Unterwegs mit Schauspieler Mathias Harrebye-Brandt - Glück, oder der Sound der Ostsee

Hauptsache, Ostsee: Ein Spaziergang mit dem Schauspieler Mathias Harrebye-Brandt entlang der Küste in Timmendorfer Strand, wo für ihn Heimat und Glück dicht beieinander liegen.

Schauspieler und Grenzlandkind durch und durch: Mathias Harrebye-Brandt / Jewgeni Roppel
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Autoreninfo

Irene Bazinger ist Theaterjournalistin und lebt in Berlin. Zuletzt gab sie das Buch „Regie: Ruth Berghaus“ heraus (Rotbuch-Verlag)

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Ein Tag an der Ostsee kann manchmal geradezu kitschig klassisch klingen: Die Möwen kreischen! Die Wellen flüstern! Der Wind pfeift! „Wenn ich diesen Sound höre, diese beruhigende Kadenz“, gesteht der Schauspieler Mathias Harrebye-Brandt, „ergreift es mich vom Scheitel bis zur Sohle, denn das ist für mich Heimat pur!“ Seine blau-grünen Augen leuchten, und er scheint noch einmal verstärkt die Ohren zu spitzen, um alles, was ihm so viel bedeutet, intensiv wahrnehmen und speichern zu können. 

Geboren wurde er 1974 zwar in Flensburg, aber hier in Timmendorfer Strand fühlt er sich genauso zu Hause und erkennt sofort die Matrix der Gegend, die ihn geprägt hat. Dazu gehören neben der landschaftlichen Besonderheit eine bestimmte Lebensart, das Licht des Nordens – und der Klang der Küste. „Ich bin ein richtiges Grenzlandkind“, sagt Harrebye-Brandt, der mit seiner kräftigen Statur, dem dichten Bart und der bodenständigen Art wie ein typischer Kerl von der Küste aussieht. 

Das raue Wetter hat sich im Wesen der Menschen niedergeschlagen, die haut so schnell nichts um, die behalten den Kopf oben, selbst wenn ihnen die Schaumkronen vom aufgewühlten Wasser um die Mütze fliegen. Einer aus dieser unverwüstlichen Wikinger-Tradition ist auch Mathias Harrebye-Brandt. Sein Vater Deutscher, seine Mutter Dänin. Er spricht beide Sprachen, hat zwei Staatsbürgerschaften, lebte mal diesseits, mal jenseits der Grenze. „Das war schon vor dem Schengener Abkommen kein Problem“, erzählt er. „Vormittags ging ich in Flensburg zur Schule, nachmittags radelte ich nach Dänemark zum Tennis­unterricht. Die Beamten an der Grenze ­begrüßte man quasi mit Handschlag und einem familiären ,Moin‘.“

Ein Streifenpolizist, der eine Frauenleiche entdeckt

So lange wie möglich blieb er in Schleswig-Holstein, studierte an der Universität Kiel ein paar Semester Germanistik und Geschichte, erwarb in Literaturwissenschaft den Magister. Dennoch war ihm immer klar, dass aus ihm nie ein Lehrer werden würde. Sein Herz galt der Schauspielerei, er wollte bereits als Schüler zur Bühne, machte im Gymnasium in der Theater-AG mit, ab 1998 bei der Studentenbühne im Theater im Sechseckbau.

Irgendwann fiel er Tadeusz Galia auf, dem Gründer des Polnischen Theaters in Kiel, der nach dem im Jahr 1981 verhängten Kriegsrecht aus seiner polnischen Heimat geflohen war. Er engagierte den begabten Jungen, wurde sein Freund, Förderer und Mentor. Ansonsten ist Harrebye-Brandt Autodidakt, besuchte nie eine Schauspielschule, lernte vorwiegend aus der Praxis. Von 2000 bis 2002 spielte er in Kiel, danach an wechselnden Bühnen, kam zum Film, hatte Erfolg im Fernsehen. 

An Timmendorfer Strand hat er in Bezug auf seinen beruflichen Start die schönsten Erinnerungen. Denn just hierher führte ihn sein allererster Fernsehauftritt! In der ZDF-Serie „Küstenwache“ war er 1999 ein Streifenpolizist, der auf einem Motorboot eine Frauenleiche entdecken sollte. 

Bald wieder gemeinsam übers Wasser wandern

Ein paar Jahre wurde er dann regelmäßig in „Küstenwache“ als Hauptkommissar Michael Steiner eingesetzt und bei den Dreharbeiten in Timmendorfer Strand untergebracht. Bei unserem Spaziergang erkennt er manch altes Gebäude daher sofort wieder, konstatiert, wo in der „Badewanne der Hamburger“ baulich nachverdichtet wurde, läuft vergnügt die Seebrücke bis zum Ende hinab und lässt sich das Haar vom frischen Wind aufblasen. 

Fröhlich blickt er zurück zum Maritim-Hotel, in dem damals die meisten Darsteller wohnten. Deswegen freut er sich nun auch, dass die markante Seebrücke vor dem ruhmreichen Haus wieder als zeitgemäß schmucker Anziehungspunkt am Ostseestrand etabliert werden soll. Für den maroden, 272 Meter langen Bau von 1976 ist seit geraumer Zeit ein Neubau im Gespräch. Über drei Millionen Euro wird die Gemeinde Timmendorfer Strand dafür investieren. Touristen und Einheimische, Sonnenanbeter und Flaneure werden so vielleicht bald schon wieder gemeinsam übers Wasser wandern, die Aussicht genießen und die Ostsee von oben und doch mittendrin erfahren können.

