Diesel-Skandal - Es war einmal der Diesel

Der Traum von klimaschonender und emissionsloser Mobilität zerplatzte ausgerechnet am als effizient und sauber beschworenen Diesel. Wie aus großen Wünschen und schmutzigen Wirklichkeiten eine Gefahr für den deutschen Industriestandort wurde

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VW-Betrug, Abschalttricks und Fahrverbote dürften den Großteil der rund 15 Millionen deutschen Diesel-PKW betreffen / Sebastian König
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Bastian Brauns leitete das Wirtschaftsressort „Kapital“ bei Cicero von 2017 bis 2021. Zuvor war er Wirtschaftsredakteur bei Zeit Online und bei der Stiftung Warentest. Seine journalistische Ausbildung absolvierte er an der Henri-Nannen-Schule.

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Als seine Frau den Familienwagen zu Schrott fährt, ist Christian Wittrock erleichtert. Endlich ist der Diesel tot. Wittrock muss sich nicht mehr entscheiden: Soll er den schwarzen VW Touran TDI mit dem „Betrugsdieselmotor“ EA189 verramschen? Soll er auf eine teure, technisch womöglich unausgegorene sogenannte Hardware-Nachrüstung warten? Soll er die drohenden Berliner Fahrverbote ignorieren und auf gut Glück weiterfahren?

Es war im Februar 2017, als das Schicksal entschied und ein wenig auch seine Frau, die das Vorfahrtsschild übersehen hatte. Entschieden war dann auch: Künftig wird kein VW mehr vor dem Einfamilienhaus im beschaulichen Grünau, im Berliner Bezirk Treptow-Köpenick, parken. „Die haben mich betrogen. Das war’s“, sagt der gebürtige Hannoveraner mit gebrochenem Herzen für Volkswagen. Er wirkt dabei so gradlinig wie der neue weiße Volvo vor der Tür.

Täglich mehr „Dieselopfer“

Was wird aus meinem Diesel? Das fragen sich Millionen Dieselfahrer, von denen sich keiner einen Unfall herbeiwünschen dürfte. Zwar überwies die Versicherung an Wittrock noch einen Touran-Restwert. Aber eine Entschädigung für den Betrug von VW fehlt bis heute. Wittrock und die anderen sind das, was Politiker, Konzernchefs, Journalisten und Verbraucherschützer seit dem VW-Betrugsskandal 2015 „die Dieselopfer“ nennen.

Und täglich werden es mehr. Auch Besitzer anderer Fabrikate zahlen drauf mit Wertverlust, Kraftstoff-Mehrverbrauch und ständiger mobiler Unsicherheit. Opel, Daimler oder BMW – sie alle tüftelten im Motor nicht nur am Hubraum, sondern auch am Spielraum für Abschalteinrichtungen. Die Hersteller sagen, das sei nicht illegal, sondern nötig, um etwa den Motor zu schonen. Wegen zu hohem Ausstoß von giftigem Stickstoffdioxid (NO2) ruft das Kraftfahrtbundesamt ihre Autos trotzdem massenhaft zurück.

Hinzu kommt für Millionen weiterer Dieselfahrer der Worst Case, seit die Deutsche Umwelthilfe (DUH) vor deutsche Verwaltungsgerichte zieht. Mehr als ein Dutzend deutscher Großstädte müssen, weil gerichtlich entschieden, Dieselfahrverbote umsetzen. In Hamburg sind schon Straßen dicht. In Essen soll die Verbindungsautobahn A 40 im Ruhrgebiet zum Sperrgebiet für Dieselfahrer werden. Insgesamt kann das Fahrverbotsszenario mehr als 50 Städte treffen, in denen der geltende EU-Grenzwert für NO2 überschritten wird.

Steuerzahler kommen für die Kosten auf

VW-Betrug, Abschalttricks und Fahrverbote dürften inzwischen den Großteil der rund 15 Millionen deutschen Diesel-PKW betreffen. Es ist das wohl größte Wirtschaftspolitikum der deutschen Automobilgeschichte. Viele Fahrer sind Pendler, Händler und Mittelständler. Als Vielfahrer profitieren sie von der verglichen mit Benzin vergünstigten Mineralölsteuer. Sie kauften Diesel, weil die als sparsam, leistungsstark und klimaschonend angepriesen wurden. Jetzt drohen Mobilitätsverlust und kalte Enteignung.

