Trumps Protektionismus - „Es zeigt sich, wie töricht Berlin war“

Die USA haben einst das freie Welthandelssystem nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelt. Kaum einer hat davon mehr profitiert als Deutschland. An Trumps wirtschaftspolitischer Kehrtwende trägt die deutsche Regierung eine Mitschuld, schreibt der ehemalige Außenminister Joschka Fischer. Ein Fundstück

Der ehemalige Außenminister Joschka Fischer kritisiert die Ignoranz Berlins / picture alliance
Anzeige

Autoreninfo

Bastian Brauns leitete das Wirtschaftsressort „Kapital“ bei Cicero von 2017 bis 2021. Zuvor war er Wirtschaftsredakteur bei Zeit Online und bei der Stiftung Warentest. Seine journalistische Ausbildung absolvierte er an der Henri-Nannen-Schule.

So erreichen Sie Bastian Brauns:

Anzeige

Vom Export seiner Produkte ist kaum ein anderes Land in der Europäischen Union so abhängig wie Deutschland. So weit, so bekannt. Allzu lang aber haben deutsche Regierungen es sich zu bequem gemacht in der Rolle des Exportweltmeisters. Jedes Jahr aufs Neue erzielten wir Außenhandelsüberschüsse. In einem Beitrag für das Project Syndicate – the world's opinion page kritisiert nun der ehemalige Außenminister Joschka Fischer diese langjährige „Ignoranz“ Berlins gegenüber der Kritik auch von befreundeten Staaten.

Jetzt müsse Deutschland – auch wenn es vorerst ausgenommen ist von Strafzöllen durch die Trump-Administration – damit umgehen, dass ausgerechnet die USA als Begründer des freien Welthandels zu einer Politik des Protektionismus zurückkehrten. Seit heute nun erhebt China als Reaktion Strafzölle auf mehr als hundert US-Produkte. Mit unabsehbaren Folgen auch für Deutschland, selbst wenn sich der Handelskrieg vorerst nur zwischen der Großmächten USA und China abspielt. Hätten die deutschen Regierungen die Mahnungen ernst genommen und etwa verstärkt im Inland investiert, schreibt Fischer: „Deutschland wäre dadurch heute in einer stärkeren, weniger angreifbaren Position.“

Die kommenden Probleme skizziert Fischer so: Infolge der Abkehr der USA werde die EU näher in Richtung China geschoben und sei eigentlich weder im Interesse der Europäer noch der USA:

„Das Ausgreifen Chinas in Richtung Europa mit seiner strategischen Initiative der neuen Seidenstraße wird  die Europäer von sich aus verstärkt vor die neue Alternative zwischen Eurasien (Ostorientierung) und Transatlantismus (Westorientierung) stellen. Diese Alternative auszubalancieren wird für Europa in Zukunft alles andere als einfach werden. Dabei geht es nicht mehr an erster Stelle um Russland, sondern um die neue Weltmacht China.

Angesichts dieses Wettlaufs zwischen den beiden Großmächten werde Europa in den kommenden Monaten erleben müssen, schreibt Fischer, wie schwach es tatsächlich sei in einer Welt, in der sich sein wichtigster Verbündeter und seine bisherige Schutzmacht abwende. Umso wichtiger sei deshalb nun entschiedenes und gemeinsames Handeln der EU. Besonders Deutschland werde sonst aufgrund der handelspolitischen Abhängigkeiten und der Machtverhältnisse nur zu den Verlierern gehören.

Den ganzen Gastbeitrag von Fischer gibt es auf Deutsch, Englisch, Arabisch, Französisch, Russisch, Spanisch und Niederländisch.

Mit unseren „Fundstücken“ wollen wir in loser Folge auf außergewöhnliche Standpunkte aus dem Netz und anderswo hinweisen.

Anzeige