„Ich hasse Männer“ - Wozu Aufklärung, wenn ich fühle, wie es ist?

„Ich hasse Männer“, so heißt das neue Buch einer jungen französischen Autorin. Wie nicht anders zu erwarten, ist das Feuilleton entzückt. Warum das nichts heißt und das Buch die Bäume nicht wert ist, die für es gefällt wurden.

Männer zu hassen ist einfach und profitabel / Foto: Monstrograph
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Autoreninfo

Prof. Dr. Michael Klein (Köln), Psychologischer Psychotherapeut, befasst sich seit 30 Jahren mit Geschlechter- beziehungen, Männerpsychologie und Gewaltprävention.  

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Derzeit macht ein Büchlein mit dem Titel „Ich hasse Männer“ in den Feuilletons Furore, das dünner nicht sein könnte. 110 Seiten im DIN A6 Format, aber das ist nicht die einzige Dünnheit.

Die französische Autorin, 25 Jahre und bekennende Feministin, wie das in dieser Altersgruppe inzwischen für etwa ein Viertel aller Frauen zum guten Ton gehört, breitet in einem nicht endenden Monolog aus, wieso sie Männer hassen darf, ja sogar muss, bis auf den eigenen Mann. Der wird dann später als vertrottelt und mittelmäßig, aber alles andere als sexuell aktiv beschrieben.

Alles nur eine spätpubertäre Krise?

Die Autorin bekennt – scheinbar freimütig – wie unsicher und voller Selbstzweifel sie als junges Mädchen war. Das ist nicht ungewöhnlich, und vielen Jungen geht es in der Pubertät ähnlich. Nicht umsonst gilt die Pubertät für Jugendliche als schwierige Entwicklungsaufgabe. Die Autorin meint, dass sie als erwachsene Frau nunmehr tagtäglich mit der grenzenlosen Gleichgültigkeit der Männer gegenüber den Frauen konfrontiert ist.

Woher sie diese Wahrnehmung nimmt, bleibt offen. Es kann nur ihre einzig subjektive, idiosynkratrische Weltsicht und spezielle Männersicht sein. Sozusagen eine angeborene oder erworbene Aversion gegenüber Männern. Aber woher kommt so etwas?

Verschrobene, verdorbene Wesen 

Insbesondere wenn die Autorin nicht Opfer einer psychischen Traumatisierung oder ähnlich schlimmer Ereignisse wurde? Es ist nicht unwahrscheinlich, dass es einzig das Resultat einer Filterblase in den entsprechenden sozialen Netzwerken ist. Ihre Hoffnung ist, dass Männer massenhaft erkennen, was für verschrobene, verdorbene Wesen sie im Patriarchat und durch das Patriarchat geworden sind – und sich final bekehren.

Hin zu ihrem Weltbild eben. Was auch sonst! Kein Zweifel, so etwas kann man denken und glauben. Es sagt aber mehr über die Autorin und ihre kognitiven Prozesse aus als über die komplette männliche Zielgruppe, die – und das muss man zugeben – eindeutig heterogener ist, als es suggeriert wird.

Schadensfreier Hass – so etwas gibt es nicht

Zwischendurch schreibt die Autorin, „wir schaden schließlich niemandem, wenn wir Männer hassen“. Auch dies entpuppt sich bei näherem Hinsehen als Selbst- und vor allem Fremdbetrug, sogar als ein gefährlicher, da Hassgefühle in sozialen Gemeinschaften sehr negative Spuren hinterlassen, egal von welchem Geschlecht sie kommen. Und in der Kindererziehung – die Autorin ist nicht Mutter und hat wohl auch nicht die Absicht, es zu werden – kann ein an kleine Jungen vermitteltes „toxisches Männerbild“ verheerende Spuren hinterlassen, wie inzwischen immer deutlicher wird.

Die kanadische Professorin Janice Fiamengo, die sich mit den Auswirkungen einer überwiegend männerfeindlichen gesellschaftlichen Ideologie auf heranwachsende Jungen beschäftigt, beschreibt diese Gefahr sehr klar. Mit einem Hauch von Dialektik, beruhigt uns die Autorin, dass sie im Kern keine „Männerfeindin“ sei, um kurz darauf klar zu machen, dass die Misandrie etwas Notwendiges ist und weltanschaulich nicht mit der Misogynie zu vergleichen ist.

In ihrem sehr geschlossenen Weltbild ist das Feminine qualitativ nicht mit anderen Lebewesen vergleichbar. Und schon gar nicht mit Männern. Frauen sind gleichsam etwas feinstaublich Einzigartiges. Darauf läuft es hinaus. Auf dünnen 110 Seiten. Früher machten sich Feministinnen vom Schlage einer Simone de Beauvoir, Judith Butler oder Alice Schwarzer noch unendliche geistige Mühen, ihre Argumente zu begründen und zu legitimieren.

Die Kraft der hasserfüllten Emotion ist alles, was zählt!

Heute geht das mit der Kraft der Emotion. Und das geht dann etwa so: Was ich fühle, ist richtig, also kann ich mir damit die Welt erklären. Ich bin Hassistin und kann nichts dafür, ich finde es sogar gut. Wozu Aufklärung, Verstand, Reflexion, wenn ich fühle, wie es ist?

