Wahlkampf 2017 - Die grüne Steuerfalle

Sehenden Auges machen die Grünen den gleichen Fehler wie 2013. Sie präsentieren einen Cocktail an Steuererhöhungen und denken dabei nicht an die Wähler, sondern nur an die eigene Parteibasis

Katrin Göring-Eckardt scheint für die grüne Urwahl gesetzt zu sein / picture alliance
Anzeige

Autoreninfo

Christoph Seils war Ressortleiter der „Berliner Republik“ bei Cicero bis Juni 2019. Im Januar 2011 ist im wjs-Verlag sein Buch Parteiendämmerung oder was kommt nach den Volksparteien erschienen.

So erreichen Sie Christoph Seils:

Anzeige

Die wenigsten Deutschen wissen, was eigentlich das Ehegattensplitting ist. Ein schnelles Scheidungsverfahren? Eine Spielart des Sadomaso?

Etwa 40 Prozent haben den Begriff laut einer Allensbach-Umfrage noch nie oder nur dem Namen nach gehört. Andere wissen immerhin, dass sich mit diesem Splitting irgendwie Steuern sparen lassen. Nur jeder vierte Befragte weiß darüber angeblich gut Bescheid. Ob dies stimmt, das wäre eine andere ganz Frage. Überprüft hat es das Institut für Demoskopie nicht.

Ein Wahlkampfschlager ist das Thema Ehegattensplitting in keinem Fall. Steht das komplizierte Sechs-Silben-Wort auf Plakaten oder in Programmen, wenden sich Menschen verstört ab. Auch die Grünen wissen das. Sie haben im Bundestagswahlkampf 2013 diesbezüglich schlechte Erfahrungen gemacht. Auch weil sie das Image einer Steuererhöhungspartei hatten, waren sie in der Wählergunst auf enttäuschende 8,4 Prozent abgestürzt. Die Ansprüche waren und sind andere.

Der Wähler fürchtet ums Portemonnaie

Derzeit streiten die Grünen erneut darum, ob sie mit Steuererhöhungen in den Bundestagswahlkampf 2017 ziehen sollen. In einem gemeinsamen Papier fordern fünfzehn führende Finanzpolitiker der Partei einen höheren Spitzensteuersatz, die Wiedereinführung der Vermögenssteuer und den grünen Klassiker: die schrittweise Abschaffung des Ehegattensplittings, was für viele faktisch zu einer zusätzlichen Steuermehrbelastung führt.

Für die Wähler ist das ein bunter Steuererhöhungscocktail mit fünf Zutaten, bei dem sie nur verstehen: Die Öko-Partei will uns ans Portemonnaie. Zumal auch noch eine höhere Erbschaftssteuer in der Diskussion ist und die Abschaffung der Abgeltungssteuer auf Kapitalerträge. Auch das ist so eine Steuer, die kaum ein Wähler kennt. Aber die Parteibasis glaubt immerhin: Irgendwie trifft es die Reichen. In Wirklichkeit trifft es sie nicht, denn die wirklich Reichen würden von der Abschaffung der Abgeltungssteuer vermutlich sogar profitieren. Aber zu soviel Differenzierung sind Überzeugungstäter häufig nicht in der Lage.

Steuererhöhungen als Identitätsthema

Der grüne Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann, warnt bislang vergeblich davor, die Wähler zu verschrecken. „In Zeiten sprudelnder Steuereinnahmen führt man keine Steuerwahlkämpfe“, sagt er. Aber mit dieser Überzeugung ist er in seiner Partei ziemlich allein. Dass er ohne die Forderung nach Steuererhöhungen eine Landtagswahl gewonnen hat, macht ihn für die prinzipienfeste Parteibasis außerhalb von Baden-Württemberg geradezu verdächtig.

Doch um den Wähler und einen Wahlerfolg geht es bei den Grünen derzeit nicht. Vielmehr findet bei der Öko-Partei ein innerparteiliches Kräftemessen statt. Realos und Linke buhlen um die Gunst der Parteibasis. Denn die wird im Herbst in einer Urwahl über ihre beiden Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl im September 2017 entscheiden. Der Vorwahlkampf richtet sich also an die eigenen Leute und da gelten andere Gesetze. Vor allem gelten dort Steuererhöhungen als innerparteiliches Identitätsthema.

Die Konstellation bei der Urwahl ist übersichtlich. Bislang bewerben sich eine Frau und drei Männer um die beiden Plätze. Beim Frauenplatz hat Katrin Göring-Eckardt bislang keine Konkurrenz, sie scheint nach Lage der Dinge gesetzt zu sein. Allerdings endet die Bewerbungsfrist erst am 17. Oktober. Die Lage kann sich theoretisch also noch ändern. Es sieht jedoch nicht danach aus.

Cem Özdemir, Anton Hofreiter oder Robert Habeck

Um den Männerplatz streiten sich drei Schwergewichte der Partei. Der Parteivorsitzende Cem Özdemir, der Fraktionschef Anton Hofreiter und der schleswig-holsteinische Umweltminister Robert Habeck. Özdemir gilt als Oberrealo und er steht in der Partei unter dem Generalverdacht der programmatischen Anpassung an die Union. Die linken Grünen werfen ihm vor, er wolle mit Blick auf Schwarz-Grün linke Inhalte der Partei preisgeben. Hofreiter zählt zum linken Flügel der Partei. Habeck ist eigentlich auch ein Realo, aber weil die Rolle schon vergeben ist, versucht er, die Lagerlogik innerhalb der Grünen zu überwinden und sich als grüner Patriot zu profilieren. So will er die Mitglieder ansprechen, denen die Unterscheidung zwischen Realos und Linken überholt erscheint.

Mit dem Steuererpapier schufen die grünen Finanzexperten erst einmal Fakten, bevor der innergrüne Vorwahlkampf richtig begonnen hat. Die Urwahlkämpfer können sich solange nicht von diesem distanzieren, wie sie um die Gunst der Basis buhlen. Wer da ausschert, kann sich den Urwahlkampf gleich sparen. Nur Özdemir murrt zumindest bei der Vermögenssteuer ein wenig. Er weiß vermutlich, dass die Suche nach einem Modell, dass den engen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zur Vermögenssteuer gerecht wird, vergeblich sein wird. Aber mit Stimmen vom linken Parteiflügel kann er sowieso nicht rechnen.

Urwahlkampf geht bis Januar 2017

Auf der anderen Seite trommelt der Altgrüne Jürgen Trittin vehement für Steuererhöhungen. Nicht, weil er selbst noch einmal in den Ring steigen will, sondern weil er damit seinem Freund Hofreiter den Weg zur Spitzenkandidatur freikämpfen will. Der Fraktionschef selbst hat nicht die innerparteiliche Autorität und Beliebtheit, um als Favorit im Urwahlkampf gelten zu können.

Spannend wird es erst nach der Urwahl, deren Ergebnis im Januar 2017 feststehen soll. Denn dann werden die Grünen zeigen müssen, ob sie aus dem Wahldebakel 2013 etwas gelernt haben. Siegen Trittin und Hofreiter beim innerparteilichen Kräftemessen, dann spricht viel dafür, dass die Partei noch einmal in die Steuerfalle tappen wird. Siegt einer der anderen beiden Kandidaten, werden sie die Partei wohl noch einmal an die mahnenden Worte des erfolgreichen grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann erinnern.

Anzeige