Kunstraub aus Grünem Gewölbe in Dresden - Die Profitgier und kulturelle Zerstörungswut des Remmo-Clans

Hinter dem Juwelenraub von Dresden steckt wohl der berüchtigte Berliner Remmo-Clan. Heute spürte die Polizei bei einer Großrazzia drei Tatverdächtige auf – allerdings kein Raubgut. Das lässt das Schlimmste befürchten. Denn dem Clan scheint es auch um kulturelle Zerstörung zu gehen.

Knapp ein Jahr nach dem Kunstdiebstahl im Dresdner Grünen Gewölbe hat die Polizei am Dienstagmorgen in Berlin drei Tatverdächtige festgenommen / dpa
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Ralf Hanselle ist stellvertretender Chefredakteur von Cicero. Im Verlag zu Klampen erschien von ihm zuletzt das Buch „Homo digitalis. Obdachlose im Cyberspace“.

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Die Spur führt nach Neukölln. Irgendwo im Berliner Süden, zwischen Dönerbuden, Gemüseläden und hippen kleinen Boutiquen dürfte es verschwunden sein: das kostbare Brillantkollier von Sachsens Königin Amalie Auguste oder ihr Achselband mit weißen Brillanten. Geahnt hatte man das lange schon. Nachdem im November 2019 Unbekannte in das weltberühmte Grüne Gewölbe im Dresdener Residenzschloss eingebrochen waren und dort binnen weniger Minuten aus einer Ausstellungsvitrine gut 20 Objekte – darunter einzigartige barocke Goldschmiedearbeiten mit eingearbeiteten Juwelen – geraubt hatten, hatte manch Kenner der Szene bereits früh den richtigen Riecher. 

Zu ihnen zählte damals auch Peter Raue: Der Berliner Kunstmäzen und erfahrene Anwalt im Bereich Kunst und Kunsthandel hatte bereits wenige Stunden nach dem spektakulären und für viele aus der Museumsbranche nahezu unmöglichen Coup durchblicken lassen, dass ihn die skrupellose Vorgehensweise aufs Verblüffendste an jenes Verbrechen aus dem Jahr 2017 erinnere, bei dem Angehörige des Neuköllner Remmo-Clans eine 100 Kilogramm schwere Goldmünze aus dem Berliner Bode Museum hatten verschwinden lