Elon Musk - This Guy is the Limit

Tech-Pionier Elon Musk will die großen Probleme der Menschheit zu lösen. Die realen täglichen Probleme sind ihm dabei oft lästig. Jetzt hat er Tesla den größten Gewinn seiner Geschichte beschert. Aber Erfolg und Scheitern liegen nah beieinander

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Bei Elon Musk verschwimmen die Grenzen zwischen Genie und Wahnsinn / picture alliance
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Eine Welt besteht aus Einsen und Nullen. Das hat Elon Musk früh gelernt: Der zwölfjährige Junge programmiert ein Videospiel – und verkauft es für 500 Dollar an eine Computerzeitschrift. Einige Jahre später geht er systematischer vor, das Ergebnis heißt Zip2. Das Internetunternehmen geht nach vier Jahren an einen Computerhersteller. 307 Millionen US-Dollar – es ist der höchste Preis, der bis dato für ein Internetunternehmen gezahlt wurde. Sein nächstes Engagement: Musk hebt den weltweit führenden Online-Bezahldienst Paypal aus der Taufe. So erklimmt der gebürtige Südafrikaner mit großen Schritten den Olymp der reichsten Männer Amerikas. Sein unternehmerisches Genie wird die New York Times zu dem Urteil führen, Musk sei „der wichtigste Unternehmer unserer Zeit“.

Am 28. Juni 1971 wird Elon Reeve Musk in Pretoria geboren – sein Vater Maschinenbauer, seine Mutter kanadischstämmiges Model. In der Schule wird er schwer gemobbt; einmal so zusammengeschlagen, dass er im Krankenhaus landet. Heute teilt Musk aus. Nicht mit Fäusten, sondern über den Kurznachrichtendienst Twitter. Einen britischen Höhlentaucher, der in Thailand maßgeblich daran beteiligt ist, das eingeschlossene Jugendfußballteam aus einer Höhle zu retten, nennt Musk pädophil. Es ist seine Art, mit Zurückweisung umzugehen. Denn als die Welt mit den eingeschlossenen Jungen in Thailand mitfiebert, wurmt den Unternehmer offenbar, dass noch kein Kind gerettet ist. Kurzerhand besteigt Musk sein Flugzeug. Im Frachtraum: ein selbst entwickeltes Mini-Tauchboot. Vor Ort weisen die Höhlentaucher seine Hilfe zurück – das Boot passe in seiner Größe nicht durch die enge Höhle. Ein klarer Mangel an Vision. Wer am Genie zweifelt, hat zu wenig Weitblick oder muss pädophil sein.

Vorbilder in der Sciencefiction-Welt

Musk entschuldigt sich später, auch im Namen seiner Firmen. Der Ausfall ist kein Einzelfall. Kritische Fragen von Analysten zu Quartalszahlen seines Tesla-Konzerns bezeichnet er kurz vor dieser Episode als „blöd“ oder „langweilig“. Musk will sich nicht mit Details einer grauen Realität aufhalten. Er zimmert die großen Würfe. Derweil zerbricht sich die Börsenwelt über einen anderen seiner Tweets den Kopf. Musk hat dort angekündigt, Tesla von der Börse nehmen zu wollen. Die Börsenaufsicht prüft – mindestens wegen fahrlässiger Kommunikation.

In einem Interview erklärt er kürzlich, am Rande seiner Kräfte zu stehen. Das zurückliegende Jahr sei das „schmerzhafteste“ seiner Karriere gewesen. Kaum Schlaf, 120 Stunden Arbeit pro Woche. Bis zur Erschöpfung arbeitet Musk an seiner Schöpfung.

Als Jugendlicher hat er viel von Isaac Asimov gelesen. Bei Asimov geht es um große Linien. Sein Hauptwerk – die „Foundation-Trilogie“ – handelt von der interga­laktischen Zukunft der Menschheit. Musk hat hier wohl früh sein Zuhause gefunden. Die Koordinaten seines Handelns sind der Welt entrückt, changieren zwischen Utopie und Dystopie. Die Gegenwart, ein leidiger Schritt auf dem Weg in die Zukunft. Und Musk ist ihr Architekt.

2002 gründet er das Raumfahrtunternehmen SpaceX und schießt im Februar 2018 in der bisher leistungsstärksten Rakete der Menschheit einen Tesla ins All. Das Ziel des roten Space-Flitzers: der Mars, einem von Musks erklärten Zielen.

Wirklichkeit, die Vision sein soll

Auf der Erde hat Musk innerhalb kurzer Zeit den Tesla-Konzern aufgebaut. Als Elektroauto-Pionier zwingt er klassische Hersteller, in den surrenden Autokorso der Elektromobilität einzu­schwenken. Die kritischen Analystenfragen, auf die Musk pampig reagiert, zielen auf Lieferprobleme bei Teslas Massenmodell. Für Musk ist das schnöde. Er will die Probleme der Menschheit lösen. Weil der Verkehr in Los Angeles ihn nervt, gründet er die Tunnelbaufirma mit dem erfrischend zweideutigen Namen Boring. Per Vakuumröhre will er Menschen künftig in seinen Hyperloop-Kapseln ans Ziel schießen – ähnlich einer Rohrpost.

„Unsere Existenz kann nicht nur darin bestehen, ein erbärmliches Problem nach dem anderen zu lösen. Es muss Gründe geben zu leben“, sagt er. Wer keinen Grund vorweist, ist beim Weg in die Zukunft mindestens störend. Bei Tesla fliegt, wer nicht spurt, berichten Ex-Mitarbeiter. Überstunden sind nicht Ausnahme, sondern Regel. Das Prinzip Start-up, skaliert auf milliardenschwere Börsenunternehmen. Kollateralschäden einer Wirklichkeit, die Vision sein soll. 

Genie und Wahnsinn sind bei Elon Musk schwer abgrenzbar – gerade in jüngster Zeit. Vielleicht, weil er an banale physische Grenzen stößt. Seine ultimative, persönliche und intergalaktische Vision jedenfalls ist klar umrissen: auf dem Mars die letzte Ruhe zu finden. Bis dahin wird er weiter arbeiten. Vielleicht – nach der Einsicht in gewisse Grenzen seines Selbst – ja auch ein bisschen an sich.

Dieser Text stammt aus der September-Ausgabe des Cicero, die Sie am Kiosk oder in unserem Onlineshop erhalten.

 

 

 

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