Klimaschutz - CO2-Entnahme: Innovation statt Verbote

Ein strittiger Punkt auf der Klimakonferenz in Glasgow war die Frage nach dem internationalen Handel mit Emissionsrechten, also Rechten oder Gutschriften, um Treibhausgase auszustoßen. Die Rechte sind kostbar, weil es in Zukunft immer teurer werden wird, CO2 auszustoßen. Ein neuer Absatzmarkt bietet sich an: Technologien zu entwickeln, die Emissionen senken, vermeiden oder sie sogar zurückholen.

Was der Wald durch Photosynthese schafft, lässt sich auch mit Technologie erreichen: der Luft CO2 entnehmen / dpa
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Anja Paumen ist Journalistin und Biologin.

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Emissionen zu senken, geht je nach Wirtschaftssektor und Lebensbereich unterschiedlich schnell, einfach und zu unterschiedlichen Kosten. Ein Weg, der immer unverzichtbarer wird, einfach weil die Zeit für notwendige Reduktionen knapp ist, sind CO2-Entnahmetechnologien. Mit diesen wird CO2 aus der Luft wieder entnommen. Manche Verfahren sind seit Jahren erprobt, andere noch weit von einer Marktreife entfernt; manche sind naturbasiert und heißen dennoch Technologie, andere technisch oder eine Kombination aus beidem.

Aufforstung oder Wiederaufforstung ist eine ganz wesentliche CO2-Entnahmetechnologie, die naturbasiert ist. Durch die Fotosynthese entnehmen die Pflanzen der Luft mehr CO2, als sie selbst wieder ausstoßen. Diese Technologie ist erprobt, so gut wie ohne Risiken, aber sie ist schlecht langfristig zu steuern. Denn Wald kann abbrennen, absichtlich oder unabsichtlich. Dann ist der schöne CO2-Entnahmeeffekt mit einem Schlag wieder weg. Deswegen muss sichergestellt werden, dass auf der Ebene von Regierungen und Verwaltungen diese Wälder dauerhaft unter Schutz stehen.

Um die eigene CO2-Bilanz zu verbessern, können sich Unternehmen an Aufforstungsprojekten in Entwicklungsländern finanziell beteiligen. Dadurch kann man sich diese Tonnen an CO2, die in den nächsten Jahren aus der Luft entzogen werden, auf die eigenen Tätigkeiten, die CO2 verursachen, gutschreiben. Solche Gutschriften sind zwischen Ländern handelbar. Aber dafür braucht es ein einheitliches internationales Regelwerk. Genau das war einer der heißesten Punkte in Glasgow: Wie gestaltet man diesen sogenannten Kohlenstoffhandel, damit er für alle Partner weltweit transparent und sicher ist?

Der Handel mit Emissionen

Zur weiteren Steigerung der Klimaanstrengungen hat man sich auf EU-Ebene früh für den Handel mit Emissionsrechten entschieden. Dazu gibt es in der EU den Emissionsrechtehandel, EU-ETS (EU Emissions Trading System). Europäische Unternehmen mit hohen CO2-Emissionen sind verpflichtet, Emissionsrechte oder -zertifikate zu kaufen. Je teurer die Zertifikate, desto eher lohnt es sich für die Unternehmen, ihre Emissionen zu reduzieren.

Es gibt also zwei Ebenen – die der Staaten und die der Unternehmen. Beide können ihre Einsparungserfolge an Ausstößen meistbietend verkaufen, einmal in Form von Gutschriften, einmal in Form von Emissionsrechten. Vorausgesetzt, es lohnt sich eher, zu reduzieren, als weiter auszustoßen. Daher müssen die CO2-Emissionen oder, genauer gesagt, die Rechte, CO2 zu emittieren, teuer sein. Wenn CO2-Rechte genug kosten, werden auch die besonders teuren oder aufwendigen Wege zum Klimaschutz rentabel: die technischen CO2-Entnahmeverfahren.

Neben der reinen naturbasierten Aufforstung, die nicht teuer, aber schwer zu steuern ist, ist die nächste Stufe in den Entnahmestrategien die sogenannte BECCS-Technologie. BECCS steht für Bioenergy with Carbon Capture and Storage und hat einen naturbasiertem und einen technischen Teil. 

BECCS ist Bekanntes neu kombiniert

Carbon Capture and Storage (CCS) ist der technische Anteil und heißt wörtlich: Kohlenstoff auffangen und lagern, fachlich als CO2-Abscheidung und -Speicherung bezeichnet. Die Technologie wurde in Deutschland in einem Pilotprojekt im brandenburgischen Ketzin erprobt. Zwischen 2004 und 2017 wurde hier unter wissenschaftlicher Leitung des Geoforschungszentrums (GFZ) in Potsdam Kohlendioxid in einen unterirdischen Speicher eingespritzt. Nach Auskunft des GFZ konnte gezeigt werden, dass das Gas in dieser Zeit auch dauerhaft im Boden geblieben ist. Kohlekraftwerksbetreiber wollten diese Technologie einsetzen, um den CO2-Ausstoß während der Kohleverstromung zu reduzieren. Der Anspruch ist aber mittlerweile ein ganz anderer. Mit Hilfe von CCS sollen Emissionen wieder zurückgeholt werden. Das würde für die Klimaziele wirklich etwas bringen.

Um Emissionen tatsächlich aus der Luft zu entnehmen, wie es die Bäume schaffen, muss CCS mit Bioenergie kombiniert werden. Denn CCS ist eine Speichertechnologie. Deswegen setzt man auf schnell wachsende Energiepflanzen, erntet sie, gewinnt durch ihre Vergärung Biogas und verbrennt das Gas schließlich zur Stromerzeugung. Das dabei entstehende CO2 wird mit CCS abgeschieden und in unterirdische Speicher transportiert und verpresst. Der Vorteil gegenüber der reinen Aufforstung ist, dass man gleichzeitig Energie gewonnen hat. 

