Kampagne gegen Luke Mockridge - „An den Arsch gegriffen, so richtig mit Schmackes“

Luke Mockridge kehrt zurück auf die Bühne. Weil ihn seine Ex-Freundin wegen versuchter Vergewaltigung angezeigt hatte, zog er sich im August aus dem Fernsehen zurück. Dabei wurde der Vorwurf nie bewiesen. Doch weil Feministinnen und der „Spiegel“ das suggerierten, nahm der Komiker eine Auszeit. Die Chronologie einer Verleumdungskampagne.

Unter medialem Beschuss: In der Öffentlichkeit wird Luke Mockridge längst als Täter wahrgenommen. / dpa
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Antje Hildebrandt hat Publizistik und Politikwissenschaften studiert. Sie ist Reporterin und Online-Redakteurin bei Cicero.

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Das Timing für die Nachricht von seinem Comeback war perfekt. Er komme zurück, kündigte Luke Mockridge am Heiligabend auf seinem Instagram Account an – allerdings nicht verbal, sondern über entsprechende Botschaften, die er wie in dem Weihnachtsfilm „Tatsächlich ... Liebe“ auf Plakate geschrieben hatte. Da stand er also, ein Schlaks in Wollpullover und Mütze, ein leicht zerkautschtes Grinsen im Gesicht. Er schaltete einen Ghettoblaster an, und zur Melodie von „Stille Nacht, Heilige Nacht“ warf er ein Plakat nach dem anderen auf den Boden. „Es ist Weihnachten“, stand da, „(und weil man Weihnachten immer die Wahrheit sagt), Ja, das ist zum Teil auch Werbung für meine nächste Tour in 2022.“    

Die Nachricht dürfte viele überrascht haben. Denn das letzte Lebenszeichen von Mockridge war im Herbst allem Anschein nach aus der Psychiatrie gekommen. Es hieß, er sei psychisch völlig am Boden. Einer seiner Freunde wird von der Bild mit den Worten zitiert, der unglaubliche Hass aus dem Internet habe ihn zerstört. „Er empfindet es als eine Art Hexenjagd.“

Kein typischer MeToo-Fall 

Er, das ist Luke Mockridge. Einer der erfolgreichsten deutschen Nachwuchskomiker mit eigener Show bei Sat.1. Von den einen geliebt, von den anderen gehasst. Die Trennlinie auf Twitter verläuft ziemlich genau zwischen Anhängern und Anhängerinnen der #MeToo-Bewegung und seinen treuesten Fans. Dabei passt der Fall Luke Mockridge gar nicht ins Schema der #MeToo-Bewegung. Ihm wird ja nicht vorgeworfen, er habe seine Macht als Comedian ausgespielt, um eine Frau zu sexuellen Handlungen zu zwingen, die beruflich von ihm abhängig gewesen wäre.

Die Frau war seine Ex-Freundin Ines Anioli, selber eine semi-prominente YouTuberin und Influencerin. Obendrein eine, die als erfolgreiche Sex-Podcasterin auf Tabubrüche spezialisiert ist. Sie hatte ihn 2020 beschuldigt, er habe versucht, sie zu vergewaltigen. Die Staatsanwaltschaft hat ermittelt, das Verfahren aber nach zehn Monaten wieder eingestellt, weil die vorliegenden Beweise nicht für eine Verurteilung ausreichten. Von einer „Aussage-gegen-Aussage-Konstellation“ war die Rede und davon, dass diese besonders strenge Anforderungen an die einzige Belastungszeugin stellten. In zwei wichtigen Punkten befand das Gericht diese aber nicht für glaubwürdig. Warum hatte sie die Anzeige gegen Mockridge erst vier Monate nach der vermeintlichen Vergewaltigung erstattet? Und warum hatte sie trotz der Tat und der Anzeige weiterhin über „beabsichtigte Zärtlichkeiten“ mit ihm kommuniziert?

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In dubio pro reo 

Das muss nicht heißen, dass er die Tat nicht begangen hat. Das Paar war schon seit über einem Jahr zusammen. Die Hemmschwelle, den eigenen Partner wegen versuchter Vergewaltigung anzuzeigen, liegt höher als in den Fällen, wo der Täter ein Unbekannter ist. Die Einstellung eines Verfahres ist auch kein Freispruch. Trotzdem gilt für den Beschuldigten der Grundsatz der Untschuldsvermutung. „In dubio pro reo“, im Zweifel für den Angeklagten.

Mit der Einstellung des Verfahrens und der Ablehnung der Beschwerde von Ines Anioli wäre der Fall eigentlich erledigt gewesen. Ein Unbehagen aber blieb. Denn einer von beiden hatte offenkundig gelogen. Die Frage aber war: Wer?

Prozess bei Twitter 

Diese Frage wird seither von einem Gericht verhandelt, in dem rechtsstaatliche Grundsätze nicht gelten, weil jeder Richter sein kann, der Richter sein möchte: bei Twitter. Dort gelten keine Beweise, dort geht es darum, wer lautere, reichweitenstärkere und prominentere Fürsprecher hat. Und nimmt man dieses Kriterium zum Maßstab für Rechtsprechung, dann muss man sagen: Im Nachgang hat das vermeintliche Opfer doch noch Recht bekommen. 

