Monika Maron und der S. Fischer Verlag - Die festgefahrene Dissidentin

Monika Maron blieb auch nach der Wende eine Rebellin. Egal, was sie schrieb, sie schrieb dagegen. Ihrem Verlag S. Fischer ist das nun ein Stück zu viel Gegenkultur geworden, er trennt sich von der Schriftstellerin. Doch sie ist nicht einfach irgendeine Querulantin.

Monika Maron, die feine Stilistin der deutschen Literatur
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Autoreninfo

Ralf Hanselle ist stellvertretender Chefredakteur von Cicero. Im Verlag zu Klampen erschien von ihm zuletzt das Buch „Homo digitalis. Obdachlose im Cyberspace“.

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Widerstand braucht Reibung. Dissidenz sucht die Konfrontation mit jeglicher Form von Macht – sei diese nun politisch oder auch nur rein diskursiv. Es ist genau diese Polarität, die das Leben der Nonkonformisten oft schier unerträglich macht, ihnen aber andererseits auch erst in ihr Recht verhilft. Wie öde wäre schließlich der Tell ohne Gessler oder Don Quixote ohne Windmühlen.

Doch wenn dann der Feind fällt, läuft der Widerständler ins Leere. Gerade viele Oppositionelle aus den Ländern des ehemaligen Ostblocks haben nach 1989 eine solche Erfahrung durchlaufen müssen. Nicht, dass Christa Wolfs „Medea“ kein guter Roman mehr gewesen wäre, doch was war der Mythos von der eigenwilligen Argonauten-Gattin gegen Wolfs mahnende „Kassandra“ oder gegen „Der geteilte Himmel“ aus Vorwendezeiten? Auch waren die fast schon abstrakten Farbschlachten auf den Leinwänden Hartwig Ebersbachs vor 1989 wohl aufgewühlter und die Fotografien Boris Mikhailovs zu Zeiten der heute längst vergessenen UdSSR waren weit subversiver als alles, was noch kommen sollte.

Im toten Winkel der Uckermark

Der Rebell verbleibt einsam im Sattel, sobald das Pferd tot ist. So ergeht es seit geraumer Zeit wohl auch der Schriftstellerin Monika Maron. Im toten Winkel der Uckermark sitzt da eine mittlerweile fast 80-jährige Intellektuelle und sinnt noch immer auf Widerstand. Keine Frage: auch heute ist die 1941 als Tochter einer jüdischstämmigen Mutter und eines Stiefvaters, der es auf der DDR-Karriereleiter bis zum Minister des Inneren gebracht hatte, eine wichtige Stimme in der zeitgenössischen Literatur. Doch was ist ihr handlungsarmer aktueller Roman „Artur Lanz“ in Anbetracht ihres mutigen Debüts „Flugasche“ von 1981 oder des erbarmungslos ehrlichen „Stille Zeile Sechs“, in dem, obwohl erst nach Mauerfall und Wiedervereinigung erschienen, noch immer die Erfahrungen der eben zu Ende gegangenen DDR mitschwingen.

Nun neigt Retrospektive, selbst wenn sie die dunkelsten Jahre eines seit langem untergegangen Landes beleuchtet, zur Melancholie, ja zur Überhöhung. Doch da gibt es nichts, was wiedergewonnen werden müsste, auch nicht die Zeit der Dissidenz. Dennoch, das vollendete Paradies zeigt sich zuweilen grausamer als das ersehnte und ein erfüllter Traum kann eine Qual sein. Lange vor dem Fall des Eisernen Vorhangs hat das bereits der serbisch-österreichische Schriftsteller Milo Dor erkennen dürfen. In seinem 1969 erschienenen Roman „Die weiße Stadt“ stellte der 1923 in Budapest geborene, in Belgrad groß gewordene und später in Wien lebende Autor seinen Lesern einen ihm nicht zufällig ähnelnden Intellektuellen vor, der einst im jugoslawischen Widerstand gegen die deutsche Besatzung gekämpft hatte und der später, weit nach Ende des Krieges, unter die Räder des Kapitalismus geriet. Vom Dissidenten wandert er im Exil hinab bis zum Antiquar, vom Intellektuellen geht’s bis zum Werbetexter.

Schriftstellerin des Widerspruchs

Denn das Gift der Freiheit ist Langeweile. Wer weiß schon, was wirklich geschah in der tausendundzweiten Nacht der Scheherazade. Nach dem Happy End wird „abjeblendt“. Doch Monika Maron, die feine Stilistin der deutschen Literatur, die zu DDR-Zeiten gegen Umweltverschmutzung und gegen die Realitäten der nicht gelebten Leben angeschrieben hat, sie blieb auch hernach die erboste Rebellin, die Schriftstellerin des Widerspruchs. Jetzt aber schrieb sie gegen die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung, gegen das Post-Heroische in der Gegenwart, gegen Feminismus, gegen den Islam ... Gegen Windmühlen und Langeweile? Egal, was sie schrieb, sie schrieb dagegen.

Ihrem Verlag, dem S. Fischer Verlag in Frankfurt, ist das nun ein Stück zu viel Gegenkultur geworden, zumal die widerspenstige Autorin in den letzten Jahren auch immer öfter durch rechte Meinungsäußerungen von sich reden gemacht hat. Am gestrigen Montag gab der Verlag bekannt, dass er sich nach fast 40 Jahren der Zusammenarbeit Mitte 2021 von Maron trennen werde. Der wohl endgültige Stein des Anstoßes war Marons Kooperation mit dem neurechten Antaios Verlag und der Loschwitzer Buchhändlerin und Kleinverlegerin Susanne Dagen: „Man kann nicht bei S. Fischer und gleichzeitig im Buchhaus Loschwitz publizieren, das mit dem Antaios Verlag kooperiert“, erklärte Fischer-Geschäftsführerin Siv Bublitz.

Nicht einfach irgendeine Querulantin

An dieser Trennung ist nichts zu beanstanden. Es ist das Recht eines jeden Verlages, sich seine Kooperations- und Vertragspartner, seine Quer- und seine Dickköpfe frei zu wählen, jederzeit, selbst noch nach Jahren. Und dennoch: Monika Maron ist nicht einfach irgendeine Querulantin, auch wenn sie in den letzten Jahren immer öfter neurechtes Gedankengut in ihre Bücher und Essays einfließen ließ. In Teilen ist die Geschichte der Monika Maron die mehr als traurige Geschichte einer festgefahrenen Dissidentin, einer Rebellin, die ihr „Dagegen“ kaum noch einmal in ein Positiv wenden konnte. Vielleicht sollte Monika Maron ihren nächsten Roman darüber schreiben. Das wäre mit Sicherheit ein Buch, das endlich wieder so schonungslos, so gespalten, so meisterhaft und so ehrlich sein könnte wie einst ihre „Stille Zeile Sechs“.

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