Polit-Talk in der Krise - Lanz kann's

Als Markus Lanz 2009 den Talk von Johannes B. Kerner übernahm, galt er als Allzweckwaffe des ZDF für Kochen, „Wetten, dass..?“ und Geschwurbel. Inzwischen ist er Deutschlands bester Polittalker. Und ausgerechnet die „taz“ hat ihn jetzt gewürdigt.

„Er will's wirklich wissen“: Markus Lanz / dpa
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Autoreninfo

Antje Hildebrandt hat Publizistik und Politikwissenschaften studiert. Sie ist Reporterin und Online-Redakteurin bei Cicero.

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Mit Markus Lanz ist es ein bisschen wie mit der Bildzeitung. Keiner mag ihn, aber viele haben seine Sendung gesehen. Man muss „Lanz“ auch nicht mögen. Man kann ihn gelackt oder schleimig, arrogant oder anbiedernd finden. Man kann sich darüber aufregen, dass er Gästen ins Wort fällt oder ein-, zwei- oder auch dreimal nachbohrt, wenn ein Politiker wortreich versucht, nicht auf seine Fragen zu antworten. 

Aber eines muss man Lanz lassen: Seine Interviews sind spannend und lehrreich – und im besten Fall sogar unterhaltsam. Wenn man neu in der Branche ist und sich ein Bild von Politiker X machen will, und dieser X ist zufällig gerade bei Lanz zu Gast – unbedingt gucken. Pro Gast hat Lanz in seinem Polit-Talk um Mitternacht im Schnitt knapp 20 Minuten Zeit. 

Wo Talk drauf steht, ist auch Talk drin 

Das reicht in der Regel, um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie einer tickt. Denn wo Talk draufsteht, ist auch Talk drin. Es geht ihm darum, etwas Neues über seine Interviewpartner zu erfahren – nicht nur darum, Gäste gegeneinander auszuspielen, um knackige Zitate an die Nachrichten-Agenturen schicken zu können. Das klingt banal, denn sowas sollte im Journalismus eigentlich selbstverständlich sein. Und doch ist es genau das, was Lanz von den WillsIllnersMaischbergers und Plasbergers unterscheidet. Es geht ihm um Erkenntnis. Er hat als Reporter angefangen, und im Grunde seines Herzens ist er das bis heute geblieben. „Er will’s wirklich wissen.“

So hat Peter Unfried ein Porträt von Lanz für das Magazin FuturZwei in der taz betitelt. Es gibt Abonnenten, die die taz nach der missratenen Polizei-„Satire“ von Hengameh Yaghoobifarah abbestellt haben. Die Beiträge von Peter Unfried sind ein Grund, sie zu behalten. Unfried traut sich, Themen taz-untypisch gegen den Strich zu bürsten. Svenja Flasspöhler, eine der beliebtesten Hassfiguren linker Feministinnen, darf sich im Interview mit ihm über den moralischen Totalitarismus der Linken mokieren. Das spricht für die Marke taz. Es gibt noch Reste von Meinungspluralismus. 

Von der Karikatur emanzipiert 

Auch Markus Lanz ist wohl über den Verdacht erhaben, Sprachrohr der taz zu sein. Trotzdem kommt das Porträt von ihm als Liebeserklärung an den Moderator daher. Man findet darin Sätze wie „Markus Lanz ist ein sehr gut aussehender Mann mittleren Alters, Jahrgang 1969.” Das Porträt in der taz ist der Gegenentwurf zu der Karikatur, mit der Max Giermann, Deutschlands bester Parodist, dem ZDF-Talker einst in der Sendung „Switch Reloaded“ ein Denkmal gesetzt hat – die Figur eines furchtbar blasierten Scharfrichters, der sich am liebsten selbst reden hört und mit erigiertem Zeigefinger Ausrufezeichen in die Luft bohrt. 

So nehmen Lanz-Kritiker ihn noch heute wahr. Als streberhaften Aufsteiger, dem der Ehrgeiz aus jeder Pore tropft. Aber Lanz hat sich von dieser Karikatur emanzipiert. Aus dem RTL-Boulevardjournalist („Explosiv – das Magazin“) und der ZDF-Allzweckwaffe für Kochen, „Wetten, dass ..?“ und Geschwurbel ist die Nachwuchshoffnung für den Polit-Talk geworden – mit über 50 Jahren. Das verrät vielleicht mehr über den Zustand des politischen Talks als über den Moderator. Aber der kann jetzt immerhin wieder guten Gewissens in den Spiegel gucken und die Kritik an seiner Person non-chalant an sich abperlen lassen. Lanz kann’s. 

Das vollständige Porträt lesen Sie hier. 

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