Auch Christian Wittrock, 49 Jahre und Berufsschullehrer, ist erneut Dieselopfer. Sein neuer weißer Volvo ist ebenfalls ein Diesel, abgasnormiert nach Euro 6. Ein Berliner Verbotsszenario könnte diesen bald quasi stilllegen. Wittrock pendelt jeden Tag 80 Kilometer von Grünau bis Spandau und zurück. Acht Jahre wollte er den Volvo fahren. „Ich werde es auf die Berliner Art machen“, kündigt er an, „also weiterfahren und hoffen, dass mich keiner erwischt.“

Die Wucht dieser millionenfachen Dieselfrage erfasst Konzerne, Politiker und die Bürger. Zahlen müssen Dieselbesitzer, Auto- und Gebrauchtwarenhändler, manche gar mit Insolvenz. Steuerzahler kommen auf für Steuererleichterungen, für Umwelt- und Umtauschprämien, staatliche Fördermaßnahmen und Umrüstprogramme sowie für die Gerichtsverfahren. Der Schaden für die deutsche Schlüsselindustrie mit Hunderttausenden Beschäftigten und das ganze Image „Made in Germany“ ist immer noch kaum abzusehen.

Was wurde aus der Erfolgsgeschichte Diesel?

Wer trägt daran die millionenfache und milliardenschwere Schuld? Eine betrügerische Autoindustrie, die kurzfristige Renditen verfolgt? Die sich antriebsstrategisch verschätzt und abfällt hinter Asien und den USA? Politiker, die kaum überblicken, dass sie ambitionierte Luftgrenzwerte beschließen und diese konterkarieren mit zu laxen Prüf- und Zulassungsverfahren und zu hohen Ausstoßgrenzwerten? Oder ein naiver grüner Traum von moralisch einwandfreier Mobilität?

Der Diesel war eigentlich eine Erfolgsgeschichte, zumindest in Europa. Hier liegt sein Marktanteil bei mehr als 50 Prozent. Im Rest der Welt spielt er kaum eine Rolle. Nach dem Zweiten Weltkrieg lag der Kontinent in Trümmern. Für den Wiederaufbau wollte Deutschland die Spritkosten für LKW niedrig halten. Geboren war die Idee, Diesel geringer als Benzin zu besteuern. Davon profitierten von den siebziger Jahren an auch die ersten Diesel-PKW. Ein Vorteil, den der Bundesrechnungshof bis heute anprangert.

Mit der Direkteinspritzung endete das langwierige Vorglühen, die „Rudolf-Diesel-Gedenkminute“. Dafür blieb die starke Rußentwicklung. Die Feinstaubdiskussion begann. Aus ihr erwuchs das Stickstoffdioxid-Problem: Denn Rußpartikelfilter produzieren giftiges NO2. Der Diesel war nie gut genug, zumindest nicht so gut, wie man vorgab. Der internationale Kampf um Geschwindigkeit wird nicht mehr nur in Stundenkilometern gemessen, sondern in Antworten auf eine Frage: Können deutsche Autobauer emissionslose, klimaneutrale und individuelle Mobilität?

Kampf auf EU-Ebene

Ein Teil des Kampfes wird lange schon hinter den EU-Kulissen ausgefochten. Es geht um Normen und Grenzwerte, um Messverfahren und Prüfzyklen. Politiker, Wirtschaftsvertreter und NGOs wussten Bescheid. Der Luftgrenzwert für Stickstoffdioxid kommt nicht unvermittelt, sondern ist seit 20 Jahren bekannt: 40 Mikrogramm sind es pro Kubikmeter Luft, die im Jahresmittel maximal erreicht werden dürfen.

Mit dabei war einst Jürgen Trittin. Ob der erste grüne Umweltminister 1999 ahnte, dass Christian Wittrock und Millionen anderer Dieselbesitzer heute nicht mehr in die Städte würden fahren dürfen? Trittin setzte sich damals auf EU-Ebene für Rußpartikelfilter ein. Und auch der NO2-Grenzwert tauchte in den Brüsseler Papieren auf. Die Regierung des „Autokanzlers“ Gerhard Schröder legte den NO2-Wert mit den anderen EU-Staaten fest, noch als „Richtwert“ und vor Gericht noch nicht einklagbar.

