„Klassismus“ - Tiefe Verachtung für die da unten

In Rassismus- und Sexismusdebatten geht unter, dass es auch „Klassismus“ gibt. Dabei wird nicht nur mit offenem Hass diskriminiert, sondern auch, indem man Leute vergisst. Das passiert, wenn es um teureres Fleisch, Benzin, Strom, Plastik oder Zucker geht

Bio, um sich besser zu fühlen – auch gegenüber anderen / picture alliance
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Bastian Brauns leitete das Wirtschaftsressort „Kapital“ bei Cicero von 2017 bis 2021. Zuvor war er Wirtschaftsredakteur bei Zeit Online und bei der Stiftung Warentest. Seine journalistische Ausbildung absolvierte er an der Henri-Nannen-Schule.

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Es fange eigentlich schon damit an, schreibt die Spiegel-Kolumnistin Margarete Stokowski, dass ihr beim Schreiben ihres Textes das Wort „Klassismus“ rot unterstrichen werde. Das Rechtschreibprogramm, markiert es als falsch, weil unbekannt. Dabei beschreibt der Begriff ein wichtiges Problem. Nicht nur Rassismus und Sexismus und die damit verbundenen Diskriminierungen existieren, sondern auch Klassenhass: „Klassismus bedeutet Diskriminierung nach sozialer Herkunft oder sozialem Status, und diese Diskriminierung kann sich in unbewussten Vorurteilen finden oder in ganz bewusster Ablehnung“. Das geschehe etwa, wenn Menschen davon ausgingen, arme Menschen seien eher faul und dumm, oder dass sich ungebildete Leute eher asozial verhalten würden.

Besonders gut ablesen lässt sich das an den vielen Verbotsdebatten der vergangenen Wochen und Monate. Denn wie Verbote wirkt es, für ärmere Menschen oder Leute, die schlicht mit ihrem Geld ordentlich haushalten müssen, wenn jeden Tag etwas anderes angeblich teurer werden „muss“, damit insbesondere das Klima gerettet werden kann. Heizen, Tanken, Autofahren, Pendeln, Fernstraßen, Plastik, Reisen, Fleisch,...„Das kann für manches eine Lösung sein – aber keine gerechte. Weil Preiserhöhungen verschiedene Menschen sehr unterschiedlich hart treffen“, schreibt Stokowski.

Bei diesen Debatten würden sehr viele Leute vergessen oder, sie geht noch weiter, die Diskriminierung kann darin bestehen, „dass man findet, es sollten sich eben nicht alle Leute die gleichen Dinge leisten können“. Dies ist ein Phänomen, dass die Soziologie übrigens mit dem Begriff Distinktion beschreibt. Es ist das mehr oder weniger bewusste Abgrenzen von Angehörigen bestimmter sozialer Gruppierungen.

Fleisch ist vielleicht zu billig, aber die Antwort darauf könne nicht sein, schreibt Stokowski, dass nur noch Leute aus der Mittel- oder Oberschicht Fleisch essen dürften. Das Gleiche gelte fürs Fliegen. Es sei ein Vorurteil gegen arme Menschen, diese würden sich nicht genug anstrengen. Dabei müssten sich jene jetzt endlich mal anstrengen, sozial verträgliche Maßnahmen zu finden. Man dürfe armen Leuten nicht einfach noch mehr Freiheit wegnehmen, denn das bedeutet es. Während reiche Leute einfach nur mehr bezahlen. „Ablasshandel findet selbst die katholische Kirche vorgestrig, also bitte.“

Hier geht es zur ganzen Kolumne von Margarete Stokowski

 

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