Wirtschaftspolitik von Donald Trump - Hegemon aus Washington

Donald Trump plant, die globale ökonomische Vorherrschaft gegen China zu gewinnen. Dieses Ziel verfolgt er immer aggressiver und kann bereits auf einige Erfolge verweisen. Wie kann sich Deutschland zwischen den Weltmächten behaupten?

Erschienen in Ausgabe
Donald Trump will demonstrieren: „Archaische Emotionen lassen sich mit Hightech koppeln“ / Kati Szilágyi
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So sehr Politiker, Journalisten und andere „Opinion Leader“ die Manieren und chaotische Führung Donald Trumps auch kritisieren und sich bisweilen lustig machen mögen – der Stil des US-Präsidenten sollte nicht dazu verleiten, sich vom Inhalt ablenken zu lassen. Dies wäre ganz im Sinne Trumps, der gut gelernt hat, mit Häme umzugehen, und sie geradezu einkalkuliert. Nicht die Bewertung von Trumps Performance, sondern die Beantwortung drängender Fragen entscheidet über die Zukunft der EU und damit Deutschlands: Haben Trump und seine Administration einen Plan? Wenn ja, wie sieht er aus? Was brauchen wir, um souveräne Wirtschaftsmacht zu bleiben und als solche Wohlstand und Wertevorstellungen sichern zu können?

Viel spricht dafür, dass Trump sehr klare Vorstellungen davon hat, was „America first“ ökonomisch umgesetzt bedeutet. Im Stil des Chefs einer USA AG setzt er auf das klassische Prinzip „Teile und herrsche“. Multilaterale Abkommen, ob bei Handel, Klima oder dem Iran, lehnt er regelmäßig ab. Das muss noch keinem Plan gleichkommen. Aber auch die gezielten Überraschungsmomente zeigen eindeutig, Trumps Axiom in der Wirtschaftspolitik ist: Der Starke bricht bestehende Regeln und macht neue – oder lässt die anderen warten, ob sie wie Mexiko oder Nordkorea Neues bringen.

Kampf um die Weltherrschaft

Trumps Botschaften und sein Handeln machen klar: Wir sind keiner von euch. Wir sind die Nummer eins. Abstimmung und ökonomisches Appeasement sind für Schwache. Trump bricht Kommunikationsregeln. Als Vorstandssprecher der USA AG twittert er an klassischen Medien – und so an herkömmlichen Machtzentren – vorbei. Meinung macht er direkt. Seine Argumente und Sprache sind ethnonationalistisch und rassistisch aufgeladen. Nichtamerikanisches wird abgewertet. Die wirtschaftliche Dominanz von „America first“ setzt so nicht nur ein Recht des Stärkeren, sondern zugleich auch eine Werteordnung. Der deutsche Handelsbilanzüberschuss gegenüber den USA sei „unfair“ – ein ökonomisches Macht- und Wortspiel auf Grundlage eigener Moral. Hinter Trumps scheinbarem New Isolationism steckt neues Streben nach Hegemonie. Die durch die Krise 2008 geschwächten USA wollen wieder Weltmacht sein – bestenfalls alleinige.

Besonders hart tritt Trump gegenüber China auf. Unter Staatspräsident Xi Jinping baut die Volksrepublik ihre wirtschaftliche und somit machtpolitische Gegenposition rasant aus. Zuletzt ließ die Prognose von Eric Schmidt, Chef des Google-Mutterkonzerns Alphabet, aufhorchen: China sei in der Lage, das Internet zu spalten und ein eigenes Netz aufzubauen. Mit seinen Strafzöllen will Trump deshalb zwar auch die US-Wirtschaft schützen, vorrangig aber den Rivalen und dessen globale Expansion schwächen. Die macht insbesondere amerikanischen Technologiegiganten Konkurrenz. Xis erklärtes Ziel, bis 2030 führende Macht der Zukunftstechnologie Künstliche Intelligenz zu werden, ist realistisch. Trocken konnte Russlands Präsident Putin bei einem Treffen mit chinesischen Wirtschaftstreibenden nur anmerken, diese Technologie lege fest, „wer die Weltherrschaft ergreifen wird“.

