Jens Spahn und Google verlieren vor Gericht - Kooperation zum Schaden der Demokratie

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) kooperierte mit Google, damit Informationen seines Ministeriums in den Suchergebnissen bevorzugt werden. Damit hat er gegen das Gesetz verstoßen, urteilte nun ein Gericht. Über einen bemerkenswerten Vorgang und seine Gefahren für die Demokratie.

Jens Spahn (rechts) mit Philipp Justus (links), dem Vize-Präsidenten von Google Zentral-Europa im November 2020 / dpa
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Bastian Brauns leitete das Wirtschaftsressort „Kapital“ bei Cicero von 2017 bis 2021. Zuvor war er Wirtschaftsredakteur bei Zeit Online und bei der Stiftung Warentest. Seine journalistische Ausbildung absolvierte er an der Henri-Nannen-Schule.

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„Alle staatlichen Organe müssen ihren Beitrag durch umfassende Informationsarbeit leisten. Das gilt in besonderem Maße für die Bundesregierung. Dieser Informationspflicht kommt die Bundesregierung durch die Arbeit des Presse- und Informationsamtes nach. Es bietet der Bevölkerung ein breites Spektrum an Dokumentationen und Broschüren über die Politik der Bundesregierung an.“

So ist auf der Internetpräsenz der Bundesregierung zu lesen, was es mit dem Recht auf Information der Bürger gegenüber unserer Regierung auf sich hat. Jeder, der sich informieren lassen will, muss auch die Möglichkeit dazu bekommen. Das wird vor allem dann interessant, wenn die Regierung bestimmte Sachverhalte am liebsten nicht bekannt geben möchte. Wenn Behörden oder sonstige staatliche Organe ungerechtfertigterweise zu stark „mauern“, können sich nicht zuletzt Journalisten seit dem 1. Januar 2006 auch etwa auf das sogenannte Informationsfreiheitsgesetz (IFG) berufen.

Der Staat auf dem VIP-Platz der Informationen

Was aber, wenn der Staat uns Informationen nicht verheimlicht, sondern sie uns nahezu aufdrängt? So geschieht es etwa seit November 2020 hinsichtlich staatlicher Informationen zu Corona mit dem staatlichen „Gesundheitsportal“ gesund.bund.de. Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) kooperiert dabei mit der Suchmaschine Google. Das Ziel dieser Zusammenarbeit klang zunächst einmal wenig problematisch. Immerhin sollen auf dem Portal Informationen zu finden sein, die „unabhängig, wissenschaftlich belegt und leicht verständlich“ seien, so Gesundheitsminister Jens Spahn damals. Dennoch hat das Landgericht München an diesem Mittwoch die Kooperation zwischen der „Bundesrepublik“ und „Google Irland Ltd.“ untersagt.

Die Kooperation nämlich sah wie folgt aus: Das neue staatliche Gesundheitsportal sollte sich im Google-Ranking der Trefferlisten am besten nicht erst auf die vorderen Plätze hocharbeiten müssen, wenn etwa nach Corona oder anderen Krankheiten oder Symptomen gesucht wird. Dafür stellte das BMG der Suchmaschine eine eigene digitale Schnittstelle zur Verfügung. Google ließe die gewünschten Informationen dann direkt in eine eigens kreierte Info-Box einlaufen, was insbesondere auf mobilen Endgeräten zur Folge hatte, dass der Staat immer an erster Stelle auf der Trefferliste landete – beziehungsweise noch vor dem ersten Treffer, sozusagen auf einem VIP-Platz „0“.

Jens Spahn und das BMG haben vor Gericht verloren

Gegen dieses Vorgehen mit diesen sogenannten „Knowledge Panels“ hatte der Burda-Verlag Klage beim Landgericht München eingereicht. Burda selbst betreibt das private Gesundheitsportal netdoktor.de. Dort ist man der Auffassung, dass der Staat mit dem Aufbau der Gesundheitsplattform gesund.bund.de seine Kompetenzen überschritten hat und die Pressefreiheit verletze. Der Staat dürfe nicht mit vom Steuerzahler finanzierten eigenen Gesundheitsportalen in einen unlauteren Wettbewerb zu privaten Angeboten treten.