„Die Stickoxidgrenzwerte waren damals bei weitem nicht so umstritten“, sagt Trittin heute, 20 Jahre später. Keiner habe damals zudem die Auswirkungen auf die Gesundheit infrage gestellt. Als zu streng und falsch gemessen kritisieren Toxikologen und Politiker von FDP, AfD und der Groko nun den EU-Grenz­wert. Messstationen stünden falsch. Und tatsächlich messen einige Stationen nach EU-Recht viel zu nah am Verkehr. Selbst im umweltbewussten Kalifornien gelten bis zu 57 Mikrogramm für NO2. Die EU aber wünschte sich die seit 1986 in der Schweiz vorgeschriebenen 30 Mikrogramm. Die Autolobby, so erzählt man es heute in Brüssel, schaffte es noch, den Wert auf 40 zu heben. „Angesichts des damals entwickelten Lobbydrucks gegen Rußpartikelfilter kann man schlecht sagen, die Autoindustrie habe gepennt“, sagt Trittin.

Haben Sigmar Gabriel und Angela Merkel verschleppt?

Verbindlich wird der Grenzwert zehn Jahre später. Umgesetzt in nationales Recht wird die Richtlinie 2008/50/EG im Bundesimmissionsschutzgesetz, der Entscheidungsgrundlage für Gerichte bei Fahrverboten. „Es hätte spätestens ab hier Maßnahmen geben müssen, dafür zu sorgen, die Werte bei der Zulassung auch auf der Straße einzuhalten“, sagt Trittin. Rechnerisch klingt das einleuchtend. Wer einen ambitionierten Luftgrenzwert einhalten will, muss auch die Quelle streng regulieren, also den Ausstoß aus den Auspuffen.

Holger Krahmer (FDP) war 2008 im Europäischen Parlament Berichterstatter für die Luftqualitäts-Richtlinie. Er sagt heute: „Die EU-Kommission hat damals keine Folgenabschätzung gemacht.“ Mit welchen Instrumenten und welchem Aufwand der damals neu gesetzte NO2-Grenzwert in den Mitgliedstaaten zu erreichen ist, wurde nie ausreichend untersucht.“ Krahmer arbeitet heute für den Autokonzern Opel. Er betont, diese Ansicht schon damals vertreten zu haben.

Trittin hingegen gibt eine Mitschuld an heutigen Fahrverboten seinem SPD-Nachfolger im Umweltministerium. Sigmar Gabriel und Kanzlerin Angela Merkel hätten „nicht die ambitionierteren Verbrauchsobergrenzen für die Fahrzeuge im Rat blockieren dürfen“. Es war jene Zeit, als die beiden sich noch klimafreundlich präsentierten. Fotos zeigten Klimakanzlerin und Umweltminister in roten Expeditionsjacken vor grönländischer Eisschmelzkulisse. An Stickstoffdioxid dachte keiner. Im Gegenteil, man glaubte, die als Clean-Diesel beworbene Technologie werde den Klimaschutz mit noch mehr Autos „Made in Germany“ voranbringen. Eines von denen kaufte Christian Wittrock.

Die SPD zerreißt ihre Wählerschaft

Im Hintergrund rollte die NO2-Klagewelle heran. Für die Städte schindete man deshalb extra Fristverlängerungen bis Ende 2015 heraus. Luftreinhaltepläne sollten garantieren, den Grenzwert dann zu erreichen. Ohne Erfolg. Seit 2016 klagt die DUH nun ein, was politisch gewollt, aber kaum beachtet wurde. Im Wahlkampf 2017 empörte sich Gabriel, nun Außenminister, über Fahrverbote. Markig sozialdemokratisch klang das: „Nicht jeder kann sich ein neues Auto leisten.“

Wie sehr plötzlich die Herzen der Groko an Millionen Dieselfahrern zu hängen scheinen, zeigt der 2018 herrschende politische Aktionismus. Im hessischen Wahlkampf offenbarte Volker Bouffier unfreiwillig die Unlösbarkeit der Aufgabe: „Wir wollen die Grenzwerte einhalten. Wir wollen Fahrverbote vermeiden. Und wir wollen, dass Dieselbesitzern kein Schaden entsteht.“ Zu diesem Dreiklang stehe er.

