Serie: Urlaub extrem - Baden in Somaliland

Während der Süden von Somalia seit fast 30 Jahren in Chaos, Terror und Bürgerkrieg versinkt, herrschen im nördlichen Teil Somaliland Ruhe und Frieden. Aber macht dies das Land, das es offiziell nicht gibt, schon zur perfekten Urlaubsdestination?

Erschienen in Ausgabe
Badeurlaub mit Begleitung: Cicero-Autor Philipp Hedemann samt Aufpasser am Strand von Somaliland / Petterik Wiggers
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Autoreninfo

Philipp Hedemann ist Journalist und Buchautor. Er hat mehrere Jahre in Äthiopien gelebt.

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Als ich Korrespondent in Äthiopien war, hatte ich mal wieder Lust auf Strand. Doch Äthiopien hat keinen Meereszugang. Also entschied ich mich, zum Baden ins Nachbarland Somaliland zu fahren. Die kleine Republik im Norden Somalias erklärte sich 1991 einseitig für unabhängig. Während der Süden des Landes seit fast 30 Jahren in Chaos, Terror und Bürgerkrieg versinkt, herrschen in Somaliland Ruhe und Frieden. Zumindest im Vergleich zu Mogadischu. Aber macht dies das Land, das es offiziell nicht gibt, schon zur perfekten Urlaubsdestination?

Bereits kurz nach meiner Ankunft blickte ich an einem Checkpoint an einer holprigen Piste in den Lauf von vier Kalaschnikows und hörte vierstimmiges Geschrei. Ich verstand kein Wort. Aber ich begriff, dass das Geschrei mir galt. Die Männer dirigierten mich mit ihren Schießprügeln aus einem mit elf Passagieren heillos überfüllten Sammeltaxi. Nur wenn sie sich ein paar Blätter der Kaudroge Khat in den Mund schoben, setzte das Geschrei kurz aus. Meinen ersten Urlaubstag hatte ich mir entspannter vorgestellt. Dabei hatte ich eigentlich nur das gemacht, was ich sonst im Urlaub auch mache: mich in ein öffentliches Verkehrsmittel zu setzen und dahin zu fahren, wo es am schönsten sein soll. In diesem Fall ans Meer.

Kristallklares Wasser und Personenschützer

Aber in Somaliland kann man als Tourist nicht einfach machen, was man will. Weil die Regierung Angst hat, dass den wenigen unerschrockenen Besuchern etwas zustoßen könnte, braucht jeder Urlauber außerhalb der staubigen Hauptstadt Hargeisa zwei schwer bewaffnete Bodyguards, die ihn auf Schritt und Tritt begleiten und das Ferienfeeling – gelinde gesagt – ein kleines bisschen trüben. Deshalb wollte ich ohne Aufpasser baden gehen – und kam nicht weit. Beim zweiten Versuch war ich mit zwei Personenschützern unterwegs und dümpelte ein paar Stunden später im kristallklaren Wasser.

Die Küstenwache von Somaliland auf der Jagd auf Piraten: Wer seinen Urlaub in Somaliland verbringen will, sollte auf eine erhöhte Polizeipräsenz vorbereitet sein / picture alliance

Die Sonne brannte mir aufs Gesicht; im Schatten waren es 46 Grad, nur gab es eben fast keinen Schatten. Von unten wärmte mich das Meer, 36 Grad. Plötzlich riss mich ein Knattern aus meinen Träumen. In einem Holzkahn zogen vier Männer an mir vorbei. Sie hielten irgendetwas Langes in die Luft. Panzerfäuste? Kalaschnikows? Oder nur Angeln? Gefährliche Piraten oder harmlose Fischer? Am Strand stand Nour, einer meiner Bodyguards, in Tarnfleck-Kampfanzug und Sandalen. In der rechten Hand, die mit der abgeschossenen Daumenkuppe, hielt er sein G3-Sturmgewehr aus alten Bundeswehrbeständen. Mit der anderen Hand winkte er mich zurück. „Fishermen“, sagte er, als ich den Strand erreicht hatte und zeigte zum Boot. Entwarnung.

Nach Schätzungen reisen pro Jahr maximal 1300 Touristen in Bussen, Sammeltaxis oder gemieteten Autos durch Somaliland. Die meisten von ihnen sind scharf auf den exotischen Stempel im Pass, andere wollen die rund 5500 Jahre alten Höhlenmalereien von Laas Geel sehen. In Europa wären die Zeichnungen längst überlaufenes Weltkulturerbe, in Somaliland ist man beim touristischen Highlight des Landes meist mit Guide und Guard alleine. Auch in den meisten „Hotels“, die oft kein warmes Wasser und Strom, dafür aber Bettwanzen haben und weniger als fünf US-Dollar kosten, trifft man selten einen Touristen. Bei Kamelleber und süßem Tee mit Kamelmilch kann man so die ungeteilte somaliländische Gastfreundschaft genießen. Und genau deswegen habe ich in meinen Pässen auch schon mehrere Somaliland-Stempel.

Philipp Hedemann ist Journalist und Buchautor. Er hat mehrere Jahre in Äthiopien gelebt


Dieser Text stammt aus der Titelgeschichte der Juli-Ausgabe des Cicero, die Sie am Kiosk oder in unserem Onlineshop erhalten.

















 

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