Klimaschutz - Fortschritt beginnt im Heizungskeller

Die Klimaziele der Ampel-Regierung sind ambitioniert. Techem-Chef Matthias Hartmann fordert daher in seinem Gastbeitrag mehr Investitionen in energiesparende Heizungen.

Mehr Fortschritt wagen, auch beim Heizen / dpa
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Matthias Hartmann ist Vorsitzender der Geschäftsführung der Techem GmbH. Das Unternehmen ist ein weltweit tätiger Anbieter für Energieabrechnungen und Energiemanagement in Immobilien.

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Klimaschutz steht auch bei der neuen Regierung ganz oben auf der Agenda. Knapp 200 Mal kommt das Wort Klima in irgendeiner Art und Weise in dem rund 180 Seiten langen Koalitionsvertrag vor. Druck kommt aber nicht nur aus der Politik, sondern auch vom Bundesverfassungsgericht. Bereits 2045 soll der CO2-Ausstoß auf null sinken. Damit ist das Ziel gesetzt. Auch mit Auswirkungen auf das Wohnen. Denn nicht nur der Verkehr und die Industrie, auch Wohnen spielt eine wichtige Rolle für das Erreichen der Klimaziele. Schließlich beträgt der Anteil des Gebäudesektors am Energieverbrauch in Deutschland circa 35 Prozent. Dabei ist Wohnen ist heute schon teuer und mit steigenden Energiepreisen werden die Nebenkosten noch weiter steigen. 

Die Ampel will das vermeintliche Mieter-Vermieter-Dilemma überwinden, indem sie den schnellen Umstieg auf die Teilwarmmiete prüfen möchte. SPD, Grüne und FDP wollen „eine faire Teilung des zusätzlich zu den Heizkosten zu zahlenden CO2-Preises zwischen den Vermietern und Mieterinnen/Mietern erreichen“. Das Mieter-Vermieter-Dilemma, auch Nutzer-Investor-Dilemma genannt, beschreibt in Mietshäusern den Umstand, dass energetisch sinnvolle Investitionen unterbleiben, weil der Vermieter langfristig keinen Ertrag aus seiner Investition erzielen kann, während der Mieter von der, durch die Sanierung erzielten Energieeinsparung profitieren würde.

Investitionen unterstützen

Dabei wissen Vermieter im Zweifel aber auch, dass jeder Euro ihrer Mieter nur einmal ausgegeben werden kann. Schließlich setzt sich die Belastung für das Wohnen aus Miete und den Betriebskosten zusammen. Steigen die Betriebskosten, wird das Budget für die Kaltmiete eingeschränkt und vice versa. Mieter und Vermieter müssen das gleiche Interesse an möglichst niedrigen Betriebskosten haben. Vor allem in den Großstädten, wenn man den Statistiken glaubt, wonach bei rund 40 Prozent der Mieter die Gesamtkosten schon mehr als 30 Prozent des Haushaltsnettoeinkommens ausmachen. Anstatt Kosten von A nach B zu schieben, sollte der Gesetzgeber Investitionen in neue, moderne, digital gesteuerte, effiziente Systeme unterstützen, damit wirklich gespart wird: Kosten und CO2.

Wir müssen die Voraussetzungen dafür schaffen, dass veraltete Heizungen zügig durch den neuesten Stand der Technik ausgetauscht werden. Fakt ist, dass rund ein Drittel der Heizungen, die heute in Mietshäusern in Betrieb sind, älter als 25 Jahre ist. Dabei wissen wir aus dem täglichen Leben: Neue Technologien helfen in hohem Maße, Ressourcen und damit auch den eigenen Geldbeutel zu schonen. Nicht nur Automotoren konnten dank des technologischen Fortschritts den Verbrauch auf einen Bruchteil dessen reduzieren, was sie noch vor 20 Jahren benötigten.

