Meinungsvielfalt - Dichter Nebel über Muddy Waters

In Deutschland tut die politische Elite andersartige Denkansätze systematisch als populismusverdächtig ab. Zugleich fehlt ihr eine realitätsnahe Perspektive auf die Probleme der Bevölkerung. Das schafft in Politik und Kultur ein Gefühl der Aussichtslosigkeit

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Die Dresdener Altstadt ist ein Beispiel für ein „ungemütliches Deutschland“ / picture alliance
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Wolf Reiser (64) lebt und arbeitet in München als Buchautor, Reporter und Essayist. Mehr hier

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Wem es gelingt, ein paar Schritte aus dem vernebelten Wahnsinn der deutschen Normalität herauszutreten, wird belohnt mit einem Blick auf sumpfige Tristesse. Damit der öffentliche Verkehr in diesem Morast geordnet weiterläuft, haben sich entlang der Drainagegräben die Hüter der Korrektheit in Position gebracht. Ihre Mission: die erstickende Atmosphäre von jedem frischen Luftzug fernhalten. Der würde den alternativlosen Stillstand des rot-grün-schwarzen Tugendregimes empfindlich stören.
Ein Schlamm aus Neobiedermeier hat sich über Stadt, Land, Fluss gelegt und lähmt Politik und Medien, Kino und Theater, die Mode und den Sport, die Gemüter, das Straßenbild, alles und jeden. Ganz in diesem Sinne und Geiste wird von Gruner & Jahr ein innovatives Zeitgeistheft angekündigt: „Wir feiern das neue Miteinander, genießen Selbstgemachtes, spüren das gute Gefühl von Geborgenheit und zeigen, dass weniger in allen Lebenslagen mehr ist. Wir suchen nach Gemütlichkeit, Ruhe, Gemeinsamkeit und Glück.“ 

Deutschland is K.O.

Auf meinen Reisen durch die Republik erlebe ich ein ziemlich ungemütliches Deutschland, in dessen trügerischer Ruhe sich keinerlei glückliches Gemeinschaftsgefühl zeigt. Ich spreche von der brutalen Agonie in Städten wie Duisburg, Rostock oder Kassel, vom aggressiven Chaos in der Dresdner Altstadt und rund ums Kottbusser Tor, von der überreizt-dumpfen Cholerik in Zügen, Shoppingcentern und auf Festgeländen oder der derangierten Multikultimelange der Junkie- und Stricherszene des Münchner Bahnhofsquartiers. 

Mir fallen viele abgekämpfte Menschen in den Pendlerwaggons auf, einsame Greise mit löchrigen Plastiktüten, allerlei monologisierendes Strandgut, dazwischen eine komplett immunisierte und vollverkabelte Digitaltippergeneration und bis weit hinein ins bürgerliche Segment jede Menge versteinerte Fließbandgesichter, deren Apathie ab und an von einem unbeherrschten Zucken unterbrochen wird. 

Debatten versanden im altklugen Singsang

Damit Bürger wie ich nicht auf die Idee kommen, der eigenen Wahrnehmung zu trauen, versammeln sich in den öffentlich-rechtlichen Wahrheitsanstalten Abend für Abend adrett formatierte Talking-Heads aus der 65-Personen-Castingbroschüre des offiziellen Populismus. Diese Politik- und Journalismusdarsteller bilden die Arme eines neoliberalen Groko-Kraken und werden je nach Schwerpunkt ergänzt um eloquente Abgesandte aus diversen Stiftungen, am besten von Bertelsmann, Instituten für irgendwelche Beziehungen, etwa für Frieden und Sicherheit, NGO-Außendienstler und Heißluftexperten wolkiger Thinktanks aus London und New York. Gelegentlich wird der Runde ein armes Würstchen zum Fraß vorgeworfen – ein Piratenhacker, eine IS-Anwärterin mit Burka, jemand von Pegida oder der Roten Flora und notfalls Herr Lüders oder Herr Todenhöfer.