„Hochdruckökonomie“ von Finanzminister Steven Mnuchin

Trumps Antwort ist die ökonomische Konfrontation. Nur wie erfolgreich kann er damit sein? Werden seine Erfolge schnell verpuffen, ähnlich wie einst die Effekte der Steuersenkung von ­George W. Bush? Sein Hauptanliegen, Arbeitsplätze zu schaffen, scheint bislang zu funktionieren. Der momentane Wirtschaftszyklus wird „lange, vielleicht sogar unbegrenzt anhalten“, so Notenbankchef Jerome Powell. Aber trotz sinkender Arbeitslosigkeit liegt die Erwerbsquote in den USA bei nur mehr 62 Prozent (in der EU sind es 71 Prozent). Das heißt, fast 40 Prozent der arbeitsfähigen Bevölkerung sind aus dem Arbeitsprozess ausgeschieden und werden nicht mehr in der Arbeitslosenstatistik geführt. Doch Trump kalkuliert, dass die Schutzzölle mehr Menschen in Arbeit bringen und sie deshalb eher verteuerte Konsumgüter und Nahrungsmittel akzeptieren. Chinesische Importe zu behindern und auch die Mauer zu Mexiko haben das Ziel, einen Markt für weniger konkurrenzfähige US-Produkte zu schaffen und billige ausländische Arbeitskräfte zu verhindern.

Diese „Hochdruckökonomie“ von Finanzminister Steven Mnuchin soll US-Unternehmen zwingen, Produktionsprozesse zu modernisieren, um negative Effekte der Abschottung – das Absinken der Konkurrenzfähigkeit – zu kompensieren. Aber der Eingriff in globale Wertschöpfungsketten ist riskant. Die Verflechtungen – dies zeigte die Finanzkrise – sind heute hochkomplex, kaum zu durchschauen und schon gar nicht einfach zu steuern. Laut Internationalem Währungsfonds verlangsamt sich das Wachstum wichtiger Schwellenländer bereits, eine Gefahr auch für die USA.

Der Preis dieser Strategie ist auch im Land selbst zu beobachten. Selten wirkten die USA so gespalten. Die Frontlinien verlaufen mitten durch den amerikanischen „deep state“: Institutionen wie die NSA und Teile des FBI scheinen sich Trump angeschlossen zu haben. Das Außenministerium, weite Teile traditioneller Medien und mehrheitlich das Silicon Valley gehen in Opposition, auch wenn Plattformen wie Google, Amazon und Microsoft noch unentschlossen wirken.

Trumps Gegner sind schwach

Aber zwei Faktoren sprechen für Trumps weiteren Erfolg: Sein „Aufstand“ gegen die Konventionen favorisiert nicht nur einen America-first-Nationalismus. Er aktiviert quasiarchaische Werte, eine Art Tribalismus, also die Zugehörigkeit zu einem „Stamm“, zu dem innerhalb der Nation bestimmte Bürger gezählt werden und andere nicht. Rhetorische Hinweise auf den „richtigen Amerikaner“, auch die seiner europäischen Nachahmer auf den „echten Deutschen“ oder „christlichen Ungarn“ sind politisches Kernprogramm.

Dieser Tribalismus spricht Emotionen und Leidenschaften direkt an. Die neuen Medien transportieren ihn optimal: Statt journalistischer, ausholender Geschichten dominieren verdichtete Symbole und Internetmemes. Es funktioniert, auch weil Trumps Gegner schwach sind. Kaum können sie mit einer umfassenden Ideologie oder Idee kontern. Ihre Themen sind emotional schwerer zugänglich; Ökologie, Freihandel, Multilateralismus und Globalismus wirken abstrakt. Sie vertrauen traditionellen Medien. Der Erfolg des „Aufstands“ ist beachtlich. Es verwundert, wie schnell selbst der mächtige Davos Club innerhalb von zwei Jahren an Strahlkraft verlor.

Archaische Emotionen lassen sich mit Hightech koppeln

Auch der Konservativismus der Gegner Trumps begünstigt seinen Erfolg. Die herrschenden Babyboomer haben auf ihrer letzten Fahrt zu wenig Ideen und Mut, um die Kraft junger Progressiver und Liberaler zu nutzen. Bezeichnend ist hier die Digitalisierung: Traditionelle Institutionen und Politiker insbesondere in Deutschland wissen oft nicht, mit ihr umzugehen. Sie versteifen sich zu sehr darauf, das Neue zu regulieren, statt zum Gegenentwurf zu nutzen. So verhallt auch der zaghafte Zwischenruf der Kanzlerin, erst etwas zu schaffen, bevor man es reguliert.