Das Landgericht München begründete sein Urteil gegen den Bund nun mit einem angenommenen Kartellrechtsverstoß. Zur Begründung führte es aus, dass die Kooperation mit Google den Wettbewerb auf dem Markt für Gesundheitsportale einschränken würde. Der Staat profitiere von einer eigens geschaffenen, bestmöglichen Position bei den Google-Ergebnissen, wobei diese Möglichkeit privaten Anbietern verschlossen bleibe. Tatsächlich soll die Reichweite von netdoktor.de seit dieser Kooperation empfindlich gelitten haben, weshalb das Gericht auch eine besondere Dringlichkeit als gegeben ansah. Unter Androhung einer Geldstrafe von 250.000 Euro und bis zu sechs Monaten Ordnungshaft wird dieses Vorgehen den Beteiligten von BMG und Google ab sofort (vorläufig) untersagt

Staatliche Informationen mit Sonderstatus

Insgesamt ist die staatliche Google-Kooperation ein durchaus bemerkenswerter Vorgang. Denn sie lehrt uns, was passieren kann, wenn sich der Staat als Akteur Sonderrechte bei digitalen Monopolisten auf Steuerzahler-Kosten einräumen lässt. Nichts ist gegen staatliche Informationen einzuwenden. Im Gegenteil, diese sind ausdrücklich erwünscht und sollten nach besten Wissen und Gewissen, unabhängig, seriös und unaufgeregt erstellt und zur Verfügung gestellt werden. Auch ist das Anliegen des Staates zu verstehen, dem grassierenden hypochondrischen Ergooglen von Krankheitssymptomen etwas Offizielles entgegenzusetzen. Unseriöse und scharlatanische Angebote sind ein Problem, insbesondere im Internet. Hier wären aber insbesondere die monopolistischen Digitalkonzerne in die Pflicht zu nehmen, für präsentierte Inhalte auch die Verantwortung zu übernehmen.

Gut gemeint ist nicht unbedingt gut in seinen Auswirkungen. Dass offizielle, staatliche Informationen aber einen ausdrücklichen Sonderstatus vor anderen (seriösen) privaten Anbietern genießen sollen, ist kaum zu rechtfertigen.

Zwar behandelte das Gericht diese grundlegende Frage nach einem Verstoß gegen die Pressefreiheit nicht, sondern nur die kartellrechtliche Frage. Dennoch bedarf das staatliche Gebaren im digitalen Raum einer grundlegenden Klärung. Nicht ohne Grund darf der Staat etwa keine eigenen Fernsehsender oder Radiostationen betreiben. Staatsfunk ist verboten, doch das steht im Internetzeitalter zunehmend im Konflikt mit der Informationspflicht der Bundesregierung. Ob auf Youtube, Twitter, Facebook oder eben in den Google-Suchergebnissen darf der Staat gleichwohl kein allumfassender Sender werden. Denn er ist auch bei bestem Wissen und Gewissen kein neutraler Akteur. Und Google sollte auch nicht die erweiterte Pressestelle der Regierung sein.

Natürlich geht es bei diesem staatlichen Gesundheitsportal (hoffentlich) nur um das Verbreiten wissenschaftlicher Fakten. Aber erstens befindet sich auch Wissenschaft in einem dauernden Wettstreit. Das zeigt sich insbesondere in dieser Corona-Pandemie. Und zweitens geht es auch beim Verbreiten von Fakten und seriösen Informationen, wie überall im öffentlichen Raum, auch um eine Diskurs- und Deutungshoheit. Diesen Kampf darf und muss der Staat jederzeit führen – aber nicht mit unlauteren Mitteln, wie in diesem Fall mit Kartellrechtsverstößen. Solche ungleichen Bedingungen herbeizuführen, das schadet der Meinungsvielfalt und damit unserer Demokratie.

Zeit für Grenzen

„Am 2. März 1977 unterstrich das Bundesverfassungsgericht die Bedeutung staatlicher Öffentlichkeitsarbeit: Sie muss die Bürgerinnen und Bürger über entscheidende Sachfragen umfassend informieren. Nur so kann jede Einzelne und jeder Einzelne die getroffenen Entscheidungen, Maßnahmen und Lösungsvorschläge richtig beurteilen, sie billigen oder verwerfen.“

So ist es auf der eingangs erwähnten Internetpräsenz der Bundesregierung zu lesen. Es ist ein Urteil, das fast ein halbes Jahrhundert zurückliegt, und es ist in seiner Deutlichkeit nicht zu beanstanden. Doch es ist an der Zeit, dass über die Grenzen staatlicher Informationen im digitalen Raum ebenso deutlich Recht gesprochen wird.

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