Civey-Chefin Janina Mütze - Digitale Empiria

Mit Online-Umfragen ihrer Firma Civey greift Janina Mütze etablierte Geschäftsmodelle traditioneller Umfrageinstitute an. Auch die neueste macht Schlagzeilen. Demnach glaubt nur jeder vierte SPD-Anhänger, dass Andrea Nahles die Partei retten kann. Es gibt Kritik an ihrer Methode. Doch darauf reagiert sie gelassen

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„Wenn ich schon 60 Stunden pro Woche arbeite, dann doch lieber für die eigenen Ideen“, sagt Janina Mütze / Götz Schleser
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Autoreninfo

Michael Hirz arbeitet als freier- Journalist und wohnt in Köln. Zuvor war er Programmgeschäftsführer beim Informationkanal Phoenix.

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Ob jemand Wetten auf ihren Erfolg abgegeben hat? Eine Gründerin in der Start-up-Szene? In der Digitalwirtschaft? Immerhin sind insbesondere Techfirmen nach wie vor ein recht sortenreiner Männerclub. Doch Janina Mütze – schneller Sprech und rasches Du – war bereits mit 24 Jahren Mitgründerin des Online-Umfrageinstituts Civey in Berlin. Und gegen alle Prognosen, gegen alle Klischees ist sie erfolgreich. Civey expandiert. Fast 60 Mitarbeiter sind mittlerweile im längst zu kleinen Kreuzberger Domizil beschäftigt. Die deutschsprachige Ausgabe des Wirtschaftsmagazins Forbes nahm die jetzt 28-Jährige in die Liste der „30 under 30“ auf. Jene 30 unter 30-Jährigen, wie es bei Forbes heißt, „leisten Großartiges“.

Mit Civeys Entwicklung sei sie „sehr zufrieden“, sagt Mütze. Damit bleibt sie branchenüblich ebenso im Nebulösen wie bei Angaben zum Umsatz. Sichtbar hingegen ist, wie Civey in kurzer Zeit mit seinen Online-Umfragen in Echtzeit den milliardenschweren Markt der etablierten Meinungsforschungsinstitute aufgemischt hat. Bislang dominierten hier Infas, Forschungsgruppe Wahlen, Forsa und andere. Statt telefonisch zu befragen, setzt das Start-up aufs Internet. 1,5 Millionen registrierte, laut Civey verifizierte, Nutzer des Portals liefern täglich große Datenmengen. Ein statistisches Verfahren gewichtet und soll zu allen möglichen Fragen zeigen, „was Deutschland denkt“: „Deutsche Umwelthilfe: Gemeinnützig oder nicht?“, „Abbiegen bei Rot: Grünpfeil nur für Radfahrer?“ oder „Zweites Referendum: Exit vom Brexit?“

Widerstand als Motor

20 Redaktionen – darunter Spiegel Online, Welt, Süddeutsche Zeitung und auch Cicero – arbeiten mit den Daten von Civey und haben auf ihren Webseiten das Umfragetool eingebettet. Auf den Angriff aus der Techbranche auf ihr traditionelles Geschäftsmodell mit Telefonumfragen reagierten Meinungsforscher teils verschnupft, teils aggressiv. Forsa und andere bezweifeln, dass Civeys Umfragen repräsentativ sind. Eine entsprechende Beschwerde beim Presserat wurde aber gerade abgeschmettert. In den USA etwa, so argumentiert Civey mitunter, nutzen Leitmedien wie die New York Times oder CBS längst Daten, die mit vergleichbarer Methodik generiert werden. Eine Methodendiskussion innerhalb der Branche soll den Streit nun schlichten. „Diese Angriffe der Mitbewerber treiben mich so wahnsinnig an. Darauf freue ich mich“, sagt Janina Mütze. „Die haben einen Technologiesprung verpasst und arbeiten mit einem überalterten Geschäftsmodell.“

Widerstand scheint ohnehin der Motor für sie zu sein. Dabei kommt Mütze aus einem, wie sie sagt, eher sicherheitsorientierten Elternhaus im Hessischen. Sie hätte es nach VWL-Studium und gelungenem Berufseinstieg als Referentin der Geschäftsführung eines Verbands ruhiger angehen lassen können. Sie entschied anders: „Wenn ich schon 60 Stunden pro Woche arbeite, dann doch lieber für die eigenen Ideen.“ Immer schon habe sie interessiert, was andere denken, welche Meinungen kursieren, wie die Gesellschaft tickt. Als Teenager war sie eine Zeit lang Juso-Mitglied, aber die SPD-Erfahrungen waren keine wirkliche Verführung zur politischen Karriere.

Furchtlosigkeit und kluge Kalkulation

In dieser Phase lernte sie auch Gerrit Richter kennen, der 2015 an einem neuen, technologiegetriebenen Ansatz für Umfragen arbeitete. Mütze begeisterte sich, kündigte ihren Verbandsjob und stieg als Co-Gründerin in das Projekt ein: Businesspläne, Anträge für kofinanzierte Mittel der EU von der Investitionsbank Berlin, Geldgeber überzeugen. Business­angels investierten, Gründer und Mitarbeiter nahmen private Kredite auf.

Es war eine Mischung aus Furchtlosigkeit, kluger Kalkulation und Unbedarftheit. „Wir waren anfangs natürlich auch wahnsinnig naiv und haben Fehler über Fehler gemacht: Bei Einstellungen, bei der Investorensuche, beim Vertriebs­aufbau. Wichtig war, dass jeder Fehler nur einmal passierte.“ Jung und weiblich zu sein, war dabei nicht unbedingt vorteilhaft: „Ich musste lernen, mich durchzusetzen. Das kollidierte schon mal mit dem Rollenbild einer jungen Frau.“ Diese Erfahrung macht sie auch heute noch, wenn sie auf Tagungen zum Beispiel von Mittelständlern spricht. „Da bin ich oft die einzige Frau im Raum, und die halten mich erst mal für eine Praktikantin.“ Auch deshalb engagiert sich Janina Mütze heute wieder in einem Verband, dem Bundesverband für Start-ups. Frauen fördern? Ihre Antwort bei einer Civey-Umfrage wäre klar.

Dies ist ein Artikel aus der Februar-Ausgabe des Cicero, die Sie ab am Kiosk oder in unserem Online-Shop erhalten.













 

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