Wohin mit Ihrem Geld? - Nicht investierbar

Hohe Energiepreise belasten den Wirtschaftsstandort Deutschland schon heute. Steigende Zinsen werden es in der Zukunft. Unser Finanzkolumnist Daniel Stelter beobachtet, wie immer mehr Investoren Anlagen in Deutschland vermeiden. Und leider haben sie recht.

Während sich Deutschland deindustrialisiert, freuen sich Habeck und sein Team über die positive Klimawirkung
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Autoreninfo

Daniel Stelter ist Gründer des auf Strategie und Makroökonomie spezialisierten Diskussionsforums „Beyond the Obvious“. Zuvor war er bei der Boston Consulting Group (BCG). Zuletzt erschien sein Buch „Ein Traum von einem Land: Deutschland 2040“.

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Deutsche Aktien und Staatsanleihen gelten für immer mehr ausländische Anleger als „non investible“ – nicht investierbar. Schuld an dieser kritischen Sicht ist der kriegsbedingte Energiepreisschock, vor allem aber die unzureichende Reaktion der hiesigen Politik, verbunden mit einer immer offensichtlicheren Weigerung, die Realitäten anzuerkennen.
Konkret sind es zwei Dinge, die den Investoren Sorgen machen: die unweigerliche Deindustrialisierung und der rasche Verlust der noch guten Kreditwürdigkeit des deutschen Staates. Beides hängt eng zusammen.

Der Zugang zu sicherer und günstiger Energie ist ein entscheidender Faktor für die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes. Schon in den vergangenen Jahren gab es bedingt durch die Energiewende eine schleichende Abwanderung energieintensiver Unternehmen. Heute, wo die Strompreise für Industriekunden bei mehr als dem Doppelten des in den Klimaschutzplänen für 2030 angestrebten, hohen Niveaus liegen und für Gas zehnmal so viel wie in den USA zu zahlen ist, befindet sich der Standort Deutschland in einer existenziellen Krise. Ohne Aussicht auf rasche Verbilligung der Energie gibt es für viele Unternehmen keine Perspektive mehr. Eine Analyse, die mit Blick auf den Zustand bei Infrastruktur, Digitalisierung, Bildung und demografischer Entwicklung nicht besser ausfällt.

Finger weg von Deutschland

Vernünftige Politik würde die Energiepreise umgehend subventionieren und alles daransetzen, sie rasch durch Ausweitung des Angebots zu senken. Mit Gas- und Strompreisdeckel agiert die Bundesregierung, dies allerdings halbherzig und viel zu spät. Bereits vor Monaten hätten entsprechende Maßnahmen vorbereitet werden können und müssen. Das eigentliche Versagen liegt in der Weigerung, alles zu tun, um günstige Energie in Zukunft zu sichern. Neben dem Skandal um die Kernkraftwerke – sechs hätte man für mindestens fünf Jahre ans Netz nehmen müssen – geht es vor allem um die Weigerung, die Erdgasgewinnung durch Fracking in Deutschland zuzulassen. Stattdessen erklärt der zuständige Minister achselzuckend, wir würden alle ärmer, und freut sich mit seinem Team über die positive Klimawirkung der Deindustrialisierung. Dass es dem Weltklima nichts bringt, wenn statt in Deutschland woanders CO2 ausgestoßen wird, bleibt ebenso ausgeblendet wie der erhebliche Klimaschaden, den importiertes Flüssiggas mit sich bringt.

Um von den Folgen dieser Politik abzulenken, öffnet die Regierung das Füllhorn staatlicher Hilfen. Hunderte von Milliarden neuer Schulden werden mobilisiert, um Bürger und Unternehmen zu unterstützen, allerdings ohne einen Ausblick darauf, wann diese Unterstützung enden kann. Die einst soliden Staatsfinanzen – wenn man von den gigantischen verdeckten Verbindlichkeiten absieht – werden in Rekordtempo abgewirtschaftet, verborgen in Sondertöpfen, die im orwellschen Sinne als „Vermögen“ betitelt werden. Wähler mögen auf die Wortspiele hereinfallen, Kreditgeber nicht.

Der wahre Todesstoß für die deutschen Finanzen kommt aus Europa. Schon seit Beginn des Euro war es das Ziel vor allem Frankreichs und Italiens, Deutschland in eine Schulden- und Transferunion zu locken. Der große Durchbruch gelang mit dem „Wiederaufbaufonds“, dem der Bundestag trotz nachdrücklicher Warnung des Bundesrechnungshofs zugestimmt hat. Nun, angesichts der aktuellen Krise und der gestiegenen Zinsen, wächst der Druck erneut. Es ist absehbar, dass die Bundesregierung nachgeben wird. Damit verliert Deutschland endgültig seinen Bonitätsvorteil, stehen wir doch dann für die italienischen und französischen Schulden mit ein. In der Folge werden die Zinsen hierzulande überproportional steigen, was nicht nur den Staat, sondern auch die Unternehmen trifft und uns einen weiteren Wettbewerbsvorteil nimmt. Wie beim Thema Energie gilt auch bei der Europapolitik, dass unsere Politiker die Augen vor der Realität fest verschließen. 
In ein Land, das sich mutwillig selbst ruiniert, investiert niemand freiwillig. Wir sollten es auch nicht tun.

 

Dieser Text stammt aus der Dezember-Ausgabe des Cicero, die Sie jetzt am Kiosk oder direkt bei uns kaufen können.

 

 

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