Solidarität und Gerechtigkeit sind die Grundwerte der Sozialdemokratie überhaupt. Mit der „Teilabschaffung“ des Solidaritätszuschlags verrät die SPD diese Prinzipien. Eine Reichensteuer durch die Hintertür einzuführen, ist feige
Peter Altmaier konnte sich nicht gegen Olaf Scholz durchsetzen / picture alliance
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Christoph Schwennicke war bis 2020 Chefredakteur des Magazins Cicero.
Eine Nacht drüber geschlafen. Aber das Gefühl geht nicht weg. Das Gefühl, nein: die Überzeugung, dass das so überhaupt nicht geht, was die Bundesregierung in Sachen Solidaritätszuschlag beschlossen hat.
„Teilabschaffung des Soli“, das tut sprachlich und logisch weh. Sprache und Logik haben einen engen inneren Zusammenhang. Wer logisch spricht, denkt logisch. Und diese Wortkombination ist inhaltlich zutiefst unlogisch und daher auch sprachlich eine Zumutung.
Wer viel vedient, zahlte mehr
Solidarität besagt, dass alle zusammen aus akuter Notwendigkeit etwas für manche tun. In diesem Fall: Alle Steuerzahler etwas für den Osten des Landes. Seit 1998 sind (es waren auch mal etwas andere Sätze) 5,5 Prozent auf die Einkommens- und Körperschaftssteuer erhoben worden. Gute 400 Milliarden Euro sind so im Zuge des Solidarpakts zusammen- und dem Osten und dessen Aufbau zugute gekommen.
Ein jeder zahlte nach seinen Möglichkeiten. Wer viel verdient, zahlte mehr, wer wenig verdiente, zahlte weniger. Fair enough.
Billig einen Robin-Hood-Reflex bedienen
Nun aber wird vorsätzlich entsolidarisiert. Ein Großteil der arbeitenden Bevölkerung wird 2021 von der Abgabe befreit (hier lesen Sie, in welcher Höhe Sie profitieren) die Bestverdiener müssen die Abgabe weiter entrichten. Das ist das Gegenteil von Solidarität und das Gegenteil von Gerechtigkeit, die die SPD sonst so gerne groß schreibt. Die SPD verhöhnt Solidarität und Gerechtigkeit, zwei Werte, die sie sonst immer besonders hoch hält, die ihren Wesenskern bilden.
Aber eben nicht, wenn es gegen die bösen Reichen geht. Ein ganz billiger Robin-Hood-Reflex wird da vom Spitzenkandidaten für den Parteivorsitz und amtierenden Finanzminister Olaf Scholz bedient. Es ist eine Schmach für die Union, eine Schmach insbesondere für Wirtschaftsminister Peter Altmaier, dass sie diesen primitiven sozialdemokratischen Anti-Reichen-Reflex mitmacht.
FDP und AfD ist somit Erfolg zu wünschen
Die Wahrheit ist ganz schlicht die: Eine höhere Einkommensteuer in den oberen Bereichen (über die man nachdenken kann, die man auch machen kann), hat die SPD gegen die Union nicht durchgekriegt. Jetzt führt sie diese höhere Einkommensteuer aber durch die Besenkammer ein. Das ist politisch schäbig. Und eine politische Zweckentfremdung einer zutiefst zweckgebundenen Abgabe.
Den angekündigten Klagen von FDP und AfD ist vor dem Bundesverfassungsgericht ist deshalb Erfolg zu wünschen. Leider ist beim Recht, präziser: in der Rechtsprechung der innere Zusammenhang zur Logik nicht so groß wie bei der Sprache. Vielmehr erscheinen in der Rechtssprechung Logik und gesunder Menschenverstand wie andere Welten. Möge es in diesem Fall bitte einmal nicht so sein.