Digitale Medien - Zuckerbergs Präsident

Trumps Populismus ist auch eine Folge der sozialen Medien. Der klassische Journalismus hält dagegen. Er setzt die Wirklichkeit wieder zusammen

Erschienen in Ausgabe
Illustration: Anja Stiehler/Jutta Fricke Illustrators
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Autoreninfo

Frank A. Meyer ist Journalist und Kolumnist des Magazins Cicero. Er arbeitet seit vielen Jahren für den Ringier-Verlag und lebt in Berlin.

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Twitter reimt sich auf Gewitter. So banal das klingt, so sehr passt es auch: Wer hat schon den Durchblick, wenn ihm durch Regen und Sturm, durch Hagel, Blitz und Donner Hören und Sehen vergeht?

Im Oval Office zu Washington D. C. thront der Twitter-Gott: Er lässt es Verwünschungen hageln, begleitet von politischem Blitz und Donner. Das Sturmgebraus, das er tagtäglich entfacht, hält der neue amerikanische Präsident für Regierungshandwerk. Mit 70 Jahren ist er zwar ein gut gelifteter und gefallsüchtig gebräunter älterer Herr, doch ist er auch ein Kind dieser Zeit, einer überaus kindischen Zeit: der Zeit von Twitter, Facebook, Snapchat, Instagram und all den anderen Social-Media-Anwendungen, die das echte Leben – und damit auch die seriösen Amtsgeschäfte eines Präsidenten – überflüssig machen, weil sich beim Blick aufs Display ja alles Wirkliche erübrigt. 

Religion des Netzes: Zerstörung des Journalismus

Als Weltgewittergott über dem USA-Gewittergott allerdings sieht sich Facebook-Gründer Mark Zuckerberg. Wie Zeus, der Blitzeschleudernde, thront er allmächtig über dem mächtigsten Mann der Welt. Hat er Donald Trump auch nicht erfunden, so hat er ihn doch ermöglicht. Deshalb kann er ihn zu Recht seinen Besitz nennen: „The Donald“ als Vorstufe zur endgültigen Erlösung des Erdenrunds durch die Religion des Netzes, als deren Schöpfergott sich Zuckerberg selbstverständlich selber sieht. Die Ära Trump wäre da nur das Fegefeuer vor dem Einzug ins totale Facebook-Paradies. 

Soeben hat der Jüngling aus Menlo Park sein Evangelium veröffentlicht: das Manifest für die „Global Community“, laut Süddeutsche Zeitung ein „Missionspapier“, laut tageszeitung nichts als „6000 Wörter Nichts“, im Urteil des amerikanischen Monatsmagazins The Atlantic ein Plan „zur Zerstörung des Journalismus“ – aus dem kalifornischen Silicon Valley, dem neuen Jerusalem. 

Was will die "Facebook-Gemeinschaft"?

Die Facebook-Gemeinde umfasst inzwischen 1,86 Milliarden Nutzer. Die Heilsbotschaft des Mark – Gläubige sind per Du – richtet sich in prophetischem Ton „an unsere Gemeinschaft“. Wer ist diese Gemeinschaft? Was will sie? 

Die beiden Fragen lassen sich exakt beantworten. Mit der dritten Frage: Wie drückt sich diese Gemeinschaft aus? Die Antwort: Facebook ist Fakebook. 

Donald Trump liefert dafür den Beweis: Er arbeitet – ja, arbeitet! – mit Fake News – und zwar buchstäblich, kann doch von ordentlichen Sätzen nicht die Rede sein. Bei Twitter sind 160 Zeichen schon ein Roman. 

Damit wäre die Beschreibung der digitalen Welt eigentlich abgeschlossen. Denn wie die jüngste Vergangenheit zeigt, wird in den virtuellen Gefilden nichts besser, aber fast alles schlechter – was Mark Zuckerbergs Vorbote im Weißen Haus aufs Wirkungsvollste und Erschreckendste beweist. 
„Was tun?“, fragte einst Lenin. Seine Antwort war: Revolution. Was wäre Revolution heute? 

Zurück zu denkenden Journalisten

In den USA wird sie gerade geübt: Medien, die ganze Sätze zu formulieren gewohnt sind, Sätze voller Sinn, und die solche Sätze auch zu vermitteln verstehen, erhellende, erklärende Sätze zumal – die traditionellen Medien finden in diesen Tagen und Wochen zu ihrer angestammten Bedeutung zurück.

Die schreibenden, also denkenden Journalisten sind wieder da, mitsamt ihren Zeitungen. Die New York Times, der New Yorker, die Washington Post recherchieren, analysieren, kritisieren den herrschenden Infantilismus eines Präsidenten, der sich jeden Tag weiter verheddert im Netzwerk von Twitter und Facebook, in den Widersprüchen seiner Fake News, im Sumpf des Bullshits, der neuerdings als Politik einer Weltmacht durchs digitale Planetarium geistert. 

Auch das bereits als historisch und damit als erledigt geltende Medium Fernsehen erfreut sich erneut bester Gesundheit: Auf CNN, CBS und NBC erörtern kluge Köpfe gnadenlos den Twitter-Schwall alternativer Fakten aus dem Weißen Haus – von Redeschwall, also einer sinnvollen, womöglich gar erhellenden Abfolge von Begriffen kann ja ernsthaft nicht die Rede sein.

Jagd auf die Fake-News

Journalisten entschlüsseln kritisch die Worthappen der virtuellen Welt: Was ist falsch – Fake? Was ist echt – News? Welcher Content bedeutet was? Welche Zusammenhänge sind zu beachten, historisch, aber auch zwischen den Disziplinen, ökonomisch, ökologisch, sozial, kulturell? 

Sie erfüllen damit ihre demokratische Pflicht, ist doch die Zerstückelung der Wirklichkeit durch die digitale Häckselmaschine das neue Herrschaftsprinzip: Hat der Bürger nämlich erst einmal den Überblick über das Geschehen verloren, weil er im Gewitter der Beliebigkeit nicht mehr weiß, wo ihm der Kopf steht, ist er beliebig manipulierbar. Fake News nimmt der Netzzombie widerspruchslos als gesicherte Nachrichten wahr – und Twitter und Facebook gelten als seriöse Quellen. 

Die Zeitungen und Zeitschriften, das Fernsehen und – ja, auch das gibt’s – Netzportale, die klassischen Journalismus betreiben, setzen die zerstörte Wirklichkeit wieder zusammen. 

Das ist der Aufstand, das ist die Revolution – vielleicht die erste der Menschheitsgeschichte, die nicht zerstört, was Mächtige errichtet haben, sondern schützt, was Mächtige vernichten wollen: die politische Kultur der Aufklärung, Demokratie und Rechtsstaat, die bürgerliche Gesellschaft – Freiheit und Maß und Wert.

 

Dieser Text stammt aus der Aprilausgabe des Cicero, die Sie in unserem Online-Shop erhalten.  

 

 

 

 

 

 

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