Microsoft-Gründer im Kampf gegen Corona - Bill Gates, das Virus und der Profit

Bill Gates ist eine umstrittene Persönlichkeit – auch im Kampf gegen das Coronavirus. Er will es nicht nur früher gewusst haben, sondern auch besser. Scheinbar selbstlos investiert Gates Millionen in die Forschung. Dabei ist und bleibt er Unternehmer.

Mit viel Geld gegen das Virus: Bill Gates / dpa
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Rixa Rieß hat Germanistik und VWL an der Universität Mannheim studiert und hospitiert derzeit in der Redaktion von CICERO.

 

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Corona bestimmt das Weltgeschehen. Seit den ersten Fällen, die Ende Dezember in der chinesischen Provinz Wuhan auftraten, hat sich das Virus weltweit ausgebreitet. Hätte sich die Welt nicht besser auf eine solche Pandemie vorbereiten können?

Wenn es nach William „Bill“ Gates geht: ja. In Rahmen der Vortragsreihe TED-Talk verwies er 2015 vor dem Hintergrund der Ebola-Pandemie auf das „größte Risiko einer globalen Katastrophe“: Ein hochinfektiöses Virus statt eines Krieges; Mikroorganismen statt Raketen. Die Ebola-Epidemie in Westafrika hätte laut Gates ein Weckruf, eine Warnung für die Zukunft sein müssen.

„Wir sind nicht bereit für eine Epidemie“

„Wir sind nicht bereit für eine Epidemie“ – diese auf die USA bezogene Aussage, die sich angesichts überlasteter Krankenhäusern und Massengräbern wie in New York nun tragisch bewahrheitet, traf damals auf taube Ohren. Dabei stellte der Multi-Milliardär einen Plan vor, wie sich die Welt auf eine Pandemie vorbereiten könnte. Es sei wichtig, die Gesundheitssysteme in Entwicklungsländern zu stärken und neben der Förderung der Forschung und Nutzung modernster Technologien, medizinische Hilfstruppen für den Fall der Fälle auszubilden, so der 64-Jährige.

Man müsse das Land und sein Gesundheitssystem wappnen wie das Militär für einen Krieg. Auch auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2017 sprach der Unternehmer vor den Geostrategen von den wirtschaftlichen und sozialen Konsequenzen einer unkontrollierten Influenza-Ausbreitung. Die nötigen Vorbereitungen, um schnell auf sie reagieren zu können, trafen die Verantwortlichen daraufhin nicht.

Ein Unternehmer für die Medizin?

Damals verhallten also Gates' Warnungen, jetzt in der Corona-Krise ist der Microsoft-Gründer aber präsent wie nie. Mediziner ist er zwar nicht, dafür aber finanziell unabhängig. Das Gesamtvermögen des Amerikaners beläuft sich auf rund 96 Milliarden US-Dollar – wohlhabender ist nur Amazon-Gründer Jeff Bezos. Reichtum, den Gates 1999 in einer Stiftung anlegte. Die Bill and Melinda Gates Foundation hat ein Kapital von mehr als 40 Milliarden US-Dollar.

Sie gilt als die größte Privat-Stiftung der Welt und setzt sich weltweit für eine Verbesserung der Gesundheitsversorgung ein. Darunter fällt auch die finanzielle Förderung von Impfprogrammen. Von den finanziellen Möglichkeiten der Stiftung profitiert zudem die Weltgesundheitsorganisation. 2018 erhielt sie mehr als zehn Prozent ihrer Gelder von der Gates Foundation, die nach den USA ihr zweitgrößter Geldgeber ist.

Die WHO unter Gates wachsamem Blick

Als Präsident Trump Mitte April ankündigte, die Zahlungen der USA an die WHO einzustellen, investierte die Stiftung zusätzliche 150 Millionen Dollar in die WHO für die globale Bekämpfung des Coronavirus. Jörg Schaaber von der BUKO-Pharma-Kampagne, die der Pharmaindustrie kritisch gegenübersteht, sieht das problematisch: „Der Prozess, wie die Stiftungsgelder eingesetzt werden, ist nicht durchlässig und erst recht nicht demokratisch."

Es sei ein grundsätzliches Problem, dass sich eine UN-Organisation in eine so starke Abhängigkeit von einem einzelnen Geldgeber begebe, so Schaaber. Eine private Stiftung kann selbst entscheiden, wofür sie ihr Geld einsetzt. Es stelle sich „natürlich die Frage, ob der Einfluss über die eigentlichen Mittel der Stiftung“ hinausreiche.

Unternehmer und Philanthrop?

Die Arbeit von Bill Gates an der Front im Kampf gegen Corona stößt Einigen auf. Verschwörungstheorien ranken sich um den Mann, der versucht, sein technologisches Wissen für medizinische Projekte nutzbar zu machen – sie reichen von Vergiftungsplänen, über Überwachungstheorien bis hin zu Allmachtsphantasien. Belegen lassen sie sich nicht.

Anfang April schrieb Gates in einem Artikel für The New England Medicine Journal über die Corona-Krise. Darin wies er beispielsweise auf digitale Impf-Plattformen hin, die Vorhersagen treffen und so ein schnelles Handeln garantieren könnten. Soweit so gut. Aber kann Gates zugleich erfolgreicher Unternehmer sein und Philanthrop?