Trumps Berater, auch der geschasste technikaffine Steve Bannon, zeigen hingegen, wohin die Reise im Kampf um die globale Hegemonie geht. Ihr Einsatz der britischen Berater von Cambridge Analytica und deren Microtargetingprodukts, das Politik an unterschiedliche Zielgruppen mit spezifischen Botschaften verkauft, hat bewiesen: Archaische Emotionen lassen sich mit Hightech koppeln. Bannons neueste Idee ist eine Plattform für Populisten mit Blockchain-Technologie. Ein einflussreicher Bitcoininvestor ist bereits an Bord. Entsteht hier eine Parallelwirtschaft mit der „Währung des Volkes“? Wahlkampfspenden in Trumpcoins seien möglich, die Macht der Zentralbanken geschwächt. „Was“, so Bannon, „uns wieder Macht geben wird.“

Was passiert mit Deutschland?

Hat Deutschland eine wirksame ökonomische Antwort auf die Trump AG? Kaum, wenn man von ersten Ansätzen zur stärkeren Kooperation zwischen Politik und Industrie in der Cyberpolitik – festgehalten in einem Memorandum of Understanding – einmal absieht. Dabei nimmt die Dramatik zu. Amerikanische und chinesische Unternehmen kaufen sich in deutsche Firmen ein, die so in den anschwellenden Konflikt „hochgeladen“ werden, was zuletzt das Iranabkommen zeigte. Diese Abhängigkeiten gehen mitten durch deutsche Konzerne: Audi kooperiert mit Huawei, Seat baut Amazons Alexa ein, VW paktiert mit Microsoft.

Was wird nun aber passieren, wenn sich China und die USA immer weiter „entflechten“ und „in einen 20 Jahre dauernden Handelskrieg eintreten“, wie Alibabas Noch-CEO Jack Ma prognostiziert? Deutsche Unternehmen werden sich dann sowohl am chinesischen Social Credit Scoring ausrichten müssen als auch an Vorgaben amerikanischer Konzerne inklusive Datenweitergaben. Deutschland würde zum Zulieferer globaler, konkurrierender Plattformen jenseits Europas und wäre dann kaum in der Lage, seine Werte in diesen Plattformen abzubilden. Dass diese Szenarien zumindest deutschen Unternehmenslenkern zunehmend klarer werden, zeigt die Aussage von VW-Chef Herbert Diess, der die Gewinnchancen der deutschen Autoindustrie in der Elektromobilität mit 50 Prozent bezifferte. Das schwache Presseecho zeugt davon, mit welcher Ungläubigkeit solch aufrüttelnde Worte gehört werden.

Die deutsche Wirtschaft wird geschwächt

Wie könnte sich Deutschland etwa im zentralen Autosektor positionieren? Für eine eigene oder gar europäische KI-Industrie müsste man umfassende Datenstrukturen schaffen. Daten sind wichtig, um Algorithmen zu trainieren, optimale Entscheidungen etwa bei autonomem Fahren zu treffen. Ansätze derartiger Datenpools inklusive ethischer Nutzungsbedingungen zu schaffen oder auch nur eine digitale Fahrzeugakte, die wie in Estland Daten des Fahrzeugs mittels einer verschlüsselnden Technologie speichert, sind aber bislang nicht Teil einer umfassenden KI-Strategie des Autolands Deutschland.

Das wird die deutsche Wirtschaft schwächen und Experten und Unternehmen zwingen, etwa nach China zu gehen – wie zuletzt Daimler, das mit seinem Investor Geely nun eine Mobilitätsplattform in China aufbauen wird. Zunächst muss sich Deutschland wohl auch von dem Gedanken einer Wertegemeinschaft mit den USA emanzipieren. Diese gemeinsamen Werte existieren weiterhin, treten aber hinter die Axiome der trumpschen Dominanzstrategie zurück. Wer in dieser Welt dann eine Rolle haben will, muss das Spiel und seine technologischen Trümpfe beherrschen.

Dies ist ein Text aus der November-Ausgabe des Cicero, die Sie am Kiosk oder in unserem Onlineshop erhalten.














 

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