Voller Lust am Spiel mit der Verwandlung – und sprachlichem Unfug

Mathias Harrebye-Brandt vertieft sich gern in solche Fakten und Statistiken. Er interessiert sich nicht nur für seine Rollen, sondern auch für ihr Drumherum; seien es historische, topografische oder politische Zusammenhänge – und er hat eine Schwäche für Dialekte, die er in stolzer Zahl vom Wienerischen zum Plattdänischen, vom Masurischen zum Bayerischen kann. Außerdem beherrscht Mathias Harrebye-Brandt vier Sprachen fließend – Deutsch, Dänisch, Englisch und Finnisch – sowie 17 Sprachen phonetisch; das heißt, er vermag ihre melodischen Spezifika so perfekt zu imitieren, dass man kaum bemerkt, wie da einer bloß erfundene Laute von sich gibt – täuschend ähnlich zur real existierenden Sprache, dabei reiner Unfug. 

Als er das gleich und fix und gar nicht leise demonstriert, wenden manche der Spaziergänger, die hier selbst an einem normalen Wochentag in der Vorsaison als Urlauber oder Kurgäste nicht zu knapp unterwegs sind, erstaunt den Kopf. Da lacht Mathias Harrebye-Brandt freudig auf, er ist eben Schauspieler durch und durch und voller Lust am Spiel mit der Verwandlung. 

Seit 2017 gehört er zum erstmals nach 40 Jahren wieder gegründeten festen Ensemble des Berliner Kabaretttheaters Die Wühlmäuse und hat größten Spaß daran, auf der Bühne zu stehen. Im ersten Programm, „Ver(f)­logene Gesellschaft“, konnte er sein Sprachenpotenzial bestens nutzen – und auf einer Pressekonferenz im Stück sechs Staatschefs in sechs Sprachen simulieren.

Talent kommt nicht von irgendwo

Trotz der angeborenen Talente steckt harte Arbeit hinter seinem Erfolg. Der verlangt überdies erhebliche Kraft, um nicht zappelig zu werden, wenn ein Projekt länger auf sich warten lässt als geplant oder wenn eine Zeit lang halt kein Angebot eintrifft. Als echter Nordländer ist er stolz auf seine Unabhängigkeit und seine Nervenstärke – ob beim Segeln oder im Beruf.

Mathias Harrebye-Brandt kennt das Geschäft, und das Geschäft kennt ihn, deshalb vertraut er da­rauf, dass noch viele spannende, attraktive Aufgaben auf ihn warten. Wie im Sommer 2018, als ihm eine Hauptrolle in „Morgens stürmisch, abends Liebe“, einer der bewährten Rosamunde-Pilcher-Romanzen, vier Wochen in Cornwall bescherte. „Das war wie ein bezahlter Urlaub“, schwärmt er, weil seine Zuneigung zum Norden auch England, Schottland und Irland umfasst. 

Mit seiner authentischen Ausstrahlung zählt er zu den inzwischen viel beschäftigten Schauspielern im deutschen Fernsehen und Kino. Man sah ihn in unzähligen Filmen und Serien wie „Schuld der Erben“, „Tatort“, „Morden im Norden“, „Lammerts Leichen“, „Die Pfefferkörner“, „Nicht tot zu kriegen“, jüngst in „Tierärztin Dr. Mertens“. Sogar mit Hollywood-Stars kreuzten sich in internationalen Produktionen seine Pfade, wie mit Cate Blanchett in dem Agententhriller „Wer ist Hanna?“ (2011) von Joe Wright, in dem er einen dänischen Kriminalbeamten spielte. Die Szenen wurden auf Fehmarn, der Sonneninsel Schleswig-Holsteins, gedreht, gesprochen wurde englisch, aber in seinem Fall war echter dänischer Akzent verlangt – für ihn kein Problem. 

Berliner, doch im Herzen ein Kind des Nordens

In „Ein Hologramm für den König“ (2016) von Tom Tykwer mit Tom Hanks als Vertriebsmanager aus Boston gab er einen dänischen Botschafter. Zwar ist die Handlung in Saudi-Arabien verortet, gedreht wurde indes zum Teil in Berlin, wo Mathias Harrebye-Brandt seit 2012 seinen Lebensmittelpunkt hat. 

Er ist ein äußerst aktiver Mensch, doch wenn er sich nicht bei der Arbeit verausgabt, fortbildet oder Sport treibt, ist er auch mal unbefangen faul: „Ich schätze die Kunst des Müßiggangs sehr!“ Also flaniert er mit seinem Hund durch die Straßen, probiert neue Restaurants aus, taucht ins bunte Getriebe des Lebens ein. 

Wenn es seine Zeit erlaubt und der Wind richtig schön aus dem Norden herunterbraust, zieht er rasch die Regenjacke über und fährt bis Timmendorfer Strand oder bis hinauf nach Flensburg. In rund vier Stunden bringt ihn die Deutsche Bahn da- wie dorthin. Und dann hört er ihn wieder, den Sound der Ostsee, schmeckt das Salz auf den Lippen, denkt an Hering und Grünkohl – und ist einfach glücklich.

Dieser Text stammt aus dem Reise- und Leseheft von Cicero – einer Sonderausgabe im Juni, die Sie am Kiosk oder direkt bei uns portofrei kaufen können.

 

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