Mittelstandsporträt Sport Tiedje - Der Hantelspartner

Sport Tiedje ist Europas größter Anbieter von Heimsportgeräten. Für den Chef Christian Grau läuft das Geschäft schon lange gut – und seit Corona sogar noch besser als zuvor.

Christian Grau wurde mit Sport Tiedje zum Gewinner der Corona-Krise / Kay Roever
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Nils Wischmeyer ist freier Finanz- und Wirtschaftsjournalist beim Journalistenbüro dreimaldrei

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Eine erste Ahnung kam Christian Grau an einem Mittwoch. Nachrichten aus China zu einer Krankheit, eine mögliche Pandemie. In München feierte die Sportwelt sich noch auf der Sportmesse ISPO. Kaum war die abgebaut, setzten sich Grau und sein Team von Sport Tiedje ans Telefon und bestellten, bestellten, bestellten. Sie kauften Vorräte in ganz Europa, platzierten Bestellungen bei Lieferanten, ließen die Lager mit Hanteln, Crosstrainern, Rudergeräten oder Trampolinen füllen, um für einen Ansturm gewappnet zu sein. Grau hatte erkannt, was die Welt wenige Wochen später erfahren sollte: Die Pandemie wird weltweit kommen, riesige Veränderungen mit sich bringen. Und tatsächlich: „Ab März ist die Nachfrage komplett explodiert“, sagt Grau.

Er ist damit einer der Gewinner der Krise. Der Mittelständler kann dank Onlineshop und Flexibilität punkten, wo andere schwächelten, weil er die Kundennachfrage früh und richtig antizipierte. Dabei hatte auch er Logistikprobleme, Lieferschwierigkeiten, Lockdown mit geschlossenen Filialen in ganz Deutschland. Das Jahr 2020 hätte auch für ihn ruhiger verlaufen können.

Der Weg an die Spitze

Zum Videointerview ist Grau im Büro erschienen, weiß gestrichene Wände, ein rot leuchtender Schriftzug im Hintergrund. Er selbst trägt einen grauen, sportlich wirkenden Pullover, dazu eine dunkle Hose. Die Haare fallen dem Ex-Basketballer ein wenig in die Stirn. Ein Kumpeltyp für eine Runde Basketball und ein paar kalte Bier danach.

Seit 1984 gibt es die Firma mit Hauptsitz in Schleswig schon, anfangs noch als einzelne Filiale, gegründet vom Ex-Tischtennisprofi Ulrich Tiedje. Später stieg Christian Grau ein – erst als Aushilfe, dann als Informatiker, der die erste Webseite baute, später als gleichberechtigter Partner fürs Onlinegeschäft und seit 2011 alleiniger Chef der Firma, die seither einen rasanten Aufstieg hingelegt hat und 65 Filialen in neun europäischen Ländern betreibt.

Ein Laufband für den Dalai Lama

Das Onlinegeschäft läuft gut, aber viele Leute wollen große Sportgeräte erst ausprobieren und kommen dafür in die Läden. 85 Prozent seines Geschäfts macht Sport Tiedje mit Privatkunden, 10 Prozent mit großen Unternehmen wie Fitnessstudios, Kreuzfahrtschiffen oder Unternehmen – und 5 Prozent mit, wie Grau sagt, VIP-Kunden, etwa Fußballstars, die ihre eigenen Studios brauchen, Schauspieler wie Tom Cruise, wenn sie in Deutschland sind. Und manchmal stattet Sport Tiedje auch die Suite des Dalai Lama mit einem Laufband aus.

Profitiert hat seine Firma nun von den Corona-Beschränkungen. „Im ersten Lockdown haben die uns die Hanteln und Indoor-Fahrräder nur so aus den Händen gerissen, wir sind mit den Bestellungen kaum nachgekommen“, sagt Grau. Gerade Indoor-Cycling und Kraftgeräte seien bei den Kunden beliebt. Im Sommer wollten sie Trampoline oder Tischtennisplatten für die Kinder.

Umsatz geht 2020 durch die Decke

Das Onlinegeschäft brummt. Standen 2011 noch 30 Millionen Euro Umsatz zu Buche, waren es 2019 schon 130 Millionen Euro. 2020 soll es Grau zufolge noch wesentlich mehr geworden sein, wenn auch die Zahlen noch nicht final testiert sind. Auch Sport Tiedje musste vorübergehend Filialen schließen. Dafür war mehr telefonische Beratung gefragt. Von einem Kraftakt spricht Grau heute.

Im Sommer stürmten die Kunden die Läden und nahmen, was sie kriegen konnten, selbst die Ausstellungsstücke: „Wir mussten verhindern, dass die Leute unseren Laden plündern“, sagt Grau, der seine Mitarbeiter für die arbeitsintensive Zeit belohnt. „Wir haben zwei Mal Corona-­Bonus gezahlt und ein hohes Weihnachtsgeld, einfach weil die Teamleistung so überragend war.“

Workout im Wohnzimmer immer beliebter

Doch nicht alles war einfach, gerade in der Logistik. Geräte aus den USA wurden teils nicht exportiert, weil die Nachfrage dort zu groß war. Bei der Produktion der Eigenmarken in Asien ist Grau dem Willen der Produzenten ausgeliefert, die Verträge in teils „absurdem Maße diktieren“, obwohl man weder wisse, wann noch zu welchem Preis geliefert wird. Es gebe keine Container und wenn doch, zum bis zu sechsfachen Preis.

Grau wünscht sich eine Glaskugel, die ihm den Trend für den Sommer 2022 verrät. Dafür muss er jetzt einkaufen. Er glaubt an den Sport in den eigenen vier Wänden, auch nach Corona: „Die Menschen werden älter, sind gesundheitsbewusster, arbeiten länger auch im Sitzen.“ Corona habe den Trend nur beschleunigt.
 

Dieser Text stammt aus der März-Ausgabe des Cicero, die Sie am Kiosk oder direkt bei uns portofrei kaufen können.

 

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