CO2-Kompensation - #techforfuture

„Extinction Rebellion“ und „Fridays for Future“ betreiben vor allem Symbolpolitik. Aber Öko-Radikalität und CO2-Preis helfen nicht aus der Klimakrise. Es braucht neue Technologien. Ein Plädoyer für mehr Vernunft

Mit neuen Technologien den Klimawandel eindämmen / picture alliance
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Autoreninfo

Nils Heisterhagen ist Sozialdemokrat und Publizist. Zuletzt sind von ihm im Dietz-Verlag erschienen: „Das Streben nach Freiheit“ und  „Die liberale Illusion“.

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Symbolpolitik beherrscht die Klimadebatte. Besonders deutlich ist das bei „Extinction Rebellion“. Sie setzen bewusst auf skurrile Kunstaktionen – wie zuletzt in Berlin. „Fridays for Future“, die sich mit „Scientist for Future“ zum Teil zusammengeschlossen haben, ist da noch konstruktiver und unterbreitet auch konkrete Vorschläge. Doch auch bei „Fridays for Future“ steht die Symbolpolitik im Zentrum. Immer geht es darum zu symbolisieren: Jetzt bedarf es mehr Öko-Radikalität.

Die veröffentlichte Meinung haben die Demonstranten da durchaus auf ihrer Seite – zumindest größere Teile der linksliberalen Publizistik. In einem Grundsatzessay zum Klima endete Bernd Ulrich von der Zeit so etwa gerade mit den Worten: „Zurzeit wird mit wachsender Verzweiflung gefragt, wie um alles in der Welt die Wende noch zu schaffen sein könnte. Nun: Es ist ja noch nie wirklich probiert worden.“ Der Tenor ist hier: Mehr Öko-Radikalität bitte. Nur wird bei der ganzen Klima-Radikalitäts-Prosa oft vergessen: „Wie“ denn jetzt genau?

Emotionen ohne Lösungen

Meine These ist: Diese ganze Symbolpolitik bringt wenig. Davon abgesehen, dass man Menschen mit Rufen nach mehr Radikalität und entsprechender Symbolpolitik auch auf den Baum treibt, und Geister ruft, von denen man nicht weiß, wie radikal sie noch werden – Extinction Rebellion ist ein Zeichen dafür, dass die Entwicklung gerade eher ungut ist –, ist Symbolpolitik eine Politik, die Emotionen anfacht, ohne Lösungen zu bieten. Noch mehr mediale Erhitzung und emotionale Entkopplung von der vernunftgeleiteten Debatte über die besten Lösungen, bringen die deutsche Demokratie in das falsche Fahrwasser.

Symbolpolitik rettet das Klima jedenfalls nicht. Ich halte das auch nicht einfach für eine These unter vielen Thesen. Ich halte das für einen Fakt. Vor allem eine kleine 80-Millionen-Seelen-Nation wie Deutschland, die lediglich 2 Prozent zum weltweiten CO2-Ausstoß beiträgt, kann die Welt nicht im Alleingang vor dem Klimawandel retten. Auf diesen Einwand, dass Deutschland ja zu klein sei, und daher die deutschen Anstrengungen eh nur ein Tropfen auf dem heißen Stein wären, entgegnet der Klimaaktivist in der Regel, dass Deutschland eben ein „grünes Vorbild“ sein müsse.

Kaum Vorbild für andere Länder

Aber wie denn? Ein „grünes Vorbild“ allein durch Symbolpolitik? Ein Vorbild dadurch, dass man die zentrale deutsche Industrie, nämlich die Autoindustrie, zum Beispiel mit Klimakiller-Plakaten über das Auto, mit einem Furor überzieht? Ein Vorbild dadurch, dass Postwachstumsideen aufkommen, die meinen, dass Ökologie im Zweifel wichtiger sei als Ökonomie? Ein Vorbild dadurch, dass auf einer identitätspolitisch-moralischen Ebene Gefolgschaft für die Idee geworben wird, dass man jetzt grüner werden muss – ohne einen Plan für den Weg dahin zu haben? Ein Vorbild dadurch, dass wir als Konsumenten irgendwie klimabewusster leben, uns vegan oder vegetarisch ernähren, weniger Plastik benutzen, und noch pflichtbewusster den Müll trennen?

Nein, so können wir kaum ein Vorbild für andere Länder werden. Wir können nur ein „grünes Vorbild“ werden, wenn wir einen technologischen „Green New Deal“ als Projekt begreifen. Die Klimafrage also in die „politische Ökonomie“ transportieren und am Ende grünes Wachstum erzeugen.

Fehlannahme in dem Diskurs

Warum in Deutschland vor allem die politische Linke das nicht genau so diskutiert, und sich stattdessen eher in diffusen Narrationen über die Klimagefahr und zudem in Symbolpolitik verliert, ist eine der größten Dummheiten innerhalb des gegenwärtigen politischen Diskurses.

Bevor wir beginnen zu klären, worin denn die Überlegenheit eines technologischen Ansatzes liegt, müssen wir noch ein Gegenargument ausräumen. Es geht etwa so: Mit der Erde ist nicht zu verhandeln und was nütze schon Reichtum, wenn die Ökologie kaputt ist und was bringen zudem die Jobs, wenn die Erde brennt? Technologie sei zu spät dran, jetzt müsse gehandelt werden. Aber wie soll nun gehandelt werden? Durch „Verzicht“, wie etwa Bernd Ulrich fordert? Durch eine radikale CO2-Bepreisung – wie des Öfteren vorgeschlagen?

Nichts gewonnen?

