Internationales Zahlungssystem Swift - „Wenn Biden Russland ausschließen will, wird Russland ausgeschlossen“

Um Putin von einem Einmarsch in die Ukraine abzuhalten, sind schwere Sanktionen im Gespräch. Eine davon: Russlands Ausschluss aus dem internationalen Zahlungssystem Swift. Was das bedeuten würde, erklärt Ex-Bankmanager und Digitalisierungsexperte Udo Milkau.

Russlands Präsident Wladimir Putin beim Videogespräch mit seinem US-Kollegen Joe Biden / dpa
Anzeige

Autoreninfo

Daniel Gräber leitet das Ressort Kapital bei Cicero.

So erreichen Sie Daniel Gräber:

Anzeige

Dr. Udo Milkau war bis 2020 in der DZ BANK tätig – zuletzt als Chief Digital Officer, Transaction Banking. Aktuell ist er Lehrbeauftragter an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg. Vergangenes Jahr erschien sein Buch „Banken am digitalen Scheideweg“.

Herr Milkau, angesichts des russischen Aufmarschs an der Grenze zur Ukraine werden Forderungen laut, das Land aus dem internationalen Zahlungssystem Swift auszuschließen. Wie funktioniert dieses System?

Das Swift-System wurde in den 1970er-Jahren gegründet und ist seit 1977 operativ. Banken tauschen darüber weltweit Zahlungsnachrichten aus. Davor war dies nur mittels Fernschreiber möglich. Heute ist Swift ein hochsicheres, geschlossenes Computernetzwerk, an dem fast alle großen Banken angeschlossen sind. Am internationalen Zahlungsverkehr teilzunehmen, ist ohne Swift kaum möglich.

Wie funktioniert das konkret?

Dr. Udo Milkau

Nehmen wir ein Beispiel: Ein Lieferant aus Malaysia stellt Ihnen eine Rechnung und bittet um Überweisung auf sein Konto bei seiner Heimatbank. Ihre Bank in Deutschland bucht den Betrag von Ihrem Konto ab und schickt über Swift eine Zahlungsnachricht an die Bank in Malaysia. Die wiederum schreibt den Betrag dem Lieferanten gut. Damit ist für Sie und Ihren Geschäftspartner die Sache erledigt. Wobei eines wichtig ist: Über Swift wird kein Geld geschickt, sondern lediglich die entsprechende Mitteilung. Die beiden beteiligten Banken verrechnen die Überweisung untereinander. Wie sie das tun, ist dann deren Sache.

Eigentlich eine rein technische Angelegenheit. Dennoch ist das Swift-System immer wieder politischem Druck ausgesetzt.

Zum Gegenstand der Geopolitik wurde Swift spätestens nach den islamistischen Terroranschlägen am 11. September 2001. Amerikanische Sicherheitsbehörden nutzten daraufhin den Zugang zu dem Zahlungssystem, um die transnationale Terrorismusfinanzierung zu unterbinden. Aus US-Sicht war das rechtlich vollkommen in Ordnung, in Europa sah man das etwas anders. Das führte dazu, dass die Europäer ein eigenes Swift-Rechenzentrum aufgebaut haben, um unabhängiger von den USA zu sein.

Wirklich gelungen ist das nicht, oder? 

Das Problem ist aus europäischer Sicht, dass der Großteil des internationalen Zahlungsverkehrs in Dollar abgewickelt wird. Wer etwa Öl-, Gas oder Rohstoffe kaufen will, kommt um die US-Währung nicht herum. Und die Amerikaner sagen, vereinfacht formuliert: Jedes Geschäft, das in Dollar stattfindet, unterliegt unseren Gesetzen und unserer Rechtsprechung. Selbst wenn daran kein amerikanisches Unternehmen und keine amerikanische Bank beteiligt ist. Faktisch haben sie damit einen Hebel, weltweit Wirtschaftssanktionen durchzusetzen. Ob diese mit einem formalen Swift-Ausschluss einhergehen oder nicht, ist letztlich zweitrangig.

Gab es denn schon mal einen solchen Ausschluss?

Ja, gegen den Iran. Von 2012 bis 2016 wurden die iranischen Banken vom Swift-System abgekoppelt. Die USA und Europa gingen damals einvernehmlich vor. Seit 2018 ist der Iran erneut abgeschnitten. Das hat die US-Regierung unter Präsident Donald Trump gegen Widerstand aus Europa durchgesetzt. Sie sehen daran: Auch wenn die Swift-Genossenschaft ihren Sitz in Belgien hat und damit europäischem Recht unterworfen ist, sind die realen Machtverhältnisse andere. In Bezug auf die aktuelle Diskussion bedeutet das, wiederum vereinfacht formuliert: Wenn Joe Biden will, dass Russland ausgeschlossen wird, wird Russland ausgeschlossen.

Was würde das für uns bedeuten? Werden wir frieren, weil deutsche Gasversorger die Gazprom-Rechnung nicht mehr bezahlen können?

Das habe ich mich auch schon gefragt, konnte bisher aber nicht herausfinden, wie genau russische Gaslieferungen bezahlt werden. Gazprom hat mehrere Tochtergesellschaften in Europa und vermutlich auch Konten bei westlichen Banken. Dorthin zu überweisen, wäre auch bei einem Swift-Ausschluss Russlands kein Problem. Ein Staatskonzern wie Gazprom wird sich bestimmt zu helfen wissen – oder das Geld übergangsweise in Europa zwischenparken. Wer darunter leiden wird, ist die normale russische Wirtschaft. Ein Wodka-Exporteur oder Nickelerz-Lieferant, der sein Konto bei der russischen Sperbank hat, kann dann keine Zahlungen aus dem Ausland mehr erhalten.

Und andersherum genauso: Der deutsche Maschinenbauer, der nach Russland liefert, bekommt kein Geld.

Es gibt durchaus Mittelständler, die davon betroffen wären. Aber die „großen“ Handelsströme zwischen Russland und Deutschland sind von Rohstoffen bestimmt, also vor allem von Russland nach Deutschland gerichtet und nicht umgekehrt. Ganz anders sähe es bei China aus.

Präsident Putin will ein eigenes Zahlungssystem aufbauen, um unabhängig von Swift zu werden. Kann das gelingen?

Das System gibt es bereits. Es nennt sich SPFS. Bisher sind daran aber fast ausschließlich russische Banken angeschlossen, es läuft zudem eher instabil. SPFS wird hauptsächlich für den innerrussischen Zahlungsverkehr genutzt, im internationalen Zahlungsverkehr spielt es keine Rolle. An Swift kommt bisher niemand vorbei. Daran wird sich meiner Einschätzung nach auf absehbare Zeit auch nichts ändern.

Das Gespräch führte Daniel Gräber.

Anzeige