Dunkle Wolken ziehen am 31.08.2017 in Dresden (Sachsen) über die Kulisse der Dresdner Altstadt hinweg.
Die Dresdener Altstadt ist ein Beispiel für ein „ungemütliches Deutschland“ / picture alliance

Meinungsvielfalt - Dichter Nebel über Muddy Waters

In Deutschland tut die politische Elite andersartige Denkansätze systematisch als populismusverdächtig ab. Zugleich fehlt ihr eine realitätsnahe Perspektive auf die Probleme der Bevölkerung. Das schafft in Politik und Kultur ein Gefühl der Aussichtslosigkeit

Autoreninfo

Wolf Reiser (64) lebt und arbeitet in München als Buchautor, Reporter und Essayist. Mehr hier

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Wem es gelingt, ein paar Schritte aus dem vernebelten Wahnsinn der deutschen Normalität herauszutreten, wird belohnt mit einem Blick auf sumpfige Tristesse. Damit der öffentliche Verkehr in diesem Morast geordnet weiterläuft, haben sich entlang der Drainagegräben die Hüter der Korrektheit in Position gebracht. Ihre Mission: die erstickende Atmosphäre von jedem frischen Luftzug fernhalten. Der würde den alternativlosen Stillstand des rot-grün-schwarzen Tugendregimes empfindlich stören.
Ein Schlamm aus Neobiedermeier hat sich über Stadt, Land, Fluss gelegt und lähmt Politik und Medien, Kino und Theater, die Mode und den Sport, die Gemüter, das Straßenbild, alles und jeden. Ganz in diesem Sinne und Geiste wird von Gruner & Jahr ein innovatives Zeitgeistheft angekündigt: „Wir feiern das neue Miteinander, genießen Selbstgemachtes, spüren das gute Gefühl von Geborgenheit und zeigen, dass weniger in allen Lebenslagen mehr ist. Wir suchen nach Gemütlichkeit, Ruhe, Gemeinsamkeit und Glück.“ 

Deutschland is K.O.

Auf meinen Reisen durch die Republik erlebe ich ein ziemlich ungemütliches Deutschland, in dessen trügerischer Ruhe sich keinerlei glückliches Gemeinschaftsgefühl zeigt. Ich spreche von der brutalen Agonie in Städten wie Duisburg, Rostock oder Kassel, vom aggressiven Chaos in der Dresdner Altstadt und rund ums Kottbusser Tor, von der überreizt-dumpfen Cholerik in Zügen, Shoppingcentern und auf Festgeländen oder der derangierten Multikultimelange der Junkie- und Stricherszene des Münchner Bahnhofsquartiers. 

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