Es folgt dann konsequenterweise die Aufforderung „Frauen, lasst Eure Wut heraus!“. Mir persönlich fällt nach mehr als 60 Jahren Lebenserfahrung und gut 30 Jahren Berufserfahrung als Psychotherapeut eine hohe dreistellige Zahl von Frauen ein, die dies mehr oder weniger meisterhaft verstehen. Und eines der interessantesten Werke für Betroffene in der Psychotherapie hat den tiefgründigen Namen „Ich hasse Dich, verlass mich nicht!“

Wo vorher Weinen war, ist jetzt Schreien 

So ähnlich könnte es der Autorin gehen. Denn ohne Männer wären die Projektionsflächen ihrer heftigen Emotionen auf einmal verschwunden, und die Welt wäre nicht perfekt, sondern leer, auch wenn sie die Schwesterlichkeit idealisiert. Um das Innenleben intensiver Schwesterlichkeit zu studieren, genügt eine Inspektion der Erfahrungen im Bereich rein fraulicher Gesellschaften, wie etwa Nonnenklostern, um aufzuweisen, dass dies alles andere als der Himmel auf Erden ist.

Die Autorin bekennt dann, dass sie erst als Feministin ihre Wut spüren und dann auch auszudrücken lernte. Wo vorher Weinen war, sei jetzt Schreien. Der moderne Feminismus gleichsam als feministische Psychotherapie. Auch das ist nicht neu. Eher ist die Frage berechtigt, wohin es führt. Eine gespaltene, hasserfüllte und unversöhnliche Gesellschaft könnte die naheliegende Antwort sein.

Jeder hat das Recht auf seine Filterblase 

Das Private ist politisch und öffentlich sowieso. Dass dies nicht immer von Vorteil ist, zeigt auch das dünne lila Büchlein. Nicht alles, was gedacht wird, muss aufgeschrieben und veröffentlicht werden, nicht alles, was gefühlt wird, muss für andere stimmig sein. Aber jeder hat das Recht auf seine Filterblase.

Es folgt – und spätestens jetzt beginnt die Langeweile – eine Ausführung, dass Männer mittelmäßig seien und Frauen eben anders. Wenn die Autorin sich außerhalb ihrer Welt umgeschaut hätte, wüsste sie, dass Männer sich in fast allen psychischen Merkmalen gerade dadurch unterscheiden, dass sie größere Heterogenität als Frauen aufweisen.

Vom Mathegenie zum Soziopathen  

Vom Mathe- oder Musikgenie auf der einen bis zum Soziopathen oder extremen Autisten auf der anderen Seite. Und sorry, aber Faktum: Zwei Drittel aller Menschen mit einem IQ von mehr als 130 sind Männer.

Aber eben auch auf der anderen Seite bei einem IQ von kleiner als 70 herrscht Männerüberschuss. Immer sind es mehr Männer als Frauen – die Extremitätstheorie der Entwicklungspsychologie. Ob das nun gut oder schlecht ist, ist eine reine Bewertungsfrage. Aber eines ist klar. Männer sind alles andere als mittelmäßig.

Verstand ist besser als Hass

Und Männer wollen immer Recht haben, Frauen dominieren, baden in Privilegien undsoweiter. Spätestens jetzt lohnt es sich, aus der Lektüre auszusteigen. Aber da ist das dünne Büchlein auch schon fast zu Ende. Was können Männer also daraus lernen? Erstens mal: Sensationell klingende Bücher braucht man nicht wirklich zu lesen.

Und zweitens und vor allem: Es ist besser, Menschen nicht gruppenbezogen zu hassen, es ist gut, seinen Verstand in hinreichendem Maße zu gebrauchen, es ist vorteilhaft, Empathie und Einfühlungsvermögen zu trainieren. Das lehrt schon die Geschichte der letzten paar 100 Jahre. Und obendrein ist es manchmal besser zu schweigen und nicht jeden Impuls in die Welt hinauszuposaunen und vor allem: Der Humanismus war und ist eine großartige Errungenschaft und nützlicher als jeder Feminismus oder Maskulismus.

Misandrie ist salonfähig – Humanismus gerät ins Hintertreffen

Und eine kleine Fußnote am Ende: Es ist besser, sich sein Geld mit nicht-hassistischer Arbeit zu verdienen. Solche dünnen Büchlein mit hetzerischem Titel und kakophonem Inhalt zerstören unnötig finnische Wälder. Dass sich solche Buchtitel überhaupt gut verkaufen, ist Ausdruck eines bedenklichen Zeitgeistes am Anfang des 21. Jahrhunderts.

Männer gruppenbezogen zu kritisieren oder gar zu vergiften, ist modern und verkauft sich vorzüglich. Und es befüllt die Feuilletons in Zeitungen, Radio und Fernsehen, ohne dass diese sich selbst in ihrer grassierenden Misandrie reflektieren. Hass zu verbreiten – in welcher Form auch immer – sollte doch einmal Straftatbestand werden?

Hereingefallen auf einen uralten Trick

Aber das zählt hier sicher nicht, da es sich vorgeblich um literarische Kunst handelt (siehe das Entzücken der Feuilletons). Dass die Feuilletons das dünne Büchlein so schwer nehmen, liegt daran, dass sie mal wieder auf den uralten Trick der Provokation hineinfallen. Je lauter getrommelt wird, desto mehr sind reaktive Blähungen zu vernehmen.

Was können wohlwollende und um Hassreduktion bemühte Männer und Frauen tun? Meditieren Sie zum gerade umfallenden Reissack in China und erkennen Sie, was wirklich wichtig ist auf dieser Welt. Schulen Sie alle – ob Frau, ob Mann - Ihre Menschenfreundlichkeit und Philanthropie weiter! Und dazu gehört auch die Philogynie, die Vorliebe für Frauen. Das ist am Ende des Tages das, was wirklich zählt.

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