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Singlebörsen - Die Schwierigkeit, sich einen Mann zu kaufen

Kolumne: Stadt, Land, Flucht. Ob Männer oder T-Shirts. Einkaufen im Internet nervt. Manche Dinge muss man eben doch anfassen

Autoreninfo

Marie Amrhein ist freie Journalistin und lebt mit Töchtern und Mann in der Lüneburger Heide.

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Wer in eine Kneipe kommt, der checkt ab. Ist was Interessantes dabei? Ein Blick an die Theke, auf dem Weg zur Toilette noch am versteckten Ecktisch vorbei, kurz darauf steht die Analyse: Man kann sich getrost auf das Bier mit seinen Freunden konzentrieren, hier ist sonst nichts zu holen.

Dieser Ablauf ist natürlich. Auch wenn ich hier der Ordnung halber kurz klarstellen muss, dass ich glücklich verheiratet bin. Ja doch, aber ich hör ja deswegen nicht auf, schöne Menschen anzuschauen. Außerdem hat man ja des Öfteren einen Single dabei. Von denen gibt es in Deutschland immer mehr, ist doch der Singlehaushalt heute die häufigste Wohnform in Deutschland. Das lesen wir dieser Tage aus den endgültigen Ergebnissen des Zensus aus dem Jahre 2011 heraus. Dort lernen wir auch, dass das Alleinleben nichts mit dem Alter zu tun hat: Nur 17,6 Prozent der Singles sind jünger als 30 Jahre. Es ergibt sich also eine ziemliche Bandbreite ungebundener Menschen in der Bundesrepublik.

Mythen der Netzromantik
 

Das ist tröstlich, auch für uns Langweiliglangzeitverheiratete. Denn kaum etwas ist für uns so erfüllend wie der Moment, an dem einen die Singlefreundin in die eigene Jagd mit einbindet. Dazu gehört auch viel Frust. Weiß man ja. Und dann kommt nach einiger Zeit des Suchens unweigerlich der Moment, an dem über die Internetoption nachgedacht wird. Viele Mythen ranken sich mittlerweile um die Netzromantik, um Geschichten von Karin, „weißt du, die hatte doch immer so ein Pech und jetzt hat sie geheiratet und bekommt ihr erstes Kind!“. Und da willst du nicht mitmachen, wird dann die Singlefreundin gefragt. Und es muss in ihren Ohren klingen wie: Selber Schuld, wenn du kein Foto ins Netz lädst, auf dass alle Leute sehen können, wie sehr du dir einen Partner wünschst. Pah, bleibst du eben alleine.

Denn wer glaubt denn wirklich noch daran, dass du zufällig in irgendeinem Kaffee oder auf dem Markt am Rosenstand den passenden Topf für dich krummen Deckel findest? Das ist ja wie Lottospielen. Und das machen doch auch nur noch alte Leute, die mit ihrem Dackel um die Ecke zum Tabakladen gehen, um sich die Hörzu und eine Schachtel Rothändle zu kaufen, oder?

Es muss ja nicht das teure Parship sein. Heute geht man auf hippere Seiten wie okcupid, lässt sich liebevoll für das Internetmagazin „Im Gegenteil“ mit Bild und Text porträtieren oder besorgt sich die „oberflächlichste Dating-App der Welt“ (Süddeutsche): Tinder ist seit September 2012 auf dem Markt und wird mittlerweile 20.000 Mal am Tag heruntergeladen. Die Bilder flirtwilliger Facebook-Nutzer, die sich in der Nähe aufhalten, werden mit Angabe des Alters angezeigt, der User wischt das Angebot weg – oder klickt auf das grüne Herz. Bei zwei Herzen geht es in den Chatroom – zunächst einmal.

Ab in die Kneipe
 

Wer da nicht mitmacht, verschenkt sagenhafte Chancen aufs Lebensglück, möchte man meinen. Und ein bisschen ungeduldig war ich schon, als meine Freundin zum wiederholten Male das Anmelden in einer der Partnerbörsen ablehnte. Denn mal ehrlich: Ich hätte wieder Lust aufs Verknalltsein – und wenn auch nur stellvertretend.

Seitdem ich auf dem Land lebe, komme ich nicht mehr so häufig in Kneipen. Noch viel seltener aber bin ich in Klamottenläden unterwegs. Deswegen, so dachte ich, könnte ich doch mal dieses neumoderne Internetshoppen ausprobieren. Da ist die Auswahl riesig, ich kann selbst entscheiden welche Marke, welche Farbe, fair gehandelt oder billig. Also klickte ich los. Und je länger ich klickte, desto frustrierter wurde ich. Wusste ich doch selber nicht so recht, was ich wollte. T-Shirt und Hose. Schon. Aber wie das alles wirkt, am Körper sitzt, sich der Stoff anfühlt. Es halfen nicht die schönsten Bilder, kein noch so detaillierter Zoom auf den Stoff, um mir die Dinge in natura vorstellen. Und erst am eigenen Leib! Ging ich früher in einen Laden, genügte das Durchstreifen der Reihen und mit zielsicherem Blick zog ich ein bis zwei Teile aus dem Regal. Im Internet fehlt trotz genauer Beschreibung das Gefühl, alles bleibt vage, irgendein fehlendes Moment macht die Entscheidung am Computer unmöglich.

Und plötzlich verstand ich die Skepsis meiner Freundin. Wenn ich schon nicht in der Lage war, mir ein T-Shirt auszusuchen, wie soll sie sich da für einen Mann entscheiden? Bilder, Profile, Beschreibungen, die schiere Auswahl an Menschen oder T-Shirts lähmt und frustriert. Und etwas Gutes muss das reale Leben ja auch noch haben. Also husch husch, ab in die nächste Kneipe.

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