Günther Schuh - Professor Pionier

Bald schon soll Günther Schuh für Volkswagen ein Elektroauto bauen. Der Unternehmer und Hochschullehrer aus Aachen ist bei deutschen Autobauern angesehener als Elon Musk

Erschienen in Ausgabe
Wird es Günther Schuh gelingen ein günstiges Elektroauto zu bauen? / picture alliance
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Karl-Heinz Büschemann war unter anderem Chefreporter im Wirtschaftsressort der Süddeutschen Zeitung und arbeitet als Wirtschaftsjournalist in München.

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Günther Schuh kommt an diesem strahlenden Tag mal wieder seiner wichtigsten Nebentätigkeit nach: der Selbstdarstellung als Zugpferd. Der 60-Jährige soll vor Fernsehkameras erklären, warum er zum Autohersteller geworden ist. Er möge doch bitte mal die Wendeltreppe im Foyer seiner Firma heruntersteigen, sein Handy hervorholen und geschäftig telefonieren. Der schlaksige Zweimetermann zückt sein Mobiltelefon, mag aber nicht einfach in sein totes Smartphone hineinquatschen. Das kann er nicht. Also ruft er seine Pressesprecherin an, wechselt ein paar Worte mit ihr: Die Kameraleute sind zufrieden und Schuh rennt mit gespielter Gereiztheit zum nächsten Termin: „Ich bin doch kein Schauspieler.“

Doch, das ist der Professor. Er ist ja nicht nur Hochschullehrer für „Produktionssystematik“ an der TH in Aachen. Der quirlige Schuh ist auch Unternehmer, und zwar einer, der es mit VW, BMW oder Daimler aufnehmen will. Es fällt auf, wenn ein Außenseiter mal eben einen elektrischen Kleinwagen entwickelt, den die großen Konzerne einfach nicht hinkriegen. Aufmerksamkeit entsteht, wenn er eine eigene Fabrik gebaut hat, die in einem Industrieviertel von Aachen gerade die Fertigung aufnimmt. All das führt zu Fragen der Medien.

Ein Anflug von Stolz

„Ich habe im Schnitt sechs Pressetermine pro Woche“, sagt Schuh mit einem Anflug von Stolz. Das Leben des Günther Schuh ist so hektisch geworden, dass ihm seine Frau sogar einen eigenen Fahrer verordnet hat. Der kutschiert ihn kreuz und quer durch die Republik: heute nach Stuttgart zu Bosch, morgen zur ZDF-Talkshow von Markus Lanz und übermorgen für eine Rede nach Frankfurt. Er halte 180 Vorträge im Jahr, sagt Schuh.

„E.Go. Life“ heißt sein Produkt. Ein Viersitzer in Smart-Größe mit ansprechendem Design, und – darauf legt Autofan Schuh Wert – satten Alufelgen. Der Kleine ist für rund 15 000 Euro zu haben. Noch geht es in der neuen Fabrik im Aachener Stadtteil Rothe Erde zu wie in einer großen Autowerkstatt am Wochenende. Wenige Leute, nur ein paar halbfertige Fahrzeuge wandern langsam durch die tennisplatzgroße Halle. Doch demnächst sollen hier täglich 45 E.Gos gebaut werden. Im kommenden Jahr bereits 10 000 bis 12 000 Stück, später sollen es 30 000 werden, in drei Schichten. Bisher ist seine Produktion ausverkauft.

Vor allem Unternehmer

Rund 180 Millionen Euro hat der Professor bisher in sein neues Unternehmen gesteckt, die er durch private Investoren eingesammelt hat. Demnächst braucht er noch einmal 150 bis 200 Millionen. Er selbst bewertet seine Firma mit einer Milliarde Euro. Kein schlechter Wert für einen Neuling. Die Suche nach Investoren ist der Grund, warum er geduldig in den Medien den Schauspieler gibt, der mit rheinischem Akzent und Unterhaltungswert die Gallionsfigur seiner Firma ist. Seine Finanzmittel sind endlich. Also muss er die Medien einspannen. „Wir gewinnen die Schlacht mit Marketing und PR, oder wir gewinnen sie nicht.“

Schuh könnte als Professor ein bequemes Leben führen. Aber er sieht sich vor allem als Unternehmer. Seine jetzige Firma sei seine 13. Gründung, sagt er. Sein kleines Firmenimperium hat 700 Mitarbeiter. Und er will es den anderen zeigen. Vor einigen Jahren blamierte er die Autoindustrie, indem er für die Deutsche Post ein einfaches Elektroauto entwickelte. Die etablierten Hersteller waren zu arrogant für ein simples Stadtauto ohne Schnickschnack und mit Batterieantrieb.

Es ist schwer, günstige Elektroautos zu bauen

Sein Geheimnis: „Es ist nicht schwer, ein Elektroauto zu bauen. Aber es ist schwer, ein günstiges Elektroauto zu machen.“ Das weiß er als Maschinenbauprofessor und Experte für Autofabriken. Was die etablierten Konzerne jetzt tun, um die Produktion von E-Autos zu starten, haben sie von ihm gelernt, und nicht umgekehrt. „Das steht alles in meinem Lehrbuch.“ Mit an Arroganz grenzendem Selbstbewusstsein behauptet er, die alte Erkenntnis der Betriebswirtschaft, wonach niedrige Kosten nur mit hohen Stückzahlen zu machen seien, mindestens teilweise auf den Kopf gestellt („relativiert“) zu haben. „Das können die großen Konzerne nicht.“

Trotzdem reden die Autobosse erstaunlich freundlich über Günther Schuh. Wurde der inzwischen weltweit beachtete Tesla-Gründer Elon Musk von stolzen Automanagern noch öffentlich verlacht, macht sich kein Autochef über Schuh lustig. „Ich finde es extrem wichtig, dass wir solche Pioniere haben“, sagt artig der VW-Chef Herbert Diess über Schuh. Und bald werden der große Wolfsburger Konzern und der Kleinwagenbauer aus Aachen zusammenarbeiten. VW will sich von Schuh einen Spaßbuggy bauen lassen. Für den Professor aus Aachen ist das ein Ritterschlag.

 

Dieser Text erschien in der August-Ausgabe des Cicero, die Sie am Kiosk oder direkt bei uns portofrei kaufen können.

 

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