Die SPD zerreißt derweil ihre Wählerschaft. Einen Erfolg für den Verbraucherschutz verbucht sie zwar für sich. Mit Heiko Maas und Katarina Barley trieben zwei SPDler im Justizministerium die Musterfeststellungsklage voran – tatsächlich für alle Verbraucher das wohl einzig positive Resultat im Dieselskandal. Klagt der Bundesverband der Verbraucherzentralen vor dem Oberlandesgericht Braunschweig gegen VW erfolgreich – auch Christian Wittrock könnte dann ohne Risiko klagen und auf Schadenersatz hoffen. Irgendwann.

SPD – mehr Autobauerpartei als Autofahrerpartei?

Bei den Hardware-Nachrüstungen aber blieb die SPD defensiv. Die eigene Bundesumweltministerin Svenja Schulze forderte, nicht Kunden, sondern Hersteller sollten die Kosten übernehmen. Doch man ließ sie in der NO2-Wolke stehen. In der SPD spricht man angesichts von Schulzes Forderungen hinter vorgehaltener Hand gar vom „absolut irrationalen Verhalten“ der „Frau aus NRW“. Anders als in Niedersachsen sind dort keine VW-Werke gefährdet, samt Wählerklientel der IG Metall.

Schulze bekommt Widerstand. Als quasi letzte Bastion der SPD hält das Land Niedersachsen mehr als 20 Prozent Anteile von Volkswagen. Im Arbeitsministerium sitzt mit Hubertus Heil ein Niedersachse mit wenig Interesse für Druck auf VW. Und die SPD-Bürgermeister der VW-Städte Braunschweig und Wolfsburg wollen keine erneuten Haushaltssperren verhängen wegen einbrechender Gewerbesteuereinnahmen.

Als Schulze im Groko-Dieselkompromiss unterlag, feierte der SPD-Abgeordnete Falko Mohrs das in einem Gastbeitrag bei Focus als „faire und tragfähige Lösung“. Der 34 Jahre alte Wolfsburger war selbst VW-Angestellter, ist Mitglied der IG Metall, sein Vater Klaus Mohrs SPD-Bürgermeister von Wolfsburg. Die SPD – mehr Autobauerpartei als Autofahrerpartei? Ausgerechnet die Grünen geben nun die Anwälte der Dieselbesitzer und fordern die volle Kostenübernahme der Nachrüstungen durch die Hersteller. Denn diese hätten den Motorschutz gezielt als Ausrede benutzt, um Abschalteinrichtungen zu rechtfertigen. Eine Position, die auch die EU-Kommission vertritt.

Die CSU steht seit vier Ministern auf der Bremse

Das Instrumentarium zur Lösung von Schulzes Umweltproblem liegt im seit 2009 CSU-geführten Verkehrsministerium. Der Wille, Dieselfahrern Sicherheit zu geben, aber scheint gering. Immerhin, Minister Scheuer lädt zu Dieselgipfeln. Das gab es früher nicht. Einbestellt werden die Chefs der deutschen Automobilhersteller, als seien sie zu rügende Botschafter unliebsamer Staaten. Im November wollte Scheuer dann Erfolg vermelden: Lange war er gegen Hardware-Nachrüstungen, jetzt aber sollen VW, Daimler und BMW bis zu 3000 Euro übernehmen wollen. Allerdings frühestens ab 2020. „Hardware-Umrüstungen wird der Volkswagen-Konzern nicht anbieten und Fahrzeughaltern auch nicht empfehlen“, schob VW nach. Lukratives Ziel bleibt: Die Fahrer sollen neue Autos kaufen. Dieses Mal den wirklich sauberen Diesel 6D Temp.

Dabei hätte das Bundesverkehrsministerium ein Druckmittel gegen die Hersteller. Ein internes Schreiben von 2016 an den damaligen Staatssekretär Michael Odenwald, das Cicero vorliegt, bestätigt: Bußgelder von bis zu 5000 Euro pro Fahrzeug könnten verhängt werden gegen „Hersteller, die unzulässige Abschalteinrichtungen in die Abgasnachbehandlungssysteme einbauen“ und diese „feilbieten, veräußern und in Verkehr bringen“. Bisher ordnete man nur Rückrufe an. Dabei stünde „das gesamte Spektrum des Verwaltungsrechts zur Verfügung“.

