Wirtschaftseinbruch in den USA - Präsidiales Störfeuer

Donald Trump sagt, er wolle sichere Präsidentschaftswahlen und bringt eine Verschiebung ins Gespräch. Die Aufregung ist groß und sie ist gewollt. Denn der eigentliche Aufreger ist die US-Wirtschaft. Das BIP rast mit historischer Geschwindigkeit in den Keller und viele Millionen Arbeitslose fürchten um ihre Existenz.

Auf in den Wahlkampf: Donald Trump / dpa
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Bastian Brauns leitete das Wirtschaftsressort „Kapital“ bei Cicero von 2017 bis 2021. Zuvor war er Wirtschaftsredakteur bei Zeit Online und bei der Stiftung Warentest. Seine journalistische Ausbildung absolvierte er an der Henri-Nannen-Schule.

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Als Störfeuer wird im Militärjargon gemeinhin das unregelmäßige Abfeuern von Artilleriegeschützen bezeichnet. Mit dieser Technik soll der Gegner verwirrt und damit empfindlich in den eigenen militärischen Vorhaben gestört werden. Der US-Präsident hat es im Wahljahr gleich mit mehreren Gegnern zu tun: Corona, ein historischer Wirtschaftseinbruch, miserable aktuelle Umfragewerte, die ihn deutlich hinter dem demokratischen Kandidaten Joe Biden sehen und mit dem sogenannten Lincoln Project auch noch Gegner aus den eigenen Republikanischen Reihen.

Kein Wunder also, dass Donald Trump mal wieder gar nicht anders konnte, als einen provokanten Tweet abzusetzen, der vermuten lassen könnte, Trump habe einen sehr konkreten Plan, die anstehenden Präsidentschaftswahlen im November zu verschieben. Mit der geplanten Briefwahl würde die 2020-Wahl die "ungenaueste und betrügerischste Wahl in der Geschichte sein", twitterte der Präsident. Um dann etwas kryptisch eine Frage mit drei Fragezeichen abzusondern: "Zögern wir die Wahl hinaus bis die Menschen richtig, sicher und unbesorgt abstimmen können ???"

Wohlwissend, dass dieser Tweet umgehende weltweite Empörung nach sich ziehen würde, liegt eine Vermutung durchaus nahe: Trump will größtmögliche Verwirrung stiften und die beschriebenen Gegner maximal ablenken.

Wirtschaftseinbruch von 32,9 Prozent

Denn nur wenige Sekunden bevor er seinen Tweet absetzte, bestimmte ein andere Eilmeldung die aktuelle Nachrichtenlage: Die Wirtschaftsleistung der USA ging bedingt durch die Corona-Pandemie im vergangenen Frühjahr so stark zurück wie noch nie in der neueren amerikanischen Geschichte. Laut Handelsministerium ging das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im zweiten Quartal 2020 um 9,5 Prozent zurück. Aufs Jahr gerechnet bedeutet dies einen Einbruch mit einer Rate von 32,9 Prozent. In seiner Rasanz und Vehemenz kann dieser Rückgang im Grunde nur mit der Großen Depression von 1929 verglichen werden.

Hinzu kommt, dass in den USA bereits zum 19. Mal in Folge mehr als eine Million Menschen staatliche Arbeitslosenunterstützung beantragt haben. Mehr als 40 Millionen Menschen sind in den Vereinigten Staaten damit arbeitslos. Wie also kann man davon besser ablenken, als mit einer mutmaßlichen Bedrohung der US-Demokratie? 

Die Lunte brennt

Denn die Macht des Präsidenten ist zwar groß. Aber Donald Trump hat keine amtliche Befugnis, das verfassungsmäßig festgelegte Wahldatum mal eben zu ändern. Ob ihm die nun entstehende Aufregung dabei helfen wird, bessere Umfragewerte zu erhalten, kann man bezweifeln.

Solche Scharmützel mögen funktionieren, wenn die Menschen im Grunde nichts Besseres zu tun haben. Doch in den USA packt Millionen von Menschen die nackte Existenzangst. In einem Land, das schon qua Selbstverständnis alles andere als eine soziale Hängematte bereit hält. Während Trump weiter mit Artillerie störfeuert, sitzt er auf nicht nur einem Bündel Dynamitstangen. Die Lunte brennt.

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