Rapstar Badmómzjay - Weibliche Selbstermächtigung

Die 19 Jahre alte Badmómzjay ist der Rapstar der Stunde. Ihre Songs geben tiefe Einblicke in die Seelenlage der Generation Instagram.

Badmómz­jay mischt als junge Frau den Deutschrap auf / dpa
Anzeige

Autoreninfo

Ulrich Thiele ist Politik-Redakteur bei Business Insider Deutschland. Auf Twitter ist er als @ul_thi zu finden. Threema-ID: 82PEBDW9

So erreichen Sie Ulrich Thiele:

Anzeige

Zur Verabredung kommt Badmómz­jay nicht allein. Als wären sie auf einem Familienausflug und machten einen Zwischenstopp, warten ihre Mutter und ihre kleine Schwester vor der Tür, während sie sich zum Gespräch niederlässt. Ein ganz normaler Teenager, mit weit geschnittenem Sweatshirt und zunächst zurückhaltendem, aber verbindlichem Blick. Nur die rot gefärbten Haare und die langen künstlichen Fingernägel – ihr Markenzeichen – erinnern an die extravagante Seite der Künstlerin.

Badmómzjay, die bürgerlich Jordan „Jordy“ Napieray heißt, ist aus ihrem Kinderzimmer heraus zu einem der Rapstars der Stunde aufgestiegen. 2018 begann die damals 16-Jährige, zu bekannten Hip-Hop-Beats zu rappen und Videos davon bei Instagram und Tiktok zu teilen. Bereits das erste Video wurde tausendfach geteilt, ihre Followerzahl bei Instagram verdoppelte sich in kürzester Zeit von 6000 auf 12 000 (mittlerweile sind es 555 000). 

Breite Palette

2019 unterschrieb sie beim Major-­Label Universal einen Vertrag. Es folgten ein Nummer-eins-Hit („Ohne dich“), eine EP („18“) und zwei Millionen Follower auf Spotify. Als sie im November 2021 ihr Debütalbum „badmómz.“ veröffentlichte, war ihr über die Szene hinaus die Aufmerksamkeit der Feuilletons sicher – vor allem wegen ihrer stilistisch und inhaltlich breiten Palette, changierend zwischen Gangsterrap – mit szenetypischen Überlegenheitsgesten, Beleidigungen und Wortspielen – und Gesangsausflügen sowie Flüsterrap über Depression, Ängste und Überforderung durch die Außenwelt. 

„Die Arbeit am Album war ein Kampf“, sagt sie. Als Künstlerin, die akribisch an ihrem Stil feilt. Aber auch wegen der Vorahnung, was nach der Veröffentlichung auf sie zukommen würde. „Es ist ein Kampf, cool damit cool zu sein, Hasskommentare auf mich zu ziehen, nur weil ich offen über Sexualität rede und mich frei anziehe“, so die Künstlerin, die sich bereits in der siebten Klasse auf Instagram als bisexuell outete. „Aber Deutsch­rap braucht jemanden, der offen über Dinge redet. Es gibt genug Dinge, gerade als Frau, die man ansprechen muss.“

Frau im Deutschrap

Was sie damit Meint, sind Texte, in denen sie homophobe und sexistische Kommentare im lange Zeit männerdominierten Rapgeschäft kontert oder darüber schimpft, „als Frau immer dreimal mehr geben“ zu müssen. Oder einen Song wie „Sterne unterm Dach“, in dem sie ihre Ängste thematisiert. „In jeder Platinumplatte stecken fast 100 Panikattacken“, heißt es darin. „Ich musste früh erwachsen werden, deswegen bin ich sehr stark und stehe zu mir, trotzdem begleiten mich immer die Angstzustände“, sagt sie und ergänzt: „Deutschrap ist oft toxisch, es ist gut, wenn offenes Reden über Ängste nicht mehr als Schwäche gilt.“

Jordan Napieray wuchs in Brandenburg an der Havel bei ihrer alleinerziehenden Mutter auf, die unter anderem als Altenpflegerin arbeitete. „Es fiel immer auf, dass wir weniger Geld hatten als andere Familien“, sagt sie. 
Klassischer Rapstoff. Hip-Hop ist eine Kultur der Selbstermächtigung, der soziale Aufstieg ist ein zentrales Motiv. So auch bei Badmómzjay: „Kam von ganz unten mit nem Berg Schulden / Da, wo vor dem Komma keine Stellen war’n“, rappt sie im Opener ihres Debütalbums und kündigt an, so lange zu schreiben, „bis Mama nach dem Struggle hier ein Haus kriegt“. Einen Audi A7 hat sie ihrer Mutter bereits gekauft. Die Geschenkübergabe teilte sie in einer Instagram-Story mit ihren Followern.

Identifikation mit Hip-Hop

Hip-Hop ist ein Grund dafür, dass bei der Bundestagswahl jede vierte Stimme der Erstwähler an die FDP ging. Als Christian Lindner im Wahlkampf gezielt auf Instagram und Co. um junge Wähler warb, dürfte ihm bewusst gewesen sein, dass sich die im Rap verbreitete Erzählung der Selbstwirksamkeit im Programm der Liberalen wiederfindet. Und laut dem Marktforschungsinstitut Yougov identifizieren sich 49 Prozent der 18- bis 24-Jährigen mit Hip-Hop.

Frauen im Rap, ihre Sexualität, ihre Herkunft – das sind Themen, über die Badmómzjay durchaus gerne redet. So richtig blüht sie aber auf, wenn es um Dokumentationen und ihre Lieblingsserien geht, etwa „How to get away with murder“, deren Themen sie inspirieren. Oder um die Fantasiewelten in den Harry-Potter-Büchern und in Michael Endes „Die unendliche Geschichte“, in denen sie stets Verbündete fand, weil es in ihnen „normal ist, unnormal zu sein“, wie sie sagt.

Auch deswegen ist es ihr wichtig, Botschaften zu transportieren. In „Ich mag“ rappt sie: „Mag, wenn du dich selber liebst, ohne dass du Angst hast / Und mag paar Schellen für jeden homophoben Bastard“. Nicht die schlechteste Botschaft an eine Jugend, die tagtäglich mit Be- und Verurteilungen im Netz und realitätsfernen Idealen konfrontiert ist.

 

Dieser Text stammt aus der Februar-Ausgabe des Cicero, die Sie jetzt am Kiosk oder direkt bei uns kaufen können.

 

 

Sie sind Cicero-Plus Leser? Jetzt Ausgabe portofrei kaufen

Sie sind Gast? Jetzt Ausgabe kaufen

Anzeige