Dieses Bild ist leider nicht mehr verfügbar
picture alliance

Mit Assad reden - Ist Merkel vor Putin eingeknickt?

Kolumne: Leicht gesagt. Es wird ohne Zweifel der schwierigste Dialog der Weltgeschichte: Während Syriens Diktator Assad seine Bevölkerung weiterhin mit Fassbomben terrorisiert, will Merkel mit ihm verhandeln. Hatte Putin da seine Hände im Spiel?

Autoreninfo

Wulf Schmiese leitet das „heute journal“ im ZDF. Zuvor hat er als Hauptstadtkorrespondent, jahrelang auch für die FAZ, über Parteien, Präsidenten, Kanzler und Minister berichtet.

So erreichen Sie Wulf Schmiese:

Putin macht mobil für den Kampf an Assads Seite. Zugleich wird auf der UN-Generalversammlung in New York verhandelt, ob es Frieden in Syrien geben kann mit Hilfe von Assad. Es sagt sich wahrlich nicht leicht für den Westen, das auch nur versuchen zu wollen. Doch Deutschland ist fest entschlossen zu Gesprächen. Der Grund ist vor allem national: zu viele Flüchtlinge.

Der mitternächtliche Halbsatz in Brüssel, den die übermüdete Kanzlerin vergangene Woche tat, hat eine lange vorbereitete Linie offenbart: „Es muss mit vielen Akteuren gesprochen werden, dazu gehört auch Assad, dazu gehören auch andere.“ Wirklich Assad? Dem, der bislang als Ursache des syrischen Bürgerkriegs gilt und als weltgrößter Massenmörder?

Die Bundesregierung hat keinen Zweifel daran, dass es sein Giftgas und seine Fassbomben sind, die 250.000 Menschen getötet haben sollen. Und dass die 11 Millionen heimatlosen Syrer im Grunde vor ihm aus Syrien fliehen. Natürlich auch vor dem Islamischen Staat, der sich rasant ausbreitet. Doch wegen Assad könnten sie weder in seinem Rumpfstaat leben, noch im besetzten Teil der Hardcore-Islamisten, die bald zwei Drittel Syriens besetzt haben.

An Assad annähern


Es schien bislang völlig ausgeschlossen, mit dem Diktator aus Damaskus zu verhandeln. Deutschland hatte vor drei Jahren jeglichen Kontakt abgebrochen, Syriens Botschafter binnen 72 Stunden ausgewiesen und seitdem beharrlich Assads Rücktritt gefordert. Warum soll Assad nun, wie es die Kanzlerin sagt, „Akteur“ in einem Friedensprozess sein?

Das sei eine „180-Grad-Wende“, urteilt Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter im ZDF. Und zwar „ausgelöst durch den Druck von Russland“. Kehrtwende auf russischen Druck hin? Das stimmt beides nur halb.

Die Berater der Kanzlerin beeilten sich, alles herunter zu spielen: Nein, man habe nie abgelehnt, auf allen Kanälen zu weiter zu sprechen. Und das Auswärtige Amt weist fast stolz auf eine Quelle des eigentlichen Urhebers dieser Initiative hin: den eigenen Chef. Steinmeier hatte unmittelbar, nachdem die Wiener Atom-Verhandlungen mit Iran erfolgreich beendet worden waren, in der FAZ einen Namensbeitrag geschrieben, der den jetzigen Weg mit Syrien schon skizziert hat: „Vielleicht können wir jetzt das Momentum der historischen Einigung von Wien nutzen, um anderswo in der Region Versuche zu starten, die schweren Konflikte zu entschärfen“, kündigte der Außenminister Mitte Juli an.

Putins Bedingung


Was da noch wie eine Frage klang, war längst konkret geplant. Die Iran-Gespräche sind die exakte Vorlage, die nun erweitert wird. Aus den sogenannten E3+3-Gesprächen, also Deutschland, Frankreich und Großbritannien plus die USA, Russland und China, soll nun ein E3+3+3-Format werden. Die hinzukommenden drei Mächte sind die herrschenden des Nahen Ostens: Türkei, Iran und Saudi-Arabien. Diese neun sollen unter- und miteinander einen Frieden Syriens ausloten.

Wo aber ist da Assad? Im Beiboot der Großen: Iran und vor allem Russland. Kapitän Putin droht offen: Wehe, Assads Regime geht unter! Er sei der einzige, der gegen den IS kämpft. Und wenn ihr zaudernden Westler euch nicht nass machen wollt, dann preschen wir allein voran. Eben erst holte sich Putin das offizielle Go von seinem Oberhaus, dem Russischen Föderationsrat.