Wenn man hier mal nüchtern nachfragen darf: Was bringt Verzicht? Was bringt ein CO2-Preis von 180 Euro pro Tonne CO2? Wir würden in ein paar Jahren vielleicht nicht mehr 2 Prozent des weltweiten CO2 ausstoßen, sondern 1.5 Prozent. Aber die deutsche Wirtschaft würde darunter zerbrechen, und zwar sowohl der Konsum erodieren als auch die deutsche Industrie sich langsam ins Ausland verabschieden. Währenddessen wird sich in China, Malaysia, Mexiko, im Nahen Osten, in Afrika und so weiter wenig ändern.

Sie stoßen weiterhin kräftig CO2 aus. Manche wollen sich hier – gerade zumindest – nicht ändern und manche können es auch schlicht nicht. Letzteres liegt an schlichtem Governance-Versagen der Regierungen, etwa für Teile Asiens und Afrikas gilt das. Was lässt sich schon ein Fabrikbesitzer in Afrika von seiner Regierung erzählen? In der Regel nichts.

Die Konsequenz von deutschem Verzicht und extrem hoher CO2-Bepreisung wäre also, dass der CO2-Ausstoß sich kaum verändert, und das einzige Ergebnis ist, dass wir in Deutschland volkswirtschaftlich ärmer werden und individuell weniger besitzen. Nichts gewonnen also. Weder für Ökologie noch Ökonomie.

Wie wäre es also, wenn wir es mit einem Weg versuchen, der Ökologie und Ökonomie etwas bringt. Wir in Deutschland werden nur ein „grünes Vorbild“ sein können, wenn wir weiterhin Wachstum haben und sogar Weltmarktführer in grüner Technologie werden. Dann werden zu uns alle schauen und sagen: Die Deutschen zeigen, dass es geht.

Der Glaube an Technologie

Aber wie sähe ein Green New Deal eigentlich aus und worin besteht der Ansatz des #techforfuture dann genau?

1. Ein Glaube an Technologie ist berechtigt. Es gibt Technologien, die man nur weiter fördern muss. Etwa durchsichtige Solarzellen, die als Fenster Strom liefern könnten. So ein durchsichtiges Solarpanel zu entwickeln, ist gerade Forschern der Michigan State University gelungen. Dann gibt es Vertical Farming. Es gibt auch ein Schweizer Start-Up, das mit riesigen Luftfiltern Kohlenstoffdioxid aus der Luft fitern will. Selbst Stahl-Hersteller wollen auf Wasserstoff setzen und so ihre Produktion umbauen. In Hamburg soll bald die weltweit größte Anlage für Wasserstoff-Elektrolyse entstehen.

In grünem Wasserstoff liegt eine große Chance für Ökonomie und Ökologie. Zudem sind Power-to-X-Technologien bereits vorhanden. Power-to-X-Technologien machen es möglich Stromüberschüsse zu speichern. Energie kann damit verbraucht werden, wenn sie gebraucht wird und nicht, wenn die Sonne scheint oder der Wind weht. Auch über neue Alternativen der Kernenergie, wie die Kernfusion, wird zu wenig gesprochen und sie zu wenig gefördert.

Technologien sind durchaus da. Das muss man nur über eine konsequente „ökologische Industriepolitik“ viel besser unterstützen. Gerade mit Milliarden Euro. Institutionell sollte man zu dem eine Gründung einer grünen Innovationsagentur verfolgen. In der taz habe ich dazu bereits vor ein paar Monaten vorgeschlagen, dass man die deutsche staatliche Innovationsagentur „SprinD“, die nach dem Vorbild der Darpa, einer staatlichen Innovationsagentur aus den USA, gerade in der Gründung begriffen ist, um eine weitere Agentur ergänzt, und zwar nach dem Vorbild der Arpa-E, ebenfalls aus den USA, und die sich dann auf Innovationsförderung in der Umwelt- und Energietechnik konzentriert.

Förderung von MINT-Fachkräften

2. Es braucht eine massive Investitionsoffensive in das Bildungssystem. Vor allem für Naturwissenschaften. Der grüne Vordenker Ralf Fücks schrieb vor kurzem auf Twitter an die Adresse der „Klimakids“, dass sie doch Ingenieurswissenschaften, Physik, Chemie und Biologie studieren sollten. Das ist der Weg. Doch dafür muss das Bildungssystem die Voraussetzungen schaffen. Das Geld fehlt überall im deutschen Bildungswesen.

Zu dem kommt: Ein Fach wie „Technik“ gibt es an so gut wie keinem deutschen Gymnasium. Für ein deutsches Gymnasium müsste „Technik und Informatik“ Pflichtfach werden. Technologiefachkräfte müssen ausgebildet werden. Wenn Deutschland Klimamilliarden irgendwo gut anlegen kann, dann in der Förderung von MINT-Fachkräften.

Keine Idee im Klimapaket

3. Eine neue Forschungspolitik ist nötig. Es ist Zeit für eine Milliardenoffensive für Technik-Forschung. Das gilt für Universitäten. Aber es gilt umso mehr für die deutsche außeruniversitäre Forschungslandschaft. Deutschland hat mit den Fraunhofer-Instituten, den Leibniz-Instituten, der Helmholtz-Gemeinschaft und den Max-Planck-Instituten eine sehr gute außeruniversitäre Forschungslandschaft.

Natürlich sind unter den Instituten solche, die zu Umwelt- und Energietechnik forschen. Neben einem generellen Programm zu einer stärkeren Forschungsförderung, sollten weitere Klimamilliarden diesen Instituten zu Gute kommen. Warum sich im Klimapaket der Bundesregierung hierzu keine Idee und kein Multi-Milliardenprogramm findet, ist bei bestem Willen nicht verständlich.

Mit Technologie den Klimawandel langfristig stoppen, das geht. Aber man muss groß denken.

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