Kauf-nix-Tag - Der Konsum des Nicht-Konsums

Heute ist Kauf-nix-Tag. Ausgerechnet einen Tag nach der Rabattschlacht am „Black Friday“ sollen die Konsumenten konsumfasten. Alexander Grau über eine vermeintlich revolutionäre Idee, die das wahre Gesicht des Kapitalismus entlarvt.

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Autoreninfo

Alexander Grau ist promovierter Philosoph und arbeitet als freier Kultur- und Wissenschaftsjournalist. Er veröffentlichte u.a. „Hypermoral. Die neue Lust an der Empörung“. Zuletzt erschien „Vom Wald. Eine Philosophie der Freiheit“ bei Claudius.

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Achtung: Heute ist Kauf-nix-Tag! Das wissen Sie nicht? Macht nichts, Sie sind vermutlich nicht allein. Schließlich ist der Kauf-nix-Tag in Deutschland noch ziemlich unbekannt.

Denn ins Leben gerufen wurde der Tag des demonstrativen Konsumverzichts in Kanada. Von dort schwappte der Trend in die USA. Und seit ein paar Jahren haben sich auch diesseits des Atlantiks Umweltschutzorganisationen der Idee angenommen. Greenpeace etwa trommelt für ihn. Verschiedene NGOs nutzen ihn zum Protest gegen die Wegwerfgesellschaft. Und sogar das Bundesumweltamt hat sich der Sache angenommen und wirbt dafür, sich an diesem Tag „gegen die sozialen und ökologischen Wirkungen unseres Konsums zu positionieren und den Verbraucherinnen und Verbrauchern die eigene Macht im Wirtschaftssystem vor Augen führen.“

Konsumverzicht nach dem Kaufrausch 

Initiiert wurde der Buy-nothing-Day 1991 von der in Vancouver ansässigen „Adbusters Media Foundation“, einem Netzwerk von kapitalismuskritischen Aktivisten, das unter anderem für die amerikanischen Grünen tätig ist. Dass der Tag gegen den Konsum ausgerechnet am Samstag nach dem berüchtigten Black Friday stattfindet, also der großen Rabattschlacht zu Beginn des Weihnachtsgeschäftes, ist natürlich kein Zufall.

Allerdings: Konsumverzicht nach dem Tag des großen Kaufrausches? Also dann, wenn viele Konsumenten sowieso kein Geld mehr im Portemonnaie haben? Wirklich revolutionär wäre es gewesen, Konsumverzicht am Black Friday selbst zu fordern. Aber das war den Initiatoren dann anscheinend doch zu gewagt.

Der Fetisch-Charakter der Ware 

Dazu passt, dass das angestrebte 24-Stunden-Konsumfasten eine Art Tag der Besinnung darstellen soll, um über Werbeversprechen, Konsumzwang und die eigene Verführbarkeit nachzudenken. Das sind ehrenwerte Anliegen. Aber am Tag nach der totalen Konsumverausgabung reichlich verlogen.

Vor allem aber arbeitet sich der Kauf-nix-Tag am falschen Objekt ab: der Ware. Damit steht er in guter alter Tradition. Schon Karl Marx hatte in dem berühmten 4. Abschnitt des 1. Kapitels von Das Kapital den Fetischcharakter der Ware herausgestellt. Sobald ein Gegenstand „als Ware auftritt, verwandelt er sich in ein sinnlich übersinnliches Ding“, schreibt Marx dort. Er bekomme einen mystischen Wert, der nicht seinem Gebrauchswert entspreche. Der Werte der Ware würde von den Menschen als eine Eigenschaft der Dinge wahrgenommen, dabei handele es sich lediglich um eine gesellschaftliche Zuschreibung.

Shoppen um des Shoppens willen

Marx analysierte den Fetischcharakter der Ware vor dem Hintergrund der Industriegesellschaft Mitte des 19. Jahrhunderts. In unseren spätmodernen Massenkonsumgesellschaften ist der eigentliche Fetisch jedoch nicht die Ware selbst, sondern die Kaufhandlung. Nicht um eine Ware zu besitzen, kauft der moderne Kunde, sondern um einen Kauf zu tätigen. Man geht shoppen nicht wegen der Produkte, sondern um des Shoppens willen, das sozialen Mehrwert und Anerkennung verspricht.

Würden die Initiatoren jedoch begreifen, dass der Fetischcharakter des modernen Kapitalismus nicht in der Ware, sondern in der Kaufhandlung selbst liegt, würde ihnen vielleicht auch klar, dass ihr Appell für ein wenig Konsumdiät genau der konsumistischen Logik entspricht, die zu kritisieren sie vorgeben.

Man zelebriert soziale Distinktion  

Denn einen Tag lang Konsumverzicht zu zelebrieren ist nichts anderes als der Konsum des Nichtkonsums. Der Akt des Nichtkonsumierens wird hier zur Konsumhandlung, also zur Aneignung eines Mehrwertes – in diesem Fall der konsumkritischen Reputation. Man zelebriert Exklusivität und soziale Distinktion, die man durch die richtige Handlung erwerben kann. Das man dabei die Logik des Konsums, den Fetischcharakter des Erwerbs und die Dynamik des kapitalistischen Systems nur bestätigt und festigt, wird dabei übersehen.

Glaubwürdiger und tatsächlich subversiv wäre es, jeden Tag des Jahres zum Kauf-nix-Tag zu erklären, all den Plunder, der sich zu Hause sammelt, nicht zu verkaufen, sondern zu verschrotten und der konsumistischen Lebensführung auch in anderen Lebensbereichen zu entsagen. Aber das wäre natürlich tatsächlich anspruchsvoll.

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