In New York beeilt sich nun der Westen erst Recht zu Gesprächen. Der UN-Sondergesandte für Syrien, der Italiener Staffan de Mistura, hat jetzt ein internationales Team zusammengestellt, das zwischen den syrischen Kriegsparteien verhandeln soll. Unter diesen vier Vermitteln ist ein Deutscher - Volker Perthes, Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik. Europa, warnt er, müsse sich auch auf üble Begegnungen gefasst machen: „Der Weg zu einer politischen Lösung wird allerdings nicht sehr schön und auch seinen europäischen Unterstützern gelegentlich schwere politische Bauchschmerzen bereiten.“

Deutschland wird also mit Assads Leuten sprechen, also indirekt mit ihm. Das ist Putins Bedingung. Insofern stimmt Hofreiters Feststellung, dass Moskaus Druck Wirkung zeigt. Denn Putin hat Fakten geschaffen, die den Westen nun zur Eile drängen. Er hat bereits Militärstützpunkte in Assads Rest-Syrien gebaut. Es gibt ein Argument Putins, das den Westen überzeugt: Es dürfe nicht der – amerikanische! – Fehler von Libyen und Irak wiederholt werden, alle staatlichen Strukturen eines Staats zu zerstören.

Steinmeier stößt es keineswegs ab, dass Putin nun wieder eine Chance hat, auf die Weltbühne zurückzukehren. Er war immer der Meinung, dass die großen globalen Konflikte nur mit Russland gemeinsam zu lösen seien.

Es geht nicht ohne Assad


Inzwischen sehen das auch die führenden Außenpolitiker in Merkels CDU so: „Da Russland massiv auf Assad setzt, glaube ich, können wir nicht sagen, es geht nur ohne Assad. Sondern wir müssen hier versuchen, gemeinsam zu einer Lösung zu kommen, auch mit Russland.“ So sagt es der frühere deutsche Verteidigungsminister Franz-Josef Jung, der heute als stellvertretener CDU/CSU-Fraktionsvorsitzender für die Außenpolitik zuständig ist. Und Jürgen Hardt, der neue außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, der noch dazu Koordinator der deutsch-amerikanischen Beziehungen ist, geht sogar noch weiter: „Wir werden Frieden, Freiheit in der Welt ohne Unterstützung Russlands nicht bekommen können. Und wir werden vor allem die Region des Nahen und Mittleren Ostens nicht befrieden können.“

Wenn inzwischen also auch Merkels Leuten Russland als Garant für Frieden und Freiheit in der Welt gilt, dann muss die Not groß sein. Dahinter steckt die Sorge, dass noch mehr Syrer nach Deutschland kommen. SPD-Fraktionschef Oppermann hat im ZDF diesen Zusammenhang klipp und klar benannt: „Wir müssen auch mit Assad reden. Immer mehr Menschen sterben und immer mehr Flüchtlinge kommen. Wir müssen etwas tun, um das zu stoppen.“

Das also ist der wahre Grund für das schnelle Handeln und die offenen Arme für Putin. Von wegen: Wir schaffen das! Wir schaffen das natürlich nicht, denkt Deutschlands Regierung, wenn nicht bald Ruhe in Syrien herrscht – wie auch immer. Hehre Ziele nach Demokratie und Menschenrechten, wie sie einst für Afghanistan und den Irak erhofft wurden, fordert nun niemand mehr.

Die syrische Opposition kann kaum fassen, was sich hier gerade tut: Sadiqu Al-Mousllie vom Syrischen Nationalrat, der Exil-Opposition Syriens, sieht eine geradezu zynische Botschaft an alle Bösen dieser Welt, die sage: „Produziert genug Flüchtlingsströme und ihr bleibt immer noch als Gesprächspartner.“ Er sagt auch, der Großteil der Syrer werde Assad nicht einmal als Übergangspräsidenten akzeptieren. Die Flüchtlingsströme würden daher größer – und nicht kleiner.

Deutschland aber hat sich entschieden, einen der schwierigsten Dialoge der Weltgeschichte zu führen mit Mächten, die einander magnetisch abstoßen. Das größte Problem sind da nicht Russland und die USA, sondern Iran und Saudi-Arabien. In der FAZ schrieb Steinmeier dazu am 15. Juli: „Das ist mühsam, und es verlangt Geduld und Beharrlichkeit. Aber es lohnt jede Mühe.“

Übersetzt heißt das: Realpolitik. 

 

Bei älteren Beiträgen wie diesem wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen. Wir bedanken uns für Ihr Verständnis.