Lisa Eckhart im Porträt - Ätze homo

Lisa Eckhart, Misanthropin und leidenschaftliche Nietzsche-Leserin, balanciert auf dem schmalen Grat zwischen Über- und Untermensch. Ihr größter Feind ist der Glaube an die moralische Überlegenheit des Durchschnitts. Das ist nicht das einzige, was der Komikerin Kritik einbringt.

„Kein monochromes Siechen, auch nicht von der Erscheinung her“: Die Kabarettistin und Autorin Lisa Eckhart / Franziska Schroedinger
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Autoreninfo

Ute Cohen ist Schriftstellerin und Journalistin.

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Die einen bekritzeln Sudelhefte und versuchen mit Ach und Krach ihrer Authentizität Ausdruck zu verleihen, die anderen verfechten das strikte Artifice, das niemals, aber auch niemals von einem selbst besudelt werden darf. Lisa Lasselsberger, eine 27-jährige österreichische Kabarettistin, irritiert als Kunstfigur Lisa Eckhart Ambiguitätsphobiker und Sprachneurotiker gleichermaßen. Das jüngste Debakel ums Harbour Front Literaturfestival, bei dem Eckhart ihren Roman „Omama“ vorstellen sollte, scheint letzten Endes dem Missverstehen des Maskenspiels der Künstlerin geschuldet zu sein. Steht sie nun rechts oder links, teilt sie aus nach oben oder unten?

Wie nur Ketzer sein in einer Welt des „rien ne va plus“? Eckharts Handlungsanweisung ist klar: „Seien Sie maßlos in allem, nur niemals der Mittelmäßigkeit.“ Ein Affront gegen alle, die eisern an die moralische Überlegenheit des Durchschnitts glauben und das Streben nach dem Höheren als Ausfluss einer schändlichen Hybris erachten. 

Lisa Eckhart sitzt aufrecht auf dem Ledersofa im Rauchersalon des Steigenberger Grandhotels in Leipzig. Körperspannung ist ihr eigen. Jede ihrer Bewegungen ist geschmeidige Kontrolle. Wenn die unschuldig weiß lackierten Teufelskrallen eine anmutige Gestik akzentuieren, dann ist Eckhart der gelebte Widerspruch. Nicht Widerspruch um des Widerspruchs willen, vielmehr einem Hadern entsprungen. 

„Irgendwann bricht in mir das Vulgäre, das Menschliche heraus“

So klar das Bekenntnis zur disziplinierten Ästhetik ist, so sehr ringt Eckhart noch mit diesem Ich, das sie auf der Bühne am liebsten verschwinden lassen würde. „In einem ganz klassischen deutschen Idealismus habe ich immer auf den Leib herabgeschaut. Was für ein Gefängnis des Geistes“, sagt sie, dreht sich eine Zigarette und nippt an ihrer Weißweinschorle. 

Sie lauscht einen Moment nach draußen. Durch das Fenster dringt Straßenmusik herein, ein dubioser Zwieklang aus mittelalterlichen Chorälen und Drehorgel. Eckhart erhebt sich, leichtfüßig, ätherisch wirkt sie in diesem von Leder, Messing und Schwarz geprägten Raum, und schließt das Fenster. 

Nun ist sie ganz Konzentration, mit einem Lächeln dankt sie artig der Bedienung, die nach Wein Kaffee reicht und Gavottes, hartblättriges Karamellgebäck. Paris steht plötzlich im Raum, die Stadt der Forderung. Sehr streng sei sie, die französische Hauptstadt. Während ihres Studiums dort habe sie immer einen mahnenden Zeigefinger gespürt, Minderwertigkeit auch, dem Hochartifiziellen nicht genügen zu können. 

„Irgendwann bricht in mir das Vulgäre, das Menschliche heraus“, sagt sie und schillert in ihrem Versace-Signature-Outfit, das dem Kreatürlichen wohl Einhalt gebieten soll. Nicht genug freilich, denn die „Schrauben der Exzentrik“ gedenke sie noch anzuziehen. Sie möge „kein monochromes Siechen, auch nicht von der Erscheinung her“. 

Heiraten in der Wahlheimat Leipzig

Das Plädoyer für Polychromie darf durchaus metaphorisch begriffen werden. Der Ruf nach Ambivalenz erschalle inzwischen zwar weithin, und doch lebten wir in einer Gesellschaft, die den absoluten Konflikt und Unversöhnlichkeit naturalisieren wolle. Bei „all diesen Scheingefechten“ übersähen wir, dass in der „Binarität, dem Raum zwischen null und eins“, das wahre Problem stecke. Sie fürchte sich ein wenig vor der drohenden „grundsätzlichen Misanthropie“ gegenüber allem und jedem. Ihr Gegengift ist das Dionysische, eingeflößt und eingeflüstert von ihrem Heros Nietzsche. Für „dekadente Melancholie“ sei kein Platz mehr, vielmehr fühle sie sich „einer radikalen Lebensbejahung und Heiterkeit“ verpflichtet. 

Unverrückbar in dieser Zeit der Ressentiments sei nur die Mutterliebe, die nach Otto Weininger ausweglos sei. Es gebe keine Möglichkeit, nicht geliebt zu werden von der Mutter: „Pflicht und Neigung decken sich, und das“, so Eckhart, „erscheint immer unmoralisch, weil sich das nicht zu decken hat.“ Wie aber sieht es aus mit einer kontingenten Liebe, die durch Erarbeitung erst Bedeutung gewönne? Eckhart, die Steiermärkerin, spricht von ihrer der Liebe geschuldeten Wahlheimat Leipzig. Heiraten werde sie ganz in der Nähe, das stünde schon fest, und zwar in Röcken, Nietzsches Geburtsort. Nietzsche, Eckharts Deus ex machina für innerliche Querelen aller Art, springt ihr auch in diesem Falle bei. Ein Pfarrhaus sei Nietzsches Geburtshaus inzwischen, und der heiligen Union zwischen dem Philosophen und der katholischen Kirche gedenke sie mit ihrer Hochzeit den Segen zu erteilen. Sie lacht schelmisch und doch als Hofnärrin, wie es sich geziemt, todernst. Ein letztes Wort? In Gottes Namen und in Nietzsches Sinn: „Ich bin lieber alternierend Unter- sowie Übermensch als einfach nur Mensch.“

 Dieser Text stammt aus der September-Ausgabe des Cicero, die Sie am Kiosk oder direkt bei uns portofrei kaufen können.

 

 

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