Volksbanken und Raiffeisenbanken - Virale Kampagne in Virus-Zeiten

Auch in der Coronavirus-Krise müssen Unternehmen Geld verdienen. Aber müssen die Volksbanken und Raiffeisenbanken ausgerechnet jetzt eine neue Kampagne mit dem Titel „Morgen kann kommen“ starten? Interne Schreiben zeigen, wie nervös man deshalb selbst hinter den Kulissen ist.

Gute Zeiten für die Gastronomie. Wohl kaum. / Screenshot
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Autoreninfo

Bastian Brauns leitete das Wirtschaftsressort „Kapital“ bei Cicero von 2017 bis 2021. Zuvor war er Wirtschaftsredakteur bei Zeit Online und bei der Stiftung Warentest. Seine journalistische Ausbildung absolvierte er an der Henri-Nannen-Schule.

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Ausgerechnet in Zeiten von Corona wollen die Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) eine neue Werbe-Kampagne „Morgen kann kommen. Wir machen den Weg frei“ starten. Was heute schon im Privatfernsehen und schon am 12. März auf Youtube begonnen hat, soll morgen nach Cicero-Informationen auch zur „besten Sendezeit“ wenige Sekunden vor der ARD-Tagesschau und auch im ZDF weitergehen.

Gezeigt werden verschiedene Spots, zugeschnitten für alle möglichen Zielgruppen (Mittelstand, Gründer, Familien, Landwirte). Es sind Szenen einer heilen Welt ohne Kurzarbeit, Schul- und Kita-Schließungen, ohne geschlossene Restaurants und Kneipen. In dieser Welt braucht es laut Kampagnen-Aussage eigentlich nichts als: weniger Ich und mehr Wir – und natürlich die Bank an unserer Seite vor Ort. „Morgen kann kommen“ also – ausgerechnet zu einer Zeit, in der „Morgen“ vor allem inzwischen sprunghaft ansteigende Fall- und Todeszahlen bedeutet. Und zum Schluss dann noch der typische Werbespruch der Volksbanken und Raiffeisenbanken: „Wir machen den Weg frei“ – ausgerechnet an Tagen, an denen die europäischen Staaten ihre Grenzen dicht machen und Horst Seehofer die Regeln des Schengen-Abkommens zumindest auf unbestimmte Zeit an bislang fünf Grenzen außer Kraft setzt.

Strafzinsen und Filialschließungen

Ausgerechnet Gastronomen müssen in diesen Tagen ihre Lokalitäten auch in Deutschland schließen. Zwar soll es unbegrenzte Kredite geben, auch von Volksbanken und Raiffeisenbanken. Aber die müssen natürlich zurückgezahlt werden. Nur wie, wenn der Umsatz wegbricht? Dafür gibt es bislang keinen Plan der Bundesregierung und wohl auch keine Hilfen der Banken.

Den Weg frei machen, das vollbringen auch die Volksbanken und Raiffeisenbanken immer weniger. Insbesondere ihre Geldinstitute gehörten zu den ersten, die 2019 immer häufiger sogenannte Strafzinsen für ihre Kunden einführten. Ausgerechnet die Volksbanken und Raiffeisenbanken werben mit Beratung vor Ort. Dabei schließen sie seit Jahren viele hundert Zweigstellen. Das hält die Banken aber nicht davon ab, für Solidarität und Partnerschaft zu werben. In Zeiten von Corona wird das ja immerhin auch zum geflügelten Wort. „Da sind unsere Solidarität, unsere Vernunft, unser Herz füreinander schon auf eine Probe gestellt, von der ich mir wünsche, dass wir diese Probe auch bestehen", sagte die Bundeskanzlerin auf ihrer ersten Corona-Pressekonferenz.

Interne Bedenken wurden zerstreut

Auch intern soll nach Cicero-Informationen zuletzt Kritik an dieser Kampagne gewachsen sein. Mehrere Volksbanken sollen demnach Zweifel geäußert haben, ob jetzt der richtige Zeitpunkt für so eine Erzählung sei, um Werbung für sich selbst zu machen. Der Bundesverband aber blieb demnach dann bei seinem Plan, die Kampagne zu starten. In einem internen Schreiben, das Cicero vorliegt, begründet die Präsidentin des BVR, Marija Kolak, des Festhalten:

„Die Zuversicht, dass unser Land und mit ihm unsere Genossenschaftliche FinanzGruppe Volksbanken Raiffeisenbanken auch diese Krise in den Griff bekommen, sollten wir nicht aufgeben. Wir werden daher wie geplant unsere neue Dachmarkenkampgne 'Morgen kann kommen. Wir machen den Weg frei.' am kommenden Sonntagabend bundesweit starten. Denn Zuversicht ist wichtiger denn je in Zeiten wie diesen. Und wer wäre besser in der Lage, sich unsicheren Zeiten und neuen Herausforderungen zu stellen als unsere genossenschaftliche FinanzGruppe?“

Ein abgeschwächter „BigBang“

Die Image-Kampagne der Volksbanken und Raiffeisenbanken ist groß angelegt: Auf Youtube sind die verschiedenen Filme bereits veröffentlicht worden. Nach dem heutigen Start der TV-Kampagne, sollen zum Montag, pünktlich zur deutschen Grenzschließung, auch in Printmedien die Anzeigen erscheinen. Paradoxerweise hat der Verband dann aber doch einige Schaltungen umgeplant aus Sorge vor überbordender Kritik. Das geht aus einem weiteren internen Schreiben hervor, das Cicero vorliegt:

„Unsere geplanten Werbeschaltungen in den Nachrichtenumfeldern haben wir auf Mitte April umgebucht, damit unsere Kampagnenbotschaft nicht den ganzen Tag direkt neben den Schlagzeilen zum Corona-Virus platziert wird.“

Geplant waren die Schaltungen unter anderem bei Spiegel Online, Bild, kicker und Handelsblatt. Dass die Kampagne dadurch geschwächt werden könnte, glaubt man offenbar aber nicht:

„Diese Verschiebung führt dazu, dass der geplante 'BigBang' nicht wie geplant auf den Onlinekanälen stattfindet. Zuversichtlich in Bezug auf unsere Mediaaktivitäten stimmt uns die erhöhte TV-Nutzung in den letzten Wochen.“

Die Werbewirtschaft und ihr Banken-Kunde versprechen sich also durch die vermehrte Haus-Quarantäne und das erhöhte Informationsbefürfnis der Bevölkerung einen höheren „Impact“ ihrer Kampagne. Die Frage ist nun, in welcher Weise sie „viral geht“, ob als Stimmungsaufheller oder als Shitstorm.

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