Anstatt im Dienst und Geist der Dialektik zu streiten und sich die Leviten zu lesen, versanden die Debatten im verzagt altklugen Singsang sermonaler Konsensmessen und hinterlassen beim Betrachter stets den Eindruck eines fiebrigen Nichts. In einer Endlosschleife spulen die Couchbesetzer ihre Sprachregelungen, Tabusetzungen und neofeudale Moralcodes ab. Der Mehltau hat die vitale Kultur der politischen Rhetorik erstickt und den in den 1970ern entstandenen und so inspirierenden Pluralismus mehr oder weniger ausgehebelt. Wie sang Dylan? „They sing while you slave and I just get bored. I ain’t gonna work on Maggie’s farm no more.“

Konsens-Koalition in der Meinungsblase

Wiewohl das rot-schwarz-gelb-grüne Konsensmilieu ökonomisch, moralisch und intellektuell abgewirtschaftet hat, versehen seine Protagonisten das sich quälend dahinziehende Rückzugsgefecht mit erstaunlich rigorosen Tönen. Unentwegt werden wir von Özdemirs oder Stegners belehrt, was gut und böse ist, Wahrheit und Lüge, richtig und falsch, oben und unten, erlaubt und verboten. Je selbstgerechter sich die Tugendwächter ins Zeug legen, desto gekränkter reagieren sie auf jede Art von Liebesentzug. Ihr Narzissmus verträgt sich nicht mit offener Kritik, Zivilcourage, Protest und Widerspruch. Mit zelotischer Verbissenheit machen sich die immer gleichen Infotainer jedes Thema zu eigen: Mietpreisbremse, nervöse Märkte, Soziales, Nullzinsrisiko, Fassbomben, hellenisches Klienteldrama und, logisch, ja, Bildung, Bürokratieabbau, Maidan, Maut, Entlastung der mittleren Einkommen, NSU, NSA, Flüchtlinge, Videobeweis, Biodiesel, Cum-Ex, Hitlers Sackratten und abgehängte Schlecker-Frauen. 

Widerspruchslos entdecken die Weltendeuter in ihrem abgeriegelten Biedermeierkokon immer wieder aufs Neue, dass wir Deutschen in der besten aller Welten leben, eine Insel des Wohlstands und der Sicherheit bevölkern und bewundert wie beneidet werden vom Rest der untergehenden Welt aus Populisten und extremistischen Brandstiftern. In diesen weichgespülten Runden („Da bin ich ganz bei Ihnen“) hätte kein Scholl-Latour mehr Platz, kein Frank Schirrmacher, Jean Améry, Hessel oder Grass. Die noch lebenden Vertreter des deutschen Geisteslebens, die man früher Intellektuelle nannte, Leute wie Peter Sloterdijk, Götz Eisenberg, Oskar Roehler, Hans Magnus Enzensberger, Albrecht Müller, Heiner Flassbeck oder noch unangenehmere Opponenten des Mainstream wie Ganser, Kröger oder Mausfeld finden bei uns nicht statt. Sie werden diffamiert als Verschwörungstheoretiker, Putin-Trolle, Europagegner, Antisemiten und postfaktische Populisten. 

Ein Land, zwei Welten  

Zu Füßen der Raute zeigenden Freiheitsstatue in Apricot heften sich derweil die Wir-schaffen-das-Gutsprecher gegenseitig die Gütesiegel ans Revers: westliche Wertegemeinschaft; offene Gesellschaft; liberaler Pluralismus; Entfaltung des Gender-Individuums; freie Märkte, transatlantische Ideale. Ist das Tagwerk vollbracht, betet der Ex-­KBWler Kretschmann für Merkel, und Juli Zeh fleht: „Lasst uns dieses Mutti-Bollwerk aufrechterhalten.“

Ich räume ein, dass ich wenig Kontakt mit den echten Gewinnern hierzulande habe, den Hedge-Brokern, den Winterkorns und Klattens, den Start-up-Milliardären, den Geissens und Maschmeyers oder Spekulanten auf Wohnraum und Hungersnöte. Doch ich verfüge über einen ansehnlichen Bekannten- und Freundeskreis, und wenn ich bei denen sanft nachbohre, bei Künstlern, Selbstständigen, Geschäftsinhabern, Ärzten, Studenten, IT-Nomaden und Kollegen aus dem Medienbereich, tun sich rasch konkrete Ängste auf: Angst um den Job, Angst vor dem Heute und dem Morgen, Angst vor Gefühlen und der Liebe, Angst vor einem Crash, vor einem Krieg, vor dem Fremden wie vor dem Bekannten, vor dem Verlust von Geld und Würde, Angst vor Google und anderen Hackern, vor dem Terror, vor dem Irrewerden, vor konsequent zu Ende gebrachten Gedanken und vor dieser bodenlosen Lügerei.