Thomas Gebauer, Sprecher der Stiftung medico international, befürchtet ehr eine Vermengung der beiden Felder:„Die modernen Philanthropen wollen Gutes nicht nur ermöglichen, sondern es selbst tun. Mit der gleichen unternehmerischen Herangehensweise, wie sie ihr Vermögen zusammengetragen haben, wollen sie nun die Welt retten. Gesundheit ist aber keine Ware, die sich wie Computerprogramme vermarkten ließe. Sie lebt von der demokratischen Partizipation der Menschen.“

Raum und Zeit für Kritik

Kritik an Gates und seiner Stiftung gab es bereits vor der Corona-Krise. Immer wieder wird der Vorwurf laut, Gates wolle an den Profiten anderer Unternehmen verdienen. Die Stiftung investiert in zahlreiche Pharmafirmen. Neben der deutschen Curevec stehen auch Bayer, Merck, Pfizer und Sanofi auf der Liste der Investitionsempfänger. Gates spart zudem durch seine Stiftung einiges an Steuern.

Die Kritik geht noch weiter: In dem Portfolio der Melinda and Bill Gates Foundation befinden sich unter anderem Aktien von Caterpillar und Coca Cola – Unternehmen, die nicht durch faire Wirtschaftspraktiken aufgefallen sind und die dem Geist der Stiftung und der Gesundheit der Menschen eigentlich entgegenstehen.

Antworten auf die Corona-Pandemie

Berechtigt mag die Kritik an Gates und seiner Stiftung sein. Die Frage, ob die jetzige Situation es zulässt, die Quelle der Gelder zu verteufeln, steht auf einem anderen Blatt. Die Stiftung hat nach eigenen Angaben bereits 250 Millionen Dollar für die Erforschung des SARS-CoV-2-Virus mobilisiert.

Sie ist auch Gründermitglied der Impfstoff-Allianz CEPI (Coalition for Epidemic Preparedness Innovations), die sich international um die Entwicklung eines Impfstoffes gegen das Coronavirus bemüht. Derzeit ist man dabei, mindestens acht mögliche Impfstoffe zu entwickeln.

Der Kampf um Profit

Die Impfung müsse ein „globales öffentliches Gut“ darstellen – bezahlbar und zugänglich für jeden, betonte Gates in der Welt am Sonntag. Der Zeitplan ist eng. Die prognostizierte Dauer, bis ein sicherer Impfstoff einsatzbereit sein könnte, beträgt laut dem Unternehmer 18 Monate. Dafür benötige es „einer entsprechenden finanziellen Förderung“ und eine transnationale Lösung, appellierte er an die politischen Entscheidungsträger der G-20 Staaten.

Mit dem Ausbruch der Pandemie ist auch ein globaler Wettstreit zwischen Forschungsinstituten und Biotech-Firmen zur Entwicklung eines neuen Impfstoffs entfacht – es lauert einen Milliarden-Geschäft. Es ist kein Geheimnis, dass Forschung Geld benötigt und in der Regel schneller zu einem Ergebnis kommt, wenn die Ressourcen vorhanden sind. Gerade jetzt, unter dem Druck der steigenden Todesraten und des wirtschaftlichen Schadens, ist Zeitgewinn das oberste Gebot.

Sieger der Wirtschaft oder der Herzen?

Ein weiteres Argument des Microsoft-Gründers: Auch wenn die Forschung jetzt Milliarden koste, wäre der finanzielle Aufwand doch kleiner als der Wiederaufbau der Wirtschaft. Da dürfte er recht haben: Die Wirtschaft leidet massiv unter der Krise. Der Druck, der auf den Regierungen lastet, ist hoch.

Gegenüber der Tagesschau betonte Gates, dass es auch deswegen wichtig sei, jetzt über die Szenarien einer langsamen Öffnung nachzudenken. Zur vollständigen Normalität vor Corona werde man erst zurückkehren können, wenn man einen Impfstoff habe – also vermutlich nicht vor 2021.

Vor der Krise ist nach der Krise

Gates hat die Krise zwar kommen sehen, aber abwenden konnte er sie nicht. Katastrophen-Szenario, Bekanntheit und wirtschaftlicher Erfolg klingen nach einer erfolgsversprechenden Kombination, um Aufmerksamkeit für das eigene Anliegen zu bekommen. Dass trotzdem niemand – auch die Politik nicht – auf Gates gehört hat, zeigt, dass auch seine Macht begrenzt ist. Mit dem wichtigen Unterschied, dass er unabhängig von der Politik helfen kann und als einer der wenigen Gewinner – Hand in Hand mit den Konzernen – aus dieser Krise gehen dürfte.

Die Frage bleibe bestehen, ob die Gesellschaft aus der Krise die richtigen Schlüsse ziehe, so der Psychologe Gebauer: „Wir sehen jetzt, wie irreführend die Privatisierung von Gesundheit gewesen ist: Gesundheit ist ein Gemeingut in öffentlicher Verantwortung".

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