Die Nachteile der CO2-Entnahmetechnologie BECCS liegen allerdings auf der Hand. Energiepflanzen wachsen nur auf fruchtbaren Böden. Diese sind mittlerweile eine sehr knappe Ressource, denn Menschen, Tiere, Nahrungs- und Energieproduktion konkurrieren um diese Flächen.

DACCS geht überall

Eine dritte CO2-Entnahmetechnologie ist rein technisch basiert: DACCS. DAC steht für Direkt Air Capture, das direkte Auffangen aus der Luft, fachlich Direktabscheidung von CO2 genannt. DAC muss ebenfalls mit CCS, der permanenten Speicherung, kombiniert werden. Denn wenn man Kohlendioxid aus der Luft direkt auffängt, muss man sicherstellen, dass es nicht wieder in diese entweicht. Sonst hätte man ein Nullsummenspiel, also unterm Strich keine echte Entnahme. Einer der Vorreiter dieser Anwendung ist die Firma Climeworks aus der Schweiz. Mit Hilfe von speziellen Kollektoren wird Umgebungsluft angesaugt und dann über spezielle Filter geführt, die Kohlendioxid aus dem Luftgemisch herauslösen. Das isolierte Gas kann dann weiterverwendet werden.

Der Vorteil von DACCS ist, dass es überall einsetzbar ist und keine wertvollen Flächen verbraucht wie bei der Aufforstung und dem Anbau von Energiepflanzen. Aber das Verfahren ist teuer und energieaufwendig. Die Energie muss zwingend aus erneuerbaren Quellen bereitgestellt werden. Sonst wäre nichts gewonnen und die CO2-Bilanz keine negative.

Nur wenn CO2 aus der Luft entnommen wird, entweder mit Fotosynthese (Aufforstung oder Energiepflanzen) oder DAC, und zusätzlich dauerhaft im Boden oder in Form der Wälder gelagert wird, ist die CO2-Bilanz negativ – allerdings im positiven Sinne. Dann spricht man in der Wissenschaft von „negativen“ Emissionen, die positiv sind für den Klimaschutz. Was fehlt denn jetzt noch, um die CO2-Entnahmetechnologien weltweit und in großem Maßstab anzuwenden?

Klimapolitik sendet Preissignale

Sabine Fuss, Volkswirtin am Mercator Institut, MCC in Berlin berichtet, dass die Preise für CO2-Rechte oder -Zertifikate im europäischen Handelssystem EU-ETS in der Vergangenheit immer dann in den Keller gegangen sind, wenn Klimaschutzziele in Frage gestellt wurden. Dann sank die Nachfrage und damit der Preis für die auf diesem Markt gehandelten Emissionsrechte. Deswegen sollte von Glasgow das Signal ausgehen, dass Klimaschutz nicht mehr verhandelbar ist, künftig noch ehrgeiziger wird und dass er durch klare Regeln überwacht wird. Ein glaubhaftes politisches Vorgehen sendet ein wichtiges Signal an den Markt. In Folge würden die Preise für die CO2-Emissionen weiter steigen.
Der Preis für die Emissionen beeinflusst wesentlich, wie sich die Unternehmen künftig aufstellen, wie schnell sie reduzieren und vermeiden oder sogar in CO2-Entnahmetechnologien investieren. Die BECCS- und DACCS-Technologien sind noch weit von der Marktreife entfernt. Aber sie sind notwendig, um die internationalen Reduktionsanstrengungen zu ergänzen.

Denn nur, wenn die Weltgemeinschaft es schafft, in den nächsten Jahren ausreichend negative Emissionen zu erzeugen, bleibt das 1,5-Grad-Ziel in Reichweite. Die notwendigen Investitionen in neue CO2-arme oder gar in CO2-Entnahmetechnologien zahlen sich nur aus, wenn sie sich über ausreichend hohe CO2-Preise amortisieren. Dann lohnt es sich natürlich auch, viele weitere CO2-Entnahmetechnologien und Strategien zu entwickeln und zu exportieren. 

CO2-Preise können durch eine Steuer oder einen Handel mit CO2-Rechten wie beim europäischen Emissionsrechtehandel gebildet werden. Wichtig ist, dass sie hoch genug sind, um Emissionsreduktionen auszulösen. Weitere Anreize für Reduktionen können technische Standards sein, CO2-Grenzwerte oder auch Verbote von bestimmten CO2-intensiven Prozessen, für die es Alternativen gibt.

Viele Wissenschaftler fordern hier einen Instrumentenmix. Andere sehen in einem theoretischen, weltweit einheitlichen CO2-Preis das Allheilmittel. Letzteres ist allerdings nicht schnell umsetzbar. Wir brauchen bilaterale und multilaterale Allianzen, die jetzt helfen, CO2-Emissionen einzusparen. Diese Bündnisse zwischen Regierungen und Akteuren aus der Wirtschaft gibt es schon, und es zeichnen sich immer mehr davon ab. Unternehmen profitieren schließlich, wenn Klimapolitik konsequent umgesetzt wird. Klare Ziele und konkrete Regeln lösen den Investitionsstau auf, der auch in der deutschen Industrie Innovationen lange blockiert hat.
 

Anja Paumen ist Autorin des Buches „Projekt Klimaschutz. Was jetzt geschehen muss, um noch die Kurve zu kriegen“, Oekom-Verlag, München 2021. 320 S., 25 €

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