Die Kanzlerin verlegt den Grenzwert und hofft auf die EU

Der wohl dreisteste Satz zu den Fahrverboten stammt von der Bundeskanzlerin. Eine Woche vor der hessischen Landtagswahl verkündet sie, weil auch Frankfurt 2019 ein Fahrverbot einführen und Volker Bouffier noch gewinnen muss: „Wir glauben, dass in der Regel Fahrverbote nicht verhältnismäßig sind.“ Zumindest, wenn der Grenzwert nur gering bis zu 50 Mikrogramm überschritten werde. Weil der NO2-Wert in 51 deutschen Städten über 40, aber unter 50 liegt, wäre sie 51 Riesenprobleme los. Das Kabinett will das Bundesimmissionsschutzgesetz ändern. „Wenn sich die Regierung wirklich in diese Peinlichkeit begibt und das Gesetz verabschiedet, begeht sie schlicht EU-Rechtsbruch“, sagt Jürgen Resch, umstrittener Chef­ankläger der Deutschen Umwelthilfe. Er wird weiterklagen. 2019 könnten es 20 weitere Städte sein. Auf dem Bundesparteitag plant der CDU-Bezirksverband Nordwürttemberg nun die Gemeinnützigkeit der DUH infrage zu stellen. Ein weiteres erhofftes Mittel gegen Fahrverbote.

Um den Toleranzbereich des Grenzwertes bis 50 Mikrogramm auzuweiten, aber müsste die Groko die EU-Kommission überzeugen. Aus Brüsseler Kreisen heißt es, EU-Kommissar Günther Oettinger (CDU) habe dies versucht, sei aber abgeblitzt. Die Bundesregierung hoffe nun auf eine schwache rumänische EU-Ratspräsidentschaft 2019. Wütend warnt die polnische EU-Industriekommissarin, Elzbieta Bienkowska, die deutsche Regierung, nun gebrauchte Diesel nach Osteuropa zu exportieren und dort die Luft zu verschlechtern. Sie baut Druck auf und lud zum EU-Dieselgipfel. Andreas Scheuer aber sagte ab. Doch Merkels Chancen sinken. Die Kommission klagt längst gegen Deutschland, weil der Grenzwert nicht eingehalten wird und bislang keine geeigneten Maßnahmen ergriffen wurden. Merkels Verteidigung klingt kafkaesk: „Wir schrauben an keinem Grenzwert rum. Der gilt, das ist europäisches Recht.“

Das Geschacher um den Diesel ist intransparent

Einmal mehr ist das Geschacher um den Diesel völlig intransparent. In vielen Umfragen sind drei Viertel der Bürger weniger bis gar nicht zufrieden mit den Regierungsparteien. Zu wenig scheinen die demokratisch legitimierten Vertreter in der Lage, die Folgen des eigenen Handelns abzuschätzen. Der Diesel – er belastet nicht nur die Luft, sondern auch die Demokratie.

Im Wirtschaftsministerium heißt es über den Hausherrn Peter Altmaier, sein Frust über die Dieselmisere sei riesig. Man fühle sich von der Autoindustrie vorgeführt. Längst könnte der Grenzwert eingehalten werden, wenn die Hersteller, wie versprochen, mehr E-Autos gebaut hätten. VW immerhin investiert 44 Milliarden Euro in Elektroautowerke in Emden, Hannover und Zwickau. Bis 2025 will man mehr als 50 batterieelektrische Modelle fertigen. Die ganze Branche hofft nun auf Elektro für den Stadtverkehr. Für lange Strecken hält man am Verbrenner fest. E-Fuels für Benziner und Diesel sollen die Zukunft sein.

Ob Christian Wittrock jemals auf einen E-VW umsteigt, weiß er nicht. Erst will er entschädigt werden für den Betrugs-Touran und weiterfahren mit dem Volvo.


Dieser Text stammt aus der Dezember-Ausgabe des Cicero, die Sie am Kiosk oder in unserem Online-Shop erhalten.
















 

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