Nobel seinen Preis widmete, in einen großen Topf zu werfen, mit dem sie allenfalls in sehr mittelbarer Weise etwas zu tun haben, führt letztlich dazu, dass die Signalwirkung des Preises und seine politische Bedeutung entwertet werden.

Mehr als Preise verdienen Mohammadi und alle Menschen, die gegen islamistische Unterdrückung im Iran und anderen Ländern kämpfen, politische Unterstützung. Da haben sich auch viele Politikerinnen in Deutschland, die sich für feministisch halten und die Ehrung Hammadis begrüßen, bislang nicht unbedingt Ruhm erworben.

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