Es war ein Tweet, der die unbewiesenen Vergewaltigungsvorwürfe gegen Luke Mockridge wieder zurück in die Öffentlichkeit katapultierte. Die SPD-Politikerin Lilly Blaudszun warb darin für den neuen Podcast von Ines Anioli. Und sie verknüpfte den Hinweis mit der Frage, warum die Ermittlungen gegen Mockridge keine rechtlichen Konsequenzen gehabt hätten. Jorinde Wiese springt auf den Zug auf, eine 27-jährige Freiburgerin, die sich auf Twitter als Kämpferin gegen sexuelle Gewalt und für die Rechte von Transsexuellen verkauft. Angeblich kennt sie weder Mockridge noch Anioli.  Auch  hat sie keine Beweise. Trotzdem ergreift sie jetzt in den sozialen Medien Partei für das angebliche Vergewaltigungsopfer.

Screenshot/ Twitter 

Witze über „Scheidi Klumm“ 

Anioli hat zu diesem Zeitpunkt schon ihren früher erfolgreichen Sex-Podcast „Besser als Sex“ aufgegeben. Angeblich, weil sie, traumatisiert durch ihre Erfahrungen mit Mockridge, nicht mehr unbefangen über das Thema reden könne. Dabei stand der Podcast wegen der Schwangerschaft ihrer Talkpartnerin sowieso vor dem Aus. Die „freche Blondine aus dem Ruhrpott“, wie die Bunte sie in einem Porträt bezeichnet, probiert sich jetzt mit demselben Thema als Komikerin auf der Bühne aus – mit wenig Erfolg. Ihre Vagina nennt sie „Scheidi Klumm“. Eine Kritikerin schreibt, sie arbeite sich „an dem alten Rein-Raus-Spiel“ ab.

Sie beschuldigt Mockridge, er würde ihre Karriere behindern. Der private Rosenkrieg ist jetzt ein Poltikum. Jorinde Wiese trägt dazu maßgeblich bei. Sie denkt sich den Hashtag #KonsequenzenFürLuke aus und wiegelt ihre Anhänger gegen Mockridge auf. Ihr Engagement trägt ihr viel Kritik und angeblich sogar Morddrohungen, aber noch mehr Follower ein. Und spätestens jetzt ist der außergerichtliche Schauprozess gegen Mockridge völlig aus dem Ruder gelaufen.

Wieder da: Luke Mockridge / Instagram 

Rückzug aus dem Fernsehen 

Sat.1, sein Haussender, stellt sich hinter ihn. Von „Lynchjustiz“ ist die Rede. Im August bezieht der Comedian auf Instagram Stellung. In einem Video kündigt er seinen vorübergehenden Rückzug aus dem Fernsehen an. Er räumt indirekt zum ersten Mal ein, dass er ein Problem hat – und dass er es nicht mehr alleine lösen kann. „Ich muss verstehen, wie ich hier gelandet bin. Das ist aber ein privater Prozess, und der braucht Zeit, und der braucht auch professionelle Hilfe  – und die habe ich auch schon.“

Inzwischen wurde das Video gelöscht – wie auch alle anderen Inhalte des Accounts. Kein Wunder. Nur einen Monat später hat sich der Spiegel in den Prozess gegen Mockridge eingeschaltet. Zwei Reporterinnen haben zahlreiche Stimmen von Frauen gesammelt, die den Komiker auch alle als übergriffig, aggressiv und rücksichtslos erlebt haben wollen, darunter auch eine Ex-Freundin. Eine behauptet, sie habe ihn um ein Selfie gebeten. Er habe ihr dabei „an den Arsch gegriffen, wirklich so richtig mit Schmackes“.

Ist an den Vorwürfen doch was dran? 

Es ist kein schmeichelhaftes Bild von Mockridge, das der Spiegel da zeichnet. Aber die Vergewaltigungsvorwürfe beweist der Bericht nicht. Es ist so oft wie bei den Berichten des Spiegel. Durch die Menge der Vorwürfe entsteht der Eindruck, an dem Verdacht der Vergewaltigung könnte doch etwas dran sein. Inzwischen musste das Magazin zentrale Teile des Textes „Die Akte Mockridge“ wieder offline nehmen. Das Landgericht Hamburg sah darin eine „unzulässige Verdachtsberichterstattung" und eine Verletzung der Persönlichkeitsrechte des Entertainers. Der will nun eine sechsstellige Entschädigungssumme geltend machen. 

Einen Monat später hat auch die Spiegel-Geschichte berufliche Konsequenzen für Mockridge. Die für den Deutschen Comedy-Preis nominierte Netflix-Serie „Über Weihnachten“, in der er die Hauptrolle spielt, fliegt aus dem Rennen. Die Veranstalter begründen das mit den „öffentlich geführten Diskussionen“ über Mockridge. Man ist geneigt, von einer Rufmordkampagne gegen ihn zu sprechen.

Comeback unter medialem Beschuss 

Einigen Kollegen gehen aber auch diese Sanktionen gegen ihn immer noch nicht weit genug. Die queere Kabarettistin Maren Kroymann, die bei der Gala für ihr Lebenswerk ausgezeichnet wird, ist so eine. In ihrer Rede fordert sie, „dass Verantwortliche hier für diesen Preis und auch von dem Sender die Eier gehabt hätten, zu sagen: Wir solidarisieren uns nicht nur mit dem beliebten Künstler, sondern auch mit den Frauen, die betroffen sind.“

Beweise gibt es immer noch keine, aber wer braucht die noch, wenn Mockridge von der Öffentlichkeit durch das Trommelfeuer der sozialen Medien und des Spiegel längst als Täter wahrgenommen wird? Dass er jetzt ein Comeback angekündigt hat, wird seine Hater nicht besänftigen. Im Gegenteil. Vielleicht fängt die Schlammschlacht dann erst an. Auf Twitter kursieren Fotos von positiven Covid-19-Schnelltests. Darunter hat einer seiner größten Kritiker geschrieben: „Hast Du Bock, mit mir zu Luke Mockridge zu gehen?“

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