ZDF - Leider nein, Herr Frey!

Der ZDF-Chefredakteur sieht die politische Ausgewogenheit in seinem Sender gegeben. Leider stimmt das nicht. Und wer vor Björn Höcke vorauseilend kapituliert, misstraut der Mündigkeit des Publikums

Kein Vertrauen in die Kraft des Arguments: ZDF-Chefredakteur Peter Frey / picture alliance
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Alexander Kissler ist Redakteur im Berliner Büro der NZZ. Zuvor war er Ressortleiter Salon beim Magazin Cicero. Er verfasste zahlreiche Sachbücher, u.a. „Dummgeglotzt. Wie das Fernsehen uns verblödet“, „Keine Toleranz den Intoleranten. Warum der Westen seine Werte verteidigen muss“ und „Widerworte. Warum mit Phrasen Schluss sein muss“.

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Drei Wörter werden bleiben vom Interview mit ZDF-Chefredakteur Peter Frey, das Die Zeit nun veröffentlichte: „Störgefühl“, „Gerede“ und ein finales „Nein“. Alle drei Wörter hängen zusammen und addieren sich zu einem sehr gemischten Gesamteindruck: Dass der Chefredakteur einerseits offen ist für Gespräch, Diskurs und Argumente, dass er bereit ist, wirklich zuzuhören. Andererseits hält Frey an einem idealisierten Bild seines Senders fest, das durch die mediale Wirklichkeit an vielen Stellen widerlegt worden ist.

Und täglich widerlegt wird. Einen Tag nämlich nach dem Zeit-Interview wurde die Auswertung des jüngsten öffentlich-rechtlichen Talkshow-Jahrgangs publik. Demnach war die von ARD und ZDF gemeinsam gekürte Königin der Einladungen Annalena Baerbock, die Ko-Vorsitzende der Grünen. Sie beerbte in der Spitzenposition ihren Vorstandskollegen Robert Habeck, der 2018 am häufigsten eingeladen worden war. Niemanden lassen ARD und ZDF in ihren Talkshows so gern zu Wort kommen wie das grüne Spitzenpersonal. Die derzeit im Bundestag stärkste Oppositionspartei, die AfD, ist weiterhin „stark unterrepräsentiert“.

Krater im Programmauftrag

Insofern gibt es handfeste Gründe für ein „Störgefühl“, das keineswegs auf „Gerede“ beruht. Zu Recht diagnostiziert und bedauert Peter Frey ein „Störgefühl bei einem Teil der Bevölkerung“. Die „Glaubwürdigkeit“ der Öffentlich-Rechtlichen habe besonders im Osten Deutschenlands gelitten. Zu Unrecht stellt Peter Frey sich den hierfür verantwortlichen Tatsachen nicht, relativiert sie zum bloßen „Gerede, der deutsche Journalistenstand hätte einen rot-grünen Einschlag.“ Nein, Herr Frey.

Diesen linken Einschlag gibt es, und er sorgt für Krater im Programmauftrag. Man vergleiche den freundlichen Umgang, dessen sich fast alle grünen Themen, fast alle grünen Politiker im ZDF erfreuen, mit der unangenehm inquisitorischen Art, die Claus Kleber dem damaligen österreichischen Bundeskanzler Sebastian Kurz im ZDF-„heute journal“ angedeihen ließ. Oder mit der wetterfesten Abneigung gegen Donald Trump, die sich bei Marietta Slomka zum Spruch verdichtete, „soweit man weiß“, ließen die USA keine Auftragsmorde verüben. Man schaue auf die samtpfötige Befragung von Robert Habeck im ZDF-„Sommerinterview“, über die sich die an gleicher Stelle harsch zur Rede gestellten Parteichefs Christian Lindner und Jörg Meuthen gefreut hätten. Und es war das ZDF, in dem AfD-Abgeordneten die alberne Frage vorgelegt wurde, ob von Adolf Hitler oder Björn Höcke dieses oder jenes Zitat stamme.

Framing als Maßstab

Man muss also nicht zurückkehren zur immer wieder zitierten Studie der Freien Universität Berlin aus dem Jahr 2010, wonach der überwiegende Teil der politischen Journalisten laut eigener Aussage mit den „Grünen“ sympathisiere, gefolgt von der SPD. Die damals erhobene Gewichtung dürfte sich verfestigt haben, nimmt man das heute dominierende Framing zum Maßstab.

In der vorvergangenen Woche schrieb der vernehmbar nach links gerückte Deutschlandfunk in einer Nachrichtenmeldung: „Entgegen aller Versprechungen nimmt der weltweite CO2-Ausstoß weiter zu“. Davon abgesehen, dass „entgegen“ den Dativ verlangt, wird durch das polemische Hauptwort „Versprechungen“ statt der neutralen Begriffe „Versprechen“ oder „Zusage“ ein plumpes Vorurteil bedient: Politiker lügen, dass sich die Balken biegen.

Kein Vertrauen in die Kraft des Arguments

Peter Freys letztes Wort war ein „Nein“ auf die Frage, ob Björn Höcke „noch ein möglicher Talkshow-Gast“ sei. Das ZDF will den Thüringer Landesvorsitzenden der AfD in keine Talkshow einladen. Es ist das gute Recht jedes Mediums, jeder Redaktion, sich gewisse Gäste zu verbitten. Kein Politiker hat Anspruch darauf, in Radio oder Fernsehen oder Presse befragt zu werden. Bei Höcke kommt hinzu, dass der Rechtsaußen schon genug törichtes, bedenkliches, schlimmes Zeug von sich gegeben hat. Selbst der Chefredakteur der rechtskonservativen Wochenzeitung Junge Freiheit nannte Höcke ein „ideologisches Irrlicht“, das in „Endzeit- oder Erlösungsphantasien“ schwelge, und setzte über den Totalverriss von dessen Bekenntnisbuch die sarkastische Zeile: „Der bescheidene Weltenlenker“. 

Die programmatische Nichteinladung erweckt den falschen Eindruck, dem Wirrkopf Höcke sei in offener Diskussion nicht beizukommen. Der Bannspruch erhöht ihn zum klugen Demagogen, der er nicht ist. Warum ist das Vertrauen in die Kraft des Arguments und die Mündigkeit der Zuschauer oft bei jenen so schwach ausgeprägt, die sich so gerne auf sie berufen?

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