Meghan und Harry bei Oprah Winfrey - Tristesse Royale

Herzogin Meghan und Prinz Harry haben sich in einem TV-Interview erklärt und erheben schwere Vorwürfe gegen das britische Königshaus. Das Gespräch ist zwar für alle Beteiligten peinlich, erfüllt aber wesentliche Anforderungen aktueller Debatten: Man stilisiert sich zum Opfer, um Vorteile zu erlangen.

Meghan und Harry bei Oprah / picture alliance
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Alexander Marguier ist Chefredakteur von Cicero.

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Royals-Geschichten interessieren mich normalerweise nicht die Bohne. Bevor ich mich mit pseudo-höfischem Blödsinn beschäftige, schaue ich notfalls eher noch einen Münster-Tatort an. Aber was die britische Königsfamilie gerade mal wieder abgeliefert hat, das ist dann doch ein Stoff, an dem man nicht einfach vorbeilaufen kann. Wenngleich es einem da eher so geht wie bei einem überfahrenen Hund auf der Straße: Sehen will das eigentlich keiner, aber der Kadaver zieht den Blick irgendwie doch magisch auf sich.

Und bei den Windsors sowie all jenen, die irrtümlich dazu gezählt werden, geht es ja tatsächlich auch um Magie. Nur, dass diese sich nicht mehr speist aus einer jahrhundertealten Familientradition, sondern neuerdings schnurstracks auf Zeichentrick-Märchen von Disney rekurriert. So hat es jedenfalls Herzogin Meghan von Sussex, geborene Markle, in ihrem herzensbewegenden Interview mit der amerikanischen Talkshow-Legende Oprah Winfrey gerade erzählt. Ihre Lebensgeschichte verglich sie dort tatsächlich mit Arielle – also jener Meerjungfrau, die ihre Stimme verlor um der Liebe zu einem Menschen wegen. Das alles ist dermaßen kitschig und infantil, dass es einem selbst fast die Sprache verschlägt. Nur fürs Protokoll: Meghan besucht nicht mehr die Grundschule, sondern sie ist bald 40 Jahre alt.

Herzogin und Fabelwesen

Aber wir leben ja in Zeiten, in denen sich die Identität darüber definiert, wer man glaubt zu sein beziehungsweise sein zu müssen. Und wenn eine in der Filmbranche sozialisierte Kalifornierin halt davon überzeugt ist, sich am englischen Hofe zuerst in eine Herzogin, dann in ein Fabelwesen und jetzt mit ihrem TV-Bekenntnis zurück zu ihrer ursprünglichen Natur verwandelt zu haben, dann ist das natürlich nicht der Stoff, aus dem die Träume sind. Sondern schlicht und ergreifend die Realität. Und wer das bezweifelt, der hält wahrscheinlich auch Disney-Animationen für erfundenes Zeug.

Wobei es ein großer Fehler wäre, der kindlichen Kaiserin Naivität zu unterstellen. Denn wer seinen Traum mit einem derartigen Durchsetzungswillen lebt wie Markle, der hat im echten Leben alles richtig gemacht. Don’t dream your life, live your dream: Das ist bekanntlich das Motto einschlägiger Self-Enhancement-Literatur, mit deren Hilfe sich jede Meghan dieser Welt zur leibhaftigen Prinzessin emporpowern kann. Zumindest theoretisch. Wenn es einer von ihnen dann am Ende tatsächlich auch noch gelingt und sie sozusagen als Krönung des Ganzen den angeheirateten Prinzen himself als Testimonial mit vor die Kamera einer TV-Königin zerrt, hat sie den Platz im Selbstverwirklichungs-Walhall redlich verdient. Respekt.

Selbstverständlich hat Herzogin Meghan vor ihrem Gespräch mit Oprah Winfrey in argumentativem Drachenblut gebadet und sich gegen mögliche Anfeindungen unverwundbar gemacht: Der Vorwurf, sie sei am Hofe der Windsors rassistisch angegangen worden, ist allein schon deswegen unwiderlegbar, weil in diesem Zusammenhang ausnahmsweise keine Namen genannt werden. Ohnehin ist das Thema derart heikel, dass Nachfragen sich von selbst verbieten. Was zählt, ist der Erfahrungshorizont – und wenn sie es so empfunden hat, dann war es eben so. Punkt.

Prinzessin auf der Erbse

Sowieso geht es in dem Gespräch ausschließlich um die Befindlichkeiten einer Prinzessin auf der Erbse, die sich ohne jede Ironie darüber beschwert, dass im britischen Königshaus andere Gepflogenheiten herrschen als am Strand von Malibu. Dass niemand ihr erklärt habe, wie und warum sie vor ihrer künftigen Schwiegeroma einen Knicks zu machen habe: ein Unding! Ansonsten sei die Queen aber ganz okay, findet Meghan. Da kann das Empire ja aufatmen.

Harry durfte auch ein bisschen was sagen (etwa über sein angespanntes Verhältnis zu Vater und Bruder), zumindest in der zweiten Hälfte des Gesprächs. Die erste Stunde aber war Meghan vorbehalten, die sich offenbar akribisch auf ihre Rolle vorbereitet hatte: Alles saß perfekt, vom Makeup über das Kleid bis hin zu den einstudierten Sätzen für die Entertainment-Industrie. Inklusive solcher Preziosen wie der Erörterung, ob Herzogin Meghan mit Herzogin Kate wegen unterschiedlicher Auffassungen zur Farbe der Kleider von Hochzeits-Blumenkindern aneinandergeraten sei. Des Rätsels Lösung: Kate hat Meghan zum Weinen gebracht, nicht umgekehrt! Alles andere würde auch nicht in die sorgsam konstruierte Opferrolle inklusive erschreckender Suizid-Gedanken passen. Es ist ein Drama.

Ein Drama allerdings, das sich für Meghan Markle noch als äußerst lukrativ erweisen dürfte. Denn natürlich geht es hier ums Showbusiness mit den entsprechenden Verwertungsketten von Spotify bis Netflix. Dass Harry sich in dieser Aufführung mit der Rolle als Prinz Hanswurst begnügt, ist sein Problem. Ob der Rest der Royal Family nach den Eskapaden der verhaltensauffälligen Lady Diana auch das jüngste Spektakel ohne nachhaltige Schäden übersteht, wird sich zeigen. Mein Mitleid hält sich jedenfalls in Grenzen. Das kommt halt davon, wenn man eine amerikanische Seriendarstellerin in seine Familie einheiraten lässt. Pech gehabt. Oder besser gesagt: selber Schuld.

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