Mikroplastik - Es ist längst überall

Bis dato kannte man Mikroplastik vor allem als schwer abbaubare Partikel in den Weltmeeren. Eine aktuelle US-amerikanische Studie kann nun nachweisen, dass die kleinen Kunststoffteilchen längst in der Atmosphäre zirkulieren und zur Gefahr für das globale Ökosystem werden.

Plastik am Meeresufer / dpa
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Autoreninfo

Ralf Hanselle ist stellvertretender Chefredakteur von Cicero. Im Verlag zu Klampen erschien von ihm zuletzt das Buch „Homo digitalis. Obdachlose im Cyberspace“.

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Vielleicht liegt im Müll der Ursprung der Welt. Es klingt wie ein Paradox, doch schon die mittelalterlichen Alchemisten rückten auf ihrer Suche nach dem Urstoff der Dinge – der „prima materia“, wie sie ihn nannten – Abfälle und Ausscheidungen in den Fokus ihrer Überlegungen. Der Stoff, aus dem sie Gold machen wollten, das war der Unrat der Zivilisation. Schließlich soll schon in alten scholastischen Schriften zu lesen gewesen sein, dass die „prima materia“ jener Stoff sein müsse, den jeder kennt und täglich sieht, dessen wahrer Wert aber im Verborgenen bleibt.

Plastikpartikel fallen vom Himmel

Womöglich trifft diese uralte Beschreibung im 21. Jahrhundert auf kaum einen Stoff besser zu als auf modernes Mikroplastik. Diese winzigen Fasern sind meist kaum größer als fünf Millimeter, bestehen aus synthetischem Kautschuk oder Elastomeren, sehen zuweilen sogar auffallend bunt und poppig aus, zersetzen aber längst Umwelt und Atmosphäre und sind überall.

Nach aktuellen Modellrechnungen sollen derzeit gut 1.100 Tonnen dieser winzigen Teilchen allein über dem Westen der USA schweben. Die bunten Plastikpartikel fallen im wahrsten Sinne vom Himmel und verunreinigen die entlegensten Winkel er Welt: Egal ob Wüsten, Städte oder Gewässer. Allein in den weltweiten Ozeanen sollen derzeit pro Stunde 300 Tonnen neues Plastik anlanden. Eine Studie aus dem Jahr 2019 hat errechnet, dass jedes Jahr sieben Billionen Mikroplastikfasern in die Bucht von San Francisco gespült werden. 

Der Ursprung des Mikroplastiks 

Doch wo kommt das ganze Mikroplastik eigentlich her? Dieser Frage sind die US-amerikanischen Forscherinnen Janice Brahney, Umweltwissenschaftlerin an der Utah State University, und Natalie Mahowald, Wissenschaftlerin an der Cornell University, nachgegangen. Das Fazit ihrer gerade erschienenen Studie ist erschreckend: Die kleinen Partikel sind in ständiger Zirkulation: Der Mikroplastik, der u.a. aus Reifenabrieb oder aus in winzige Teilchen zerfallenen Plastikflaschen stammt, gelangt ins Meer und aus dem Meer wieder heraus.

Er regnet aufs Land und wird dann wieder in die Luft geblasen, um sich irgendwo anders hin zu bewegen. Die Kunststoffe haben die Umwelt längst derart durchdrungen, dass sie gewissermaßen homogenisiert wurden. Ihre eigentliche Quelle ist kaum noch auszumachen. Wenn das Plastik einmal draußen ist, kann man es nicht mehr aufhalten, so das beunruhigende Fazit ihrer Studie, deren wesentlichen Aspekte nun im Magazin Wired erschienen sind.

Den ganzen Artikel finden Sie hier in englischer Sprache.

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