 

 

Eine Fokussierung auf die zügige Erneuerung der alten „Flottenbestände“ wird sich auch im Heizungskeller im Zweifel stärker positiv auf die Erreichung der Klimaziele auswirken, als das Verbot einer Technologie. Die Sanierungsquote von Heizanlagen sollte zur „Flottenerneuerung“ daher auf jährlich mindestens 2 Prozent angehoben werden. Gleichzeitig sollten wir steuerlich entsprechende Anreize schaffen, beispielsweise durch besonders kurzfristige Abschreibungsfristen. 

Technologieoffene Lösungen

Im Vordergrund muss immer das Ziel, der Schutz des Klimas, stehen und nicht der Weg. Auch alternative Energien verbrauchen Ressourcen. Ausschlaggebend muss sein, was die größte Einsparwirkung hat. Technologieoffene Lösungen sollten den Vorrang erhalten. Hier können wir aus der Pandemie lernen. Letztlich hat es sich ausgezahlt, dass wir nicht nur auf ein Pferd gesetzt haben, sondern die Erforschung verschiedener Impfstoffe unterstützt wurde. Eine Strategie, die auch im Kampf gegen die Klimaerwärmung zum Erfolg führen könnte. 

Wir brauchen aber auch vor allem smarte Lösungen für die Heizungen von heute, die uns noch einige Jahre mit Wärme versorgen werden. Tatsache ist: In unseren Wohnungen gehören vernetzte, interagierende Geräte oft schon zum Standard, doch in den Heizungskellern herrscht viel zu oft technologisch das vergangene Jahrhundert. Unsere Heizungsanlagen sind in der Regel dumm, dabei steht die künstliche Intelligenz zur Verfügung.

Wärme und Warmwasser tragen zu rund 85 Prozent des Energieverbrauchs in Wohnungen bei. Die Heizungsanlagen laufen und laufen, aber nur bedingt effizient. Betriebsfehler, die aufgrund großer Wartungsintervalle erst spät erkannt werden, führen darüber hinaus zu höheren Verbräuchen. Und selbst neue Heizungsanlagen arbeiten häufig nicht optimal. Weniger als 20 Prozent der Anlagen sind richtig dimensioniert und richtig eingestellt.

Digitales Monitoring

Dabei kann modernes digitales Monitoring der Anlagentechnik dazu beitragen, Ineffizienzen zu beheben. Solche Ineffizienzen können durch Online-Monitoring der Systeme schneller erkannt werden. Schon der dauerhaft optimale, KI-unterstützte Betrieb eines Heizungssystems spart bis zu 20 Prozent an Brennstoffen ein. Das verbessert den CO2-Fussabdruck einer Immobilie schnell und nachhaltig - und entlastet auch das Portemonnaie der Mieter. Eine Ausstattung mit elektronischen Überwachungs- und Steuerungsfunktionen, wie es auch die aktuelle EU-Gebäudeeffizienzrichtlinie den Mitgliedstaaten ermöglicht, sollte darum für Anlagen ab 70 KW verbindlich eingeführt werden.

So wie wir beim Autofahren sehen, wie viel wir gerade verbrauchen, sollten wir auch als Mieter unsere Energieverbräuche und damit unseren CO2-Fussabdruck ständig im Blick haben können. Die jährliche oder nun halbjährliche Abrechnung hilft nur bedingt weiter. Technisch ist ein regelmäßiges Verbrauchsmonitoring schon heute machbar. Spielerisch könnte Bewusstsein geschaffen und effizientes Handeln angeregt werden. Der Bundestag müsste allerdings die datenschutzrechtlichen Voraussetzungen schaffen, damit solche Daten datenschutzkonform anonymisiert erhoben und so für die Optimierung der Energieeffizienz und damit auch zur Reduzierung der Energiekosten genutzt werden dürfen. Algorithmen können nur wirken, wenn wir Daten nutzbar machen.

„Mehr Fortschritt wagen“ lautet die Überschrift über den Koalitionsvertrag und damit über der Politik, welche die Ampel in den kommenden vier Jahren umsetzen möchte. Mehr Fortschritt wagen sollte auch das Motto sein für bezahlbares und klimaschonendes Wohnen. Moderne Technologie bietet die Möglichkeit und die richtigen Anreize damit alle gewinnen: Mieter, Vermieter und unser Klima. 

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