Antisemitismus-Skandal - Documenta-Geschäftsführerin legt ihr Amt nieder

Die Documenta 15 hat zu Beginn ein antisemitisches Kunstwerk gezeigt. Nach einer Nachtsitzung des Aufsichtsrats ist nun eine erste personelle Konsequenz gezogen worden. Generaldirektorin Sabine Schormann hat ihr Amt niedergelegt.

Sabine Schormann / dpa
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Der Schritt ist lange erwartet worden: Nach dem Antisemitismus-Skandal bei der Documenta 15 hat die Generaldirektorin der Ausstellung, Sabine Schormann, heute ihr Amt niedergelegt. Der öffentliche Druck wird wohl am Ende nicht mehr auszuhalten gewesen sein, nachdem in den vergangenen Wochen bereits immer wieder Rücktrittsforderungen gegen die 60-Jährige erhoben wurden und zuletzt auch Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Bündnis 90/Die Grünen) öffentlich auf Distanz zu Schormann gegangen ist.

Der Generaldirektorin, die 2018 nach einem finanziellen Debakel rund um die Documenta von Adam Szymczyk ins Amt gekommen war, wurde zuletzt immer wieder Untätigkeit bei der Aufarbeitung des Skandals um ein Banner mit dem Titel People's Justice des Künstlerkollektivs Taring Padi vorgeworfen. Das Bildwerk, das mittlerweile abmontiert wurde, zeigt eine eindeutig antisemitische Bildsprache, mit der auch der Documenta erheblichen Schaden zugefügt worden ist. Zuletzt etwa zogen namhafte Künstler wie Hito Steyerl ihre Arbeiten von der weltweit wohl noch immer wichtigsten Schau für Gegenwartskunst ab. Aufsichtsrat und Gesellschafter haben sich mit Schormann daher verständigt, den Dienstvertrag kurzfristig aufzulösen, wie das Kontrollgremium am Samstag in Kassel mitteilte. Es werde zunächst eine Interimsnachfolge angestrebt.

Eine Ausstellung, viele Skandale

Dabei war der Skandal um die Arbeiten von Taring Padi wahrlich nicht der erste und einzige Tiefpunkt dieser Documenta 15. Schon Monate zuvor hatte es Antisemitismus-Vorwürfe gegen das kuratierende Künstlerkollektiv Ruangrupa aus Indonesien gegeben. Stein des Anstoßes war damals unter anderem die Einladung des umstrittenen palästinensischen Künstlerkollektiv The Question of Funding sowie eine generell recht willkürliche Auswahl der zumeist vollkommen unbekannten Künstler.

Sabine Schormann zeigte sich gegen derlei Kritik lange Zeit immun: Man habe mit den ausgewählten Künstlern die „postkoloniale Perspektive des globalen Südens“ nach Kassel holen wollen, rechtfertigte sich die Geschäftsführerin noch bei der Eröffnung. Doch vielleicht hat sie die kommenden Kontroversen schon damals geahnt: „Eine Documenta birgt auch immer die Gefahr des Nicht-Gelingens“, so Schormann vor einigen Wochen. Ein Satz wie ein Sicherheitsfallschirm. Schließlich hat es bis dato noch nie eine Documenta gegeben, die derart auf Prozess und Entwicklung, ebenso aber auch auf ideologischen Überschuss gesetzt hat wie eben diese von Schormann und Ruangrupa.

Der Name Documenta jedenfalls ist angekratzt. In Kassel, wo seit dem Jahr 1955, dem Gründungsjahr der von Arnold Bode initiierten Weltkunstausstellung, immer wieder das Avantgardistischste gefeiert wurde, was die zeitgenössische Kunst zum jeweiligen Bestandsdatum zu bieten hatte, muss man um seinen guten Ruf fürchten. 2017 bereits musste Schormanns Vorgängerin Annette Kulenkampf ihr Amt wegen eines Millionendefizits bei der documenta 14 niederlegen. Nun also der Antisemitismus-Abgang. Schormanns Konsequenz daraus ist richtig. Leider aber viel zu spät.

dpa/han

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