Open Source - Offen für alle

Holger Dyroff verdient mit Owncloud Geld dank einer Open-Source-Software, die jeder kostenlos im Internet herunterladen kann. Wie macht er das?

Erschienen in Ausgabe
Holger Dyroff schwebt mit Owncloud auf Cloud 7 / Sonja Och
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Autoreninfo

Yves Bellinghausen ist freier Journalist, lebt und arbeitet in Berlin und schreibt für den Cicero.

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Big Data, Open Data, Open Source Code – Holger Dyroff, der Chief Operating Officer der Firma Owncloud, redet viel in englischen Silicon-Valley-Schlagwörtern und kann dabei seine fränkische Herkunft doch nicht ganz verstecken: „Ich bin a Mensch, der will Choices – verstehen Se?“ Er sitzt auf einem fragilen Bürostuhl in der Nürnberger Zentrale von Owncloud. Ähnlich wie iCloud oder Dropbox bietet das Unternehmen eine Software an, mit der Nutzer ihre Dateien außerhalb ihres Rechners speichern können. Kahle Wände, in der Ecke der offenbar für digitale Start-ups obligatorische Tischkicker. Nürnberg, von der Lokalzeitung gerne Linux-Valley genannt, gilt als Zentrum der deutschen Open-Source-Wirtschaft.

Open Source, zu Deutsch „quelloffen“, bedeutet in der Informatik, dass der Quellcode eines Programms von jedem gelesen werden kann, der sich dafür interessiert. Für die meisten großen Technikkonzerne sind ihre Quellcodes ihr heiliges Firmengeheimnis, ähnlich wie das Cola-Rezept für Coca-Cola. In ihm steht, wie Microsoft sein Windows im Innersten zusammenhält und wie Apple sein iOS geschrieben hat. Ist der Quellcode frei zugänglich, wie bei Owncloud, kann jeder das Programm gratis und ohne Auflagen herunterladen. Auch verbreiten, benutzen, ja sogar verändern können Nutzer die Software. Wie aber soll ein Unternehmen mit einer solchen Einladung zum Kopieren der eigenen Ideen Geld verdienen?

Der Werbeeffekt war riesig

Holger Dyroff und mit ihm 55 Mitarbeiter setzen mit der Gratissoftware etwa fünf Millionen Euro im Jahr um, Tendenz stark steigend. „Geld verdienen wir damit, dass manche Kunden mehr brauchen als einfach nur die Software“, sagt er. Sie bieten ihnen dann Support an, warten ihre Systeme, schulen ihre Mitarbeiter, schreiben ihnen auf Wunsch individuelle Erweiterungen und geben ihnen das Recht, diese Features exklusiv zu nutzen. Wer das nicht will, kann auch selbst am Quellcode herumspielen oder einen anderen IT-Dienstleister beauftragen, um die Software Owncloud bei sich einzusetzen. „Der Quellcode ist ja offen“, sagt Dyroff, „Choices – verstehen Se?“

Das prominenteste Projekt hat Owncloud mit der indischen Regierung verwirklicht. Diese hat auf Grundlage des Owncloud-Quellcodes eine eigene Software programmieren lassen. Jeder indische Bürger kann somit offizielle Dokumente bis zu einem Gigabyte in der Cloud abspeichern. Verdient hat Owncloud daran keinen Cent. Aber der Werbeeffekt war riesig, sagt Dyroff. „Die haben unser Programm bekannter gemacht.“

Systeme mit geheimen Quellcodes sind nie sicher

Zahlende Kunden sind unter anderem Airbus, die Deutsche Bahn und der Automobilzulieferer ZF. Auch die Hochschulen Niedersachsens und Nordrhein-Westfalens und die Max-Planck-Gesellschaft setzen Owncloud ein. Der offene Quellcode sei bei Kunden der Major Selling Point, sagt Dyroff – das stärkste Verkaufsargument. Wesentlicher Vorteil quelloffener Software gegenüber Herstellern, die ihr Rezept geheim halten, sei Transparenz. „Jeder Anwender kann die Software bis ins kleinste Detail studieren und überprüfen, wie es um die Sicherheit bestellt ist. Wie sicher Windows zum Beispiel ist, weiß nur Microsoft selbst.“ Wenn ein Anwender eine Sicherheitslücke schließt, komme das allen anderen zugute. Die Nutzer könnten die Software kontrollieren, ohne ihre Daten in eine Blackbox einzuspeisen, von der sie nicht wissen, wie sie funktioniere.

„Langfristig kann kein System sicher sein, das seinen Quellcode geheim hält“, sagt Dyroff. Nicht erst seit dem Angriff auf das Regierungsnetzwerk Anfang 2018 fordern Sicherheitsexperten, die öffentliche Verwaltung müsse mehr quelloffene Software verwenden. Das zu ändern, dafür seien nun mal Juristen zuständig, sagt Dyroff. Erst langsam finde dort ein Umdenken statt. „Für die hört sich das intuitiv einfach falsch an, auf eine unbekannte Open-Source-Software zu setzen, anstatt einfach das Microsoft-Produkt zu verwenden.“

Dyroff ist selbst studierter Jurist. Schon während des Studiums begann er als Aushilfskraft beim Nürnberger Open-Source-Unternehmen Suse zu arbeiten, blieb dort 19 Jahre, bevor er 2010 zusammen mit zwei Kollegen das Unternehmen Owncloud gründete. Heute ist er 45, seit einem Vierteljahrhundert arbeitet er in der Open-Source-Wirtschaft. „Wenn mich bei herkömmlicher Software etwas stört, ärgere ich mich immer zu Tode“, sagt er, „aber bei Open Source, da ändere ich einfach das, was mich stört. Choices – verstehen Se?“

Dieser Text stammt aus der Juni-Ausgabe des Cicero, die Sie am Kiosk oder in unserem Onlineshop erhalten.








 

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