Deutsche Weinkultur - Wer Weißwein mag, kommt an Silvaner nicht vorbei

Der Klimawandel macht den Winzern zu schaffen. Doch noch entstehen in Deutschland großartige trockene Weißweine. Das muss nicht immer Riesling sein, auch der Silvaner verdient gebührende Wertschätzung, findet Rainer Balcerowiak.

Ein deutsches Kulturgut: Der Weißwein / dpa
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Autoreninfo

Rainer Balcerowiak ist Journalist und Autor und wohnt in Berlin. Im Februar 2017 erschien von ihm „Die Heuchelei von der Reform: Wie die Politik Meinungen macht, desinformiert und falsche Hoffnungen weckt (edition berolina). Er betreibt den Blog „Genuss ist Notwehr“.

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Die Weinernte ist in vielen deutschen Anbaugebieten noch in vollem Gange. Sie begann oftmals früher als „normal“, aber was ist in Zeiten des Klimawandels schon normal. Zunehmende, extreme Wetterlagen machen vielen Winzern zu schaffen, vor allem extreme Hitze- und Trockenperioden. Für die Winzer ist das ein schmaler Grat: Ernten sie zu früh, könnte die Aromatik der Weine noch nicht voll entwickelt und austariert sein. Ernten sie zu spät, haben die Trauben möglicherweise enorme Zuckergehalte, was dann bei trockenen Weinen zu unerwünscht hohen Alkoholgehalten führt. Für einige besonders dem hiesigem Normalklima angepasste Sorten, wie etwa Riesling, könnte es allmählich eng werden in Deutschland.

Deutscher Weißwein - ein Kulturgut

„Klimaleugner“ wird man unter Winzern wohl kaum finden. Noch suchen und finden sie immer neue Stellschrauben, um auf den Klimawandel zu reagieren, etwa Umstellung auf andere Sorten, Kultivierung von Weinbergen mit weniger Sonnenexposition, Bewässerung sowie Maßnahmen im Weinberg zur Reifeverzögerung. Und noch gibt es sie: Trockene deutsche Weißweine, leicht, frisch, mit feiner Aromatik und angemessener Säure und wie geschaffen als wunderbare Essensbegleiter. Eine Facette der globalen Weinkultur, um die uns die gesamte Weinwelt zur Recht beneidet. Und zusammen mit den unvergleichlichen Weinlandschaften, etwa an Rhein und Mosel, darf man das getrost als kostbares Kulturgut bezeichnen

Diejenigen Winzer, die einigermaßen gut durch die Wetterkapriolen des Frühjahrs und des Sommers gekommen sind, bekommen manchmal leuchtende Augen, wenn sie an den kommenden Jahrgang denken, der jetzt in Fässern und Tanks vor sich hingärt. Die meisten Weißweine werden im Frühjahr abgefüllt. Viele sind dann auch trinkreif, einigen sollte man noch Zeit geben, sich in der Flasche zu „beruhigen“.

Bitte nicht zu geizig sein

Neben dem Klimawandel ist die hiesige „Geiz ist geil“-Mentalität eines der größten Probleme vieler Winzer. Denn nur ein Bruchteil der Konsumenten ist bereit, für einen Wein mehr als fünf Euro pro Flasche auszugeben, der Durchschnittspreis in Discountern und Supermärkten, die einen Vertriebsanteil von rund 80 Prozent haben, liegt sogar noch deutlich darunter. Ja, man kann viele dieser Weine inzwischen einigermaßen unfallfrei trinken. Aber sie sind beliebig, technologisch genormt, sozusagen „charakterlos“. Sie erzählen keine Geschichte von ihrer Herkunft oder dem jeweiligen Jahrgang. 

„Frucht ist Kitsch"

Die lassen wir jetzt mal schön im Discounterregal stehen und wenden uns deutschen Weißweinen zu, die eben nicht beliebig sind. Und zwar nicht in der „Schnösel-Liga“ ab 20 Euro aufwärts, sondern in dem ungeheuer vielfältigen und spannenden Bereich zwischen sechs und zehn Euro. Flaggschiff der deutschen Weinkultur ist zweifellos der Riesling, doch auch den lassen wir mal beiseite, weil Deutschland noch andere Schätze zu bieten hat. Und prompt landen wir beim Silvaner, der zwar landesweit an Bedeutung verloren hat, aber in Franken als Leitrebsorte eine großartige Renaissance erlebt. Richtig trocken sollte er sein, leicht, gerne ein wenig erdig oder mineralisch. Sehr zarte, oft etwas herbe Aromen sollten ihn prägen, manchmal ist das Birne, manchmal auch Quitte. Oder auch Andeutungen von Rauch und trockenen Kräutern. Aber keinesfalls überbordende exotische Aromen, wie so manch Riesling. „Frucht ist Kitsch“ fasste einer der Stars der fränkischen Winzerszene im Gespräch seine Silvaner-Philosophie zusammen.

Aber grau ist alle Theorie – entscheidend ist im Glas! Deswegen soll dieser kleine Exkurs über die deutsche Weißweinkultur mit zwei Empfehlungen für den Einstieg in die faszinierende Welt des fränkischen Silvaners enden: Silvaner Guts- oder Ortswein vom Weingut Rainer Sauer  und Silvaner „Scheinberg“ vom Weingut Neder.       

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