Innovationsschub durch die Pandemie - Wie die Corona-Krise die Digitalisierung vorantreibt

Im Arbeitsleben, bei Behörden, im Gesundheitsbereich: Von der Corona-Krise ist die ganze Gesellschaft betroffen, und überall wird jetzt digitalisiert. Peter Parycek erklärt, was Führungskräfte und Entscheider jetzt wissen sollten.

Plötzlich ist vieles in der Arbeitswelt online von zu Hause aus möglich / dpa
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Prof. Dr. Peter Parycek leitet seit 2017 das Kompetenzzentrum Öffentliche IT am Fraunhofer FOKUS Institut. (Bild: Donau-Universität Krems)

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Die Krise wird die Welt und unser aller Leben dauerhaft verändern, heißt es. Aber wie konkret? Elf Felder haben wir genauer unter die Lupe genommen oder Experten dazu befragt – von Kultur über Tourismus bis zur Geopolitik. 

In vielen Bereichen wurden wegen der Corona-Krise plötzlich digitale Kollaborationstools eingeführt, über die man vorher jahrelang diskutiert hat. Es ist ein Fenster dafür entstanden, entsprechende Lösungen jetzt auch dauerhaft durchzusetzen. Augenfällig wird das an den Universitäten: Lehrveranstaltungen und Prüfungen sind plötzlich online möglich – dagegen hatten sich viele lange gewehrt.

Besondere Herausforderungen stellen die Krise und deren Folgen an Führungskräfte: Das Prinzip „Command and Control“ funktioniert nicht mehr. Jetzt braucht es das von Peter ­Ferdinand Drucker formulierte Prinzip „Über Ziele führen“. Das sind wertvolle Lernmomente für die Führungskräfte. Dazu muss man aber mehr tun, als nur online zu kommunizieren – es braucht regelmäßige Reviews und Retrospektiven. 

Die Bürokratie wird pragmatischer

Auch im Gesundheitsbereich haben wir sehr traditionelle Kommunikationswege. Da wird es jetzt Rückenwind geben für Projekte, die zum Teil schon in den Köpfen vorhanden waren. Auch in der deutschen Verwaltung, die im internationalen Vergleich im hinteren Drittel liegt, ist wegen Corona viel passiert, um überhaupt arbeitsfähig zu bleiben. Die bislang immer noch auf das gedruckte Papier fixierte Bürokratie ist pragmatischer geworden: Behörden akzeptieren nun gezwungenermaßen auch elektronische Kommunikation. Denn am Ende geht es darum, die Handlungsfähigkeit der staatlichen Institutionen zu gewährleisten. 

Ganz grundlegend gilt das auch für demokratische Prozesse: Wir können nicht ständig Wahlen verschieben. Also sollten wir über E-Voting debattieren. Das heißt: Menschen wählen von zu Hause aus am Computer. Estland macht vor, wie es funktionieren kann. Bei allen Schwierigkeiten: Ein solches Instrumentarium ist besser, als gar nicht wählen zu gehen. Wir sollten auch über Möglichkeiten reden, wie Parlamentsdebatten online stattfinden können – bis hin zu Abstimmungen über geschützte Kanäle. Die Notwendigkeit existiert vom Bundestag bis zum Gemeinderat. Es wäre aber schon ein Fortschritt, wenn die Dokumente durchgehend elektronisch für die Parlamentarier verfügbar wären.

Daten für Innovationen nutzen

Die Errungenschaften des deutschen und europäischen Datenschutzes und die weltweite Vorbildwirkung sind ein zentraler Beitrag zur rechtlichen Ausgestaltung des digitalen Zeitalters. Datennutzung und Datenschutz sind kein Widerspruch, und diese Debatte gilt es jetzt zu führen. Wie können wir Daten für Innovation in Wirtschaft und Wissenschaft nutzen? Wie können wir Daten nutzen, um schnellere Ergebnisse in der Gesundheitsforschung zu erzielen? Diese Fragen gilt es jetzt und nach der Krise zu diskutieren, weil wir im Vergleich zu anderen Wirtschaftsnationen sowohl eine geringere Datennutzung als auch weniger Gründungen haben.

Um die Verwaltung digital und damit Behördengänge überflüssig zu machen, müssen rechtliche Rahmenbedingungen geändert werden. Das Online-Zugangsgesetz war ein erster Schritt. Grundsätzlich sollten sich die Entscheider über eines im Klaren sein: Das Verständnis der Bevölkerung dafür, dass man Dinge nicht digital erledigen kann, obwohl das in anderen Ländern möglich ist, wird noch einmal stark zurückgehen.

 

 

 

Dieser Text stammt aus der Mai-Ausgabe von Cicero, die Sie am Kiosk oder direkt bei uns portofrei kaufen können.

 

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