Jean-Claude Juncker bei Donald Trump - Wir sollten es mit Freihandel versuchen

Jean-Claude Juncker verhandelt mit Donald Trump im Handelsstreit. Das ist richtig. Doch die EU muss endlich auch Selbstkritik üben, statt bloß mit Gegenzöllen zu reagieren. Wir brauchen die Neuauflage des Freihandelsabkommens TTIP, schreibt Gabriel Felbermayr

Jean-Claude Juncker trifft Donald Trump: Wird er ihn mit Freihandel besänftigen können? / picture alliance
Anzeige

Autoreninfo

Prof. Gabriel Felbermayr ist Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft. Gleichzeitig hat er einen Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Seine Forschungs- und Beratungstätigkeit konzentriert sich auf Governance-Fragen in der internationalen Wirtschaftspolitik, der wirtschaftlichen Integration Europas und der deutschen Wirtschaftspolitik.

So erreichen Sie Gabriel Felbermayr:

Anzeige

Europa befindet sich in einem kalten Handelskrieg mit den USA; spätestens, wenn die USA nun auch Autos mit Importzöllen belegen und die EU mit einer neuen, nun ziemlich langen, Liste an Vergeltungszöllen reagiert.

Doch es könnte auch ganz anders sein. Beim letzten G7-Gipfel in Kanada hatte der US-Präsident Donald Trump eine Freihandelszone der G7-Länder angeregt. Sein Finanzminister Steven Mnuchin hat vor wenigen Tagen in Buenos Aires ähnliches vorgeschlagen.

Sind das ernstzunehmende Vorschläge? Vielleicht nicht. Aber eines sollte klar sein: Von einer plurilateralen Freihandelszone zwischen der EU, den USA, Kanada und Japan würden positive Effekte für die Weltwirtschaft ausgehen, während ein Handelskrieg großen Schaden anrichten würde.

Man rettet den Freihandel nicht mit Gegenzöllen

Darum sollte Europa die Chance eines konstruktiven Dialoges nicht vergeuden und die US-amerikanischen Vorschläge zur Schaffung einer plurilateralen Freihandelszone aufgreifen. Dazu müssten EU-Spitzen die Beleidigungen der vergangenen Tage vergessen und glaubwürdig Interesse an der Aufnahme von ernsthaften Verhandlungen signalisieren. Ob es den Amerikanern wirklich ernst ist, wird man schnell sehen. Jedenfalls kann man nicht den amerikanischen Protektionismus mit Gegenzöllen geißeln, um den weltweiten Freihandel zu retten, und sich einer Zollsenkungsinitiative des US-Finanzministers verweigern.

Europa muss mit Selbstkritik beginnen und einräumen, dass die eigenen Zollbarrieren im Durchschnitt höher sind als jene der USA. Die Importzölle von zehn Prozent im Automobilsektor sind heutzutage gegenüber den USA kaum rechtfertigbar. Und die EU-Mitglieder müssen ihre eigenen protektionistischen Neigungen überwinden, vor allem in der Landwirtschaft und vor allem in Frankreich. Diese Zölle treiben die europäischen Lebensmittelpreise deutlich über das Weltmarktniveau und schaden gerade Haushalten mit geringen Einkommen besonders.

Eine Wiederaufnahme von TTIP

Das Gute dabei: Man muss nicht bei null anfangen. Während der TTIP-Zeit verhandelten die EU und die USA drei Jahre lang über Zölle und kamen dabei schon relativ weit. Die USA haben mit Japan Verhandlungen zum Transpazifischen Partnerschaftsabkommen sogar abgeschlossen; nur hatte Trump die Ratifizierung in letzter Minute gestoppt. Und die EU hat mit Japan (Jefta) und Kanada (Ceta) bereits Abkommen.

Außerdem: Wenn man den Ankündigungen aus Washington glaubt, geht es den Amerikanern um Industrie- und Agrargüter und explizit nicht um Dienstleistungen und Investitionsschutz – Themen, die während der TTIP-Verhandlungen besonders umstritten waren. Das kommt Europa entgegen. Denn im Industriebereich hat der alte Kontinent einen komparativen Vorteil, so dass eine Zollsenkung hier per Saldo besonders positive Wirkungen haben sollte.

Der US-amerikanische Finanzminister Mnuchin verlangt auch einen Abbau von Subventionen und von „anderen Handelsschranken“, wobei nicht ganz klar ist, was mit Letzteren genau gemeint ist. Doch auch hier kann man auf die TPP- und TTIP-Verhandlungen und die umfangreichen Vorarbeiten dazu zurückgreifen.

China könnte gezwungen sein sich zu öffnen

Ein erfolgreiches plurilaterales Abkommen könnte sogar den Anstoß zu einer Modernisierung der WTO bringen und andere Länder – allen voran China – unter Druck setzen, ebenfalls Barrieren abzubauen. Und als charmanten Nebeneffekt könnte man sogar das Vereinigte Königreich, im Falle eines harten Brexit, als unabhängiges Mitglied in die neue Freihandelszone integrieren.

Was die ökonomische Rechtfertigung eines solchen Abkommens angeht, kann man auf die zahlreichen TTIP-Studien zurückgreifen. Diese zeigen, dass auch ein relativ bescheidenes Freihandelsabkommen – ohne Dienstleistungskapitel und Investitionsgerichte – herzeigbare positive Effekte für EU und USA bewirken würden. Diese fielen umso größer aus, wenn es gelänge, alle G7-Länder einzubeziehen. Langfristig sind positive BIP-Effekte von ca. zwei Prozent in der EU und den USA nicht unrealistisch. Man beachte das eindeutig positive Vorzeichen – in krassem Gegensatz zu den Effekten eines Handelskrieges.

Es braucht Gespräche ohne Voraussetzungen

Der erste Schritt wäre die zügige Aufnahme von Sondierungsgesprächen. Diese sollten, anders als Frankreich es fordert, voraussetzungsfrei geführt werden. Sobald beide Seiten ernsthaft miteinander verhandeln, wird die Aussetzung der leidigen amerikanischen Stahl- und Aluminiumzölle für den US Präsidenten ohne Gesichtsverlust möglich sein.

Auch die deutsche Politik müsste sich anstrengen, und den Bürgern erklären, warum Freihandel mit den USA die viel bessere Alternative ist. Das könnte nicht ganz einfach werden. Immerhin ist TTIP ja vor allem wegen deutscher Chlorhühnchenphobien und Turbokapitalismusangst auf Eis gelegt worden.

Anzeige