Mir selbst jagen eher die kleinen Ausrutscher auch und gerade der Sprache Angst ein. Jeder von uns kennt ja zum Beispiel die inflationäre wie beiläufige Erwähnung von den „Menschen, die sich abgehängt fühlen“. Damit ist in der Regel der kleine Mann von der Straße gemeint als Teil eines anonymen Menschenbreis, der irgendwo draußen im Land herumschwappt und dessen Einzelschicksale zwischen Jobcenter, Krankschreibung, Eckkneipe, Discounthallen und Teilzeitirrsinn verziffert werden. Speziell in einem Wahljahr überbieten sich die volksnahen Empört-und-betroffen-zugleich-Groko-Charmeure, diese verlorenen Seelen „abzuholen“ und „einzufangen“ und drohen im Fall des Wahl­erfolgs damit, sie „zurück ins Boot“ zu holen. Mit kaltem pastoralen Lächeln ist die Rede von der „Augenhöhe“ und davon, dass man die Mühseligen und Beladenen „wieder ernst nehmen“ wird – also diese RTL-II-Gimpel, halb White Trash, halb dunkeldeutsches Pack. 

Feindbilder dienen der Selbsterhaltung 

Der Zynismus der christlich-liberalen Ökomoralisten besteht darin, Millionen von Mitbürgern bis tief in den Mittelstand hinein das Recht abzusprechen, abgehängt zu sein. Selbst grün-rote Friedensketten-Veteranen teilen den halluzinierenden „Sozialopfern“ mit, dass sie ihr Gefühl trügt und sie gefälligst ihren Teil der Verantwortung für die eingebildete Degradierung übernehmen sollen. Schluss mit Agenda-Lamento, Prekärjobs, Rente-, Pflege- und Bildungsnotstand, Wohnungskrise, Altersarmut und der Panik wegen ein paar asylsuchenden Fachkräften. Diese typische German Angst, da lachen doch die Fipronil-Hühner, Kopf hoch, in die Hände spucken, das Schicksal in beide Hände nehmen – wie Jesus oder Helmut Rahn. Mit perfider Arroganz werden die Abgehängten – und das sind all jene, die sich in diesem geistigen Nullzinsland nicht mehr zu Hause fühlen – auf sich selbst zurückgeworfen. Anschluss verpasst? Euer Problem. Mehr leisten, mehr Ego-Shooting, mehr Anpassung an unsere schöne neue Wertewelt. 

Wem es gelingt, noch einen Schritt weiter beiseitezutreten, spürt bald, dass die allgemeine Betriebsamkeit nur noch eine dürftige Simulation von Demokratie ist. Unser vierfarbiges Wahrheitsregime konfisziert inzwischen jedes freie frische Denken und löscht auf Schritt und Tritt bestehende Interessengegensätze und Widersprüche aus. Dieser träge Konsensmoloch will kein Arm und Reich, kein Unten und Oben und keine Diskussion über die grotesken Auswüchse von Besitz und Macht.

Alles Nutten außer Mutti

Die alles erdrückende Konsensmitte weiß natürlich, wie morsch ihre Bruchbude ist, und ihre Angestellten studieren die alternativen Foren und Blogs, aus denen die immense Wut spricht, die im Lande brodelt. Es handelt sich dabei längst nicht mehr um identitäre Reichsbürger oder rauflustige Schwarzblock-Anarchos, sondern um Millionen bis ins Mark verunsicherte Stammwähler, die auf der Schwelle zum Hass stehen und manchmal vom Amok träumen. Um solche Brandherde einzudämmen, werden wir seit einigen Jahren mit externen Projektionen des Bösen zugemüllt. Mittels endloser Sondersendungen, Brennpunktdokus und Extraausgaben geschieht die Überflutung mit einer nach Belieben anschwellenden Gespenstergalerie aus Oligarchen, Kalifen und Despoten. 

