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Zum Opernball der Weltpolitik in Elmau - Am G-Punkt

Auf Schloss Elmau steigt die große Sause der Weltenlenker. Der G-7-Gipfel. Man sollte solche Treffen nicht grundsätzlich in Frage stellen. Aber ein „Zurück zu den Wurzeln“ wäre ratsam

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Christoph Schwennicke war bis 2020 Chefredakteur des Magazins Cicero.

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Vorweg eine Begriffsklärung, man kann bei all diesen Abkürzungen ja leicht durcheinander kommen. Deshalb der Reihe nach, in numerischer Folge: Beim G 1 handelt es sich um ein nach Angaben des Herstellers superschnelles Smartphone mit verschiebbarem Display, hinter dem die Tastatur erscheint. Das G 3 war das ziemlich schwere, aber robuste Sturmgewehr der Bundeswehr, als sie noch eine Wehrpflichtarmee zur Landesverteidigung war. Die G 7 waren einmal die sieben wichtigsten Wirtschaftsnationen der Welt, deren Staats- und Regierungschefs sich vormals zu einem zwanglosen Treffen im kleinen Kreis am Kamin zusammenfanden. Die G 8 wiederum war diese Runde erweitert um Russland, das sich im wahrsten Sinne aus diesem Kreis wieder herausgeschossen hat, weshalb es die G 8 im Moment nicht gibt. Hinter G 9 verbirgt sich das Abitur nach 13 Jahren. Die G 20 sind wiederum der Zusammenschluss der besagten G 7 beziehungsweise G 8, erweitert um Staaten, die im Begriff sind, zu den großen Sieben oder Acht aufzuschließen. Das G 36 schließlich ist das Nachfolgegewehr des Schießprügels G 3 bei der Bundeswehr, seit sie Interventionsarmee geworden ist. Nach Aussage der Ministerin sollen aber auch dessen Tage wegen Präzisionsmängel beim heißen Gefecht gezählt sein.

So weit das Kürzel G in seinen diversen Kombinationen mit einer Zahl, wobei wir alle noch aus dem Physikunterricht wissen, dass das Kürzel G alleine für die konstante Erdanziehungskraft (9,81 Meter pro Sekunde Fallgeschwindigkeit) steht.

Nichts ist geblieben von den Gipfeln der Vergangenheit
 

Die großen Sieben treffen sich zurzeit wieder einmal auf Einladung der deutschen Bundeskanzlerin und Gastgeberin in einem schönen Schlosshotel in den bayrischen Bergen. Das Buhei, das abermals schon Wochen vorher um diese Veranstaltung gemacht wurde, könnte glauben machen, es würden hier wirklich in etwas mehr als 24 Stunden im Beisein aller Weltenlenker die entscheidenden Fragen des Globus gestellt und beantwortet.

Das ist kompletter Unsinn. Was wir die kommenden Tage sehen werden, sind wunderbare Bilder von uns bekannten Personen, die durch eine Bilderbuchkulisse laufen, sich für gemeinsame Fotos aufstellen oder das Bergmassiv des Karwendel-Gebirges bestaunen. Dazu werden wir Reporter im Sonnenschein stehen sehen, die das gepflegte Nichts in ihre mit flusigen Puscheln versehenen windgeschützten Mikrofone reden, das aber mit sehr bedeutender Miene. Denn sie müssen mit ihrer bedeutenden Miene ebenso ihre Reise an den Ort des dröhnenden Nichts rechtfertigen wie die Staats und Regierungschefs die ihre mit schönen Bildern der Harmonie.

In den vergangenen Jahren jedenfalls ist von diesem Opernball der Weltpolitik nichts übrig geblieben. Nicht von Heiligendamm, nicht von Huntsville, Deauville, Lough Erne.

Zwischenzeitlich, nach Ausbruch der Finanzkrise 2008, sah es einmal so aus, als würde der G20-Gipfel dem G7/G8-Gipfel den Rang ablaufen. Das wichtigere Gremium werden. Hat Angela Merkel zu jener Zeit jedenfalls immer wieder gesagt. Von den G 20 ist nichts mehr zu hören, genauso wenig wie von den nicht bindenden Beschlüssen seinerzeit im Nachgang zur Lehman-Pleite vom G20-Gipfel in London.

Wie schon angedeutet, alles fing 1975 an einem Kamin im Schloss von Rambouillet an. Und in diesem Format mag die Zusammenkunft jenseits des offiziellen Wanderzirkus der Diplomatie seine Berechtigung gehabt haben.

Aber wie fast jede staatliche oder auch zwischenstaatliche Institution auf der Welt ist auch das Kaminzimmer von Rambouillet immer größer, gigantomanischer und damit einhergehend ineffektiver geworden.

Man sollte nicht so kleinlich sein, die gut 300 Millionen Euro, die sich Deutschland die Sause der Weltenlenker kosten lässt, grundsätzlich in Frage zu stellen. Für die Lösung großer globaler Probleme sind 300 Millionen kein zu hoher Preis. Aber ein wenig hinterfragen darf man schon, ob eine wochenlange kostenlose Werbung für ein Luxusressort auf allen Kanälen und schöne Eindrücke aus dem wirklich malerischen bayerischen Alpenland einen solchen Aufwand rechtfertigt.

Opernball der Weltpolitik auf seinen Kern reduzieren
 

Selbst als Infrastrukturmaßnahme lässt sich diese Veranstaltung in diesem Fall nicht betrachten, dann hätte man sie eher nach Neustrelitz oder Prenzlau legen sollen. Aber auch das kann floppen. Das seinerzeit in Heiligendamm auserkorene, strahlend weiße Wellnesshotel am Ostseestrand ist bis heute mehr oder weniger eine Investitionsruine geblieben.

Deshalb wäre es gut und richtig, wenn das einsetzte, was Joseph Schumpeter im Kapitalismus als die schöpferische Kraft der Zerstörung pries, nämlich die Zerschlagung einer im Boom enorm aufgeblähten, aber in die Jahre gekommenen Unternehmung durch den Wettbewerb neuer Märkte.

Dieser - nennen wir ihn: G-Punkt ist nicht erst mit Elmau erreicht. Aber so lange keiner der Akteure das einsieht, benennt und alle dazu bringt, diesen Opernball der Weltpolitik wieder auf seinen Kern zu reduzieren, so lange wird dieses absurde Happening weiter um den Globus ziehen, ein paar Tage Chaos in entlegene Winkel der Welt bringen. Tage, von denen nichts bleibt als ein riesiger Strandkorb hier und betonierte vormalige Wanderwege dort.

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