Volkswagen-Currywurst - Kraftriegel der Facharbeiterin

VW wird vegetarisch und streicht die Currywurst vom Speiseplan einer Kantine. Das ruft den Ex-Kanzler Gerhard Schröder auf den Plan, der das Imbiss-Gericht zum nationalen Kulturgut gemacht hat.

Verkaufsschlager: Currybockwurst aus der hauseigenen VW-Fleischerei. / dpa
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Daniel Gräber leitet das Ressort Kapital bei Cicero.

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Als Kanzler der Currywurst ist Gerhard Schröder in die Geschichte eingegangen. Als Sozialdemokrat, der die Stammklientel seiner Partei noch in den Fabrikhallen wähnte und weniger in den Hörsälen. So ist es kein Wunder, dass sich Schröder zu einem brandaktuellen Skandal zu Wort gemeldet hat: Volkswagen stellt seine Traditionskantine in Wolfsburg auf vegetarisch um. Die Currywurst, seit 1973 hergestellt in der hauseigegen Fleischerei, verschwindet vom Speiseplan.

„Wenn ich noch im Aufsichtsrat von VW säße, hätte es so etwas nicht gegeben“, kommentierte Schröder diese Nachricht in einem Kurzbeitrag auf dem Karrierenetzwerk LinkedIn. „Currywurst mit Pommes ist einer der Kraftriegel der Facharbeiterin und des Facharbeiters in der Produktion. Das soll so bleiben.“

Sieben Millionen Würste jährlich

Mehr als sieben Millionen Currywürste stellt die VW-Fleischerei im Jahr her. Der Großteil davon wird gar nicht mehr auf dem Werksgelände verzehrt, sondern im normalen Einzelhandel verkauft. Im vergangenen Jahr waren es sogar mehr als 80 Prozent, heißt es in einem Konzernmagazin. „Was klein anfing, ist heute ein Millionengeschäft.“

Wichtigster externer Absatzmarkt sei Edeka, insbesondere in der Region Hannover-Minden. Hinzu kommen Autohändler und viele kleine Partner auf der ganzen Welt, die das „Volkswagen Orginalteil“ (so steht es auf der Wurst) aus der Wolfsburger Fleischerei beziehen.

Benzin im Blut, Fleisch auf dem Teller

Während alle Welt die VW-Currywurst verspeist, sollen die eigenen Mitarbeiter also zu Vegetariern werden? Weil es zum neuen Image eines Elektroauto-Herstellers passt? Wer kein Benzin mehr im Blut hat, braucht auch kein Fleisch auf dem Teller?

Ein Anruf beim Konzern-Betriebsrat, um der Sache auf den Grund zu gehen. Dort wird man ja wissen, was der VW-Arbeiter so isst. Heiko Lossie, Pressesprecher des Betriebsrats, gibt Entwarnung. „Wir haben knapp 30 Betriebsrestaurants auf dem Werksgelände in Wolfsburg, kleinere und größere. Nur eines davon wird nach dem Ende der Werksurlaubs auf komplett vegetarisch umgestellt. Wer Currywurst essen will, hat genug Ausweichmöglichkeiten.“

Büroangestellte essen lieber vegetarisch

Die künftige Veggie-Kantine ist das Betriebsrestaurants im sogenannten Markenhochhaus. Das markante Backsteingebäude hat das kreisrunde VW-Logo auf dem Dach und beherbergt Verwaltungsmitarbeiter. „Aus der Produktion geht dort kaum jemand essen. Currywurst war da noch nie der Renner", sagt Betriebsratssprecher Lossie. „Die vegetarische Linie und die Salatbar waren beliebter.“ Er gehe daher davon aus, dass das neue Angebot gut angenommen werde.

In den anderen VW-Kantinen soll es den Kraftriegel des Facharbeiters also weiterhin geben. Übrigens auch in einer vegetarischen Variante – als Currywurst auf Getreidebasis.

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