Es waren und sind Putin, Le Pen, Orbán, Castro, Milosevic, Chávez und Maduro, Arafat, Erdogan, Assad, Chomeini, Hofer, Wilders, Boris Johnson, und derzeit stehen die zwei seltsam frisierten Sprengköpfe aus Nordkorea und Nordamerika hoch im Kurs. Dazu gesellen sich als globale Sicherheitsrisiken unter anderem die Taliban, die Hutus, der Weißrusse, viele Polen und Finnen, die Lega Nord, Tsipras & Varoufakis, der Beppoclown und die Podemos-Gammler, der Iran sowieso, die dubiosen Profiteure der arabischen Frühlingsfeste, Hamas und Hisbollah, halb Afrika, der halbe Balkan und die neuen Drogenbarone zwischen Kosovo, Mesopotamien und dem Hindukusch, zu dessen Fuß der Sozialdemokrat Peter Struck unsere Freiheit verteidigen wollte.

Man muss die Feinde unserer bunten Groko-Wertefamilie nun weiß Gott nicht ins Herz geschlossen haben, doch es drängt sich die Frage auf, ob man Diagnose und Therapie einer akuten Paranoia dem Patienten überlassen sollte. Es wirkt befremdlich, mit welch neokolonialer Selbstanmaßung der reanimierte wilhelminische Studienrat über den Globus stiefelt, die Achsen des Bösen vermisst, x-beliebige Schurkenstaaten tadelt, straft und abmahnt, ungefragt Wahlempfehlungen diktiert und anderen Nationen mit Sanktionen und Embargos droht, falls nicht schleunigst die Hausaufgaben erledigt werden. Alles Nutten außer Mutti. Lustigerweise platzte in diesem August den Menschen ausgerechnet dort der Kragen, wo der deutsche Biedermann sich am sichersten wähnte – im Herzen der Altstadt von Palma de Mallorca.

Ein journalistisches Vakuum

Ich habe Deutschland noch nie so müde, ausgelaugt, feige und uninspiriert erlebt. Es scheint mittlerweile vielen sogar an dem bisschen Atem zu mangeln, mit dem sich wenigstens noch ordentlich Trübsal blasen ließe. Es benötigt keinen Verschwörungstheoretiker, um zu erkennen, wie clever und abgezockt das Damentrio Merkel, Mohn und Springer selbst den sich investigativ wähnenden Journalismus gekapert hat. Das „juste milieu“ der schreibenden Kollegen arbeitet sich, ohne Schlaf zu finden, an Trump, Erdogan oder Putin ab oder verheddert sich in Kita-Petitessen. 

Dabei stapeln sich Themen von größter Brisanz: der komplette Irrsinn des Flüchtlingskomplexes; die Tragikomödien im Dobrindt-Amt; der klammheimliche Aufbau eines grenzenlosen Überwachungsstaats; die militärische Missionsgroteske – Kosovo, Kabul, Mali; das Wüten des Lobbyismus auf allen Ebenen; die alarmierenden Vertuschungen der NSU-Affäre bis hin zum Aktenverschluss für 120 Jahre. Die Liste ließe sich fortsetzen. 

Und die Sturmgeschütze der Enkel von Nannen & Augstein? Wäre es nicht so traurig, könnte man schmunzeln über deren Zusammenschluss zu multimedialen Investigationspools und Rechercheteams, die sich dann im kleinen selbstverliebten Zirkel auf die Schulter klopfen, anlässlich von nichtssagenden Panamalisten, Wulffs Oktoberfestquittungen, Dieselgrenzwerten oder ein paar klemmenden Sturmgewehren. Der Top-Journalismus von heute hätte es zu Willy Brandts Zeiten mit Mühe in die Rubrik „Vermischtes“ geschafft.

Konsens-Krake kapert Alternativen 

Als Folge des ziemlich verwahrlosten Umgangs mit der wertvollen Ware Information ist das aufgeklärte Bürgertum längst ins Netz abgewandert, in dem sich durchaus hervorragend gemachte Magazine, Foren und Blogs finden lassen, bei denen weder VW, Nato oder andere outgesourcte Schlussredakteure die Feder führen. Natürlich surft man im parzellierten Social-Media-Ozean Rücken an Rücken mit völkischen Trollen, Hasskretins und übergeschnappten Wutbürgern. Das ist das klassische Los der Verbannung, spricht aber nicht per se gegen die rettende Arche.

Doch auch hier geht der Krake bereits an Bord. Und wieder einmal – denken wir an Kriegskredite, Ermächtigungsgesetze, Radikalenerlass und Agenda-Kahlschlag – bietet sich die Sozialdemokratie als nützlicher Idiot bei der Inthronisierung von Reaktion und Restauration an. Am 30. Juni peitschte unser hyperaktiver Justizminister Heiko Maas – als Biedermann und Brandstifter in einer Person – sein frühreifes „Netzwerkdurchsetzungsgesetz“ durch das Parlament, dem zu diesem Zeitpunkt weniger als 10 Prozent der Volksvertreter beiwohnten. Natürlich spricht vieles für mehr Hygiene bei Facebook & Konsorten, doch an diesem Tag wurden ohne großes Aufsehen Türen und Schleusen geöffnet, zukünftig einfach alles an kritischer Meinungsäußerung und Gegenöffentlichkeit im Netz zu durchforsten, bestrafen, zensieren und zu eliminieren. 

In der Tat knicken die ersten Blogger und Redakteure ein angesichts von 500 000 Euro Strafe für beliebig definierbare Hate-Speech, und andere Herausgeber berichten von schwindendem Anzeigenaufkommen und mysteriösen algorithmischen Bewegungen. Und das Volk? Die mündigen aufgeklärten Bürger? In Nordrhein-Westfalen gelang es nicht einmal den Abgehängten, aus der Anonymität des Kreuzchens heraus den Populisten der Mitte einen sogenannten Denkzettel zu verpassen. Es bleibt einem in Sachen Stimmvieh hierzulande nur noch die Prognose, dass sich selbst die wildesten frei laufenden Hühner Ende September für ein geordnetes Weiterdösen in sicherer Käfighaltung entscheiden werden.

GroKo-Populismus geht weiter 

Und die Parteien? Die trunkenen Christsozialdemokraten grölen so laut wie falsch ihr „An Tagen wie diesen“ und wissen doch nicht so recht, wie und was ihnen diesen Zulauf beschert. Über die Implosion der Grünen könnte man ein richtig schönes Buch schreiben, doch mittlerweile tut es eine Grabinschrift. Und die One-Man-Show der FDP liefert immerhin hübsche Wahlplakate: So nett müde wirkt dieser Herr Lindner mit seinem Dreitagebart, ein bisschen grüblerisch verkatert, irgendwie lost. Und die SPD? Was allein Thomas Oppermann nach den drei letzten Bugschüssen als Erkenntnisgewinn zum Besten gab, kommt einem Ruf nach therapeutischer Hilfe gleich. Und beim Hobby-Comedian Hubertus Heil stellt sich nur die Frage, welcher Geheimdienst eigentlich seine Waterloo-Kampagne finanziert.

Egal. Das Leben geht weiter. Hoch lebe die Abwrackprämie. Noch vier Jahre Elite-Grokokratie. Noch vier Jahre Angies Farm: „It’s a shame the way she makes me scrub the floor …“ 

Der einzige echte Mensch nebenbei, der in diesem Sommer 2017 sein Haupt erhob, war der SPD-Abgeordnete René Schneider. Er sagte: „Mir war manchmal, als gebe es da eine unsichtbare Schranke zwischen mir und den Menschen, denen ich auf Märkten und Plätzen begegnet bin. Offenbar spüren wir in unseren Filterblasen nicht mehr, worum es dem anderen tatsächlich geht.“

 

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