Viessmann verkauft Klimasparte - Der deutsche Mittelstand wirft das Handtuch

Der Verkauf der Klimasparte inklusive Wärmepumpengeschäft von Viessmann an die Carrier Global ist gut nachvollziehbar. Denn die deutsche Heizungspolitik ist vor allem ein Segen für Amerika und Asien. Der Ampelkoalition scheint das egal zu sein.

Der hessische Heizungsbauer Viessmann verkauft seine Klimasparte einschließlich der lukrativen Wärmepumpen an den US-Konkurrenten Carrier Global / picture alliance
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Autoreninfo

Thomas Mayer ist Gründungsdirektor des Flossbach von Storch Research Institute mit Sitz in Köln. Zuvor war er Chefvolkswirt der Deutsche Bank Gruppe und Leiter von Deutsche Bank Research. Davor bekleidete er verschiedene Funktionen bei Goldman Sachs, Salomon Brothers und – bevor er in die Privatwirtschaft wechselte – beim Internationalen Währungsfonds in Washington und Institut für Weltwirtschaft in Kiel. Thomas Mayer promovierte an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und hält (seit 2003) die CFA Charter des CFA Institute. Seit 2015 ist er Honorarprofessor an der Universität Witten-Herdecke. Seine jüngsten Buchveröffentlichungen sind „Die Vermessung des Unbekannten“ (2021) und „Das Inflationsgespenst“ (2022).

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Als ich im Jahr 1986 unser erstes Eigenheim in Potomac, einem Vorort von Washington, D.C., kaufte, heizte und kühlte man elektrisch. In unserem Hinterhof stand ein Blechkasten, der Luft ansaugte, sie im Winter erwärmte und im Sommer kühlte. Ein Ventilator verteilte dann die Luft mit der gewünschten Temperatur im Haus. Jetzt, als ich vom Verkauf der Klimasparte der Firma Viessmann las, glaubte ich mich zu erinnern, dass auf dem Blechkasten der Name „Carrier“ stand.

Seit bei uns der Hype um die Wärmepumpen begann, habe ich mich oft gefragt, ob wir nicht damals der deutschen Zeit voraus waren. In den 80er-Jahren schien mir das nicht so. Denn die deutschen Öl- oder Gasheizungen machten das Haus im Winter gemütlicher, und im Sommer brauchte man keine Klimaanlage. Sie waren verlässlicher als unsere Elektroheizung, und dass sie Kohlendioxid in die Luft pusteten, war kein Thema. 

Das hat sich inzwischen jedoch so radikal geändert, dass unsere Regierung diese Heizungen verbieten will. Man muss kein Hellseher sein, um zu erkennen, dass die deutsche Heizungspolitik ein Segen für die ist, die sich schon lange mit Wärme- und Kältepumpen auskennen, und ein Fluch für die anderen, die bisher Öl- und Gasheizungen gebaut haben. 

Die zeitliche Taktung ist zu eng

So gesehen erscheint mir der Verkauf der Klimasparte inklusive Wärmepumpengeschäft von Viessmann an die Carrier Global gut nachvollziehbar. Denn deutsche Heizungsbauer hätten nur eine realistische Chance gehabt, im Trend zur Elektroheizung mitzuhalten, wenn die Politik ihnen mehr Zeit gegeben hätte, den Technologiewechsel zu vollziehen. Sie hätten enorm viel investieren und dafür Kapital aufnehmen müssen. Aber um das zu stemmen, ist die zeitliche Taktung der neuen deutschen Heizungspolitik zu eng.
 

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Nun werden wohl hauptsächlich Carrier und andere Anbieter aus Amerika und Asien das Geschäft mit den Wärmepumpen machen. Der Politik ist das wohl egal, und ich stelle mich darauf ein, dass ich über kurz oder lang wieder einen Blechkasten mit dem Carrier-Logo im Hinterhof haben werde. Der wird dann wohl mit französischem Atomstrom und polnischem Kohlestrom betrieben werden, weil wir die AKWs abgeschaltet haben und mit dem Bau von Windrädern dem Elektrizitätsbedarf nicht hinterherkommen.

Work-Life-Balance statt Fleiß

Vermutlich wäre dieser Verkauf nur eine Randnotiz, wenn er nicht beispielhaft für ein weiter verbreitetes Phänomen stehen würde. Viele Unternehmer, vor allem aus dem Mittelstand, sehen ihre Zukunftsaussichten in Deutschland düster. Denn die von Olaf Scholz ausgerufene „Zeitenwende“ betrifft nicht nur die Außenpolitik, sondern sie stellt auch das bestehende Geschäftsmodell der deutschen Wirtschaft in Frage. Wollte man dieses Modell auf den Punkt bringen, könnte man sagen, es bestand daraus, Können mit Fleiß und kostengünstiger Energieversorgung so zu verbinden, dass daraus Weltmarktführer wurden. Seit einiger Zeit werden jedoch die Träger dieses Modells schwächer.

Die Kenntnisse der Schüler in den Grundfertigkeiten Lesen, Rechnen und Schreiben lassen nach. Ein Grund dafür ist, dass unser Schulsystem viele Kinder aus bildungsfernen Migrantenfamilien nur schwer auf die in der Wirtschaft nötigen Bildungsstandards bringen kann. Mit der steigenden Zahl dieser Kinder sinkt folglich die durchschnittliche Leistungsfähigkeit der Schüler. Das „Können“ lässt auch nach, weil wir weniger für Forschung und Entwicklung im Verhältnis zur Wirtschaftskraft ausgeben als die USA – und inzwischen bei uns weniger Patente im Jahr vergeben werden als in China.

Zudem gilt Fleiß in einer Gesellschaft, die mehr an der „Work-Life-Balance“ als an Arbeit interessiert ist, nicht mehr als Tugend. Dies ist zwar kein allein deutsches Phänomen. Aber in Deutschland wird es in eine durchschnittliche jährliche Arbeitszeit übersetzt, die 30 Prozent unter der amerikanischen und 70 Prozent unter der chinesischen liegt. Am heftigsten jedoch wiegt unser Nachteil bei den Energiekosten. Für elektrischen Strom müssen deutsche Unternehmen den fünffachen Preis amerikanischer und den achtfachen Preis chinesischer Unternehmen bezahlen. 

Rigide wie das Zentralkomitee der Sowjetunion

Um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, zwingt die Politik der Industrie Technologien auf, in denen andere Länder Vorteile haben. Dazu gehören eben Elektroheizungen und Autos mit Elektroantrieb. Kein Wunder also, dass in den letzten Jahren die Direktinvestitionen deutscher Unternehmen im Ausland die Investitionen ausländischer Unternehmen in Deutschland übersteigen. 

Mancher mittelständische Unternehmer denkt sogar über die Verlagerung des gesamten Unternehmens ins Ausland nach. Ein Hindernis dabei ist jedoch, dass ein Wegzug aus Deutschland wie ein Verkauf des Unternehmens gewertet wird und die Inhaber darauf Kapitalertragssteuer bezahlen müssen. Man tröstet sich dann mit dem Gedanken, dass die Klimapolitik der Ampelregierung undurchführbar ist. Bevor das ganze Land gegen die Wand fährt, so die Überlegung, wird die Wende kommen.

Doch die grüne Berliner Politikblase scheint manchmal so rigide wie das Zentralkomitee der Sowjetunion. Bekanntlich dauerte es mehr als 70 Jahre, bis diese zerfiel. So gesehen könnte manch anderer Mittelständler die Wegzugsteuer als das geringere Übel sehen und in die Fußstapfen der Familie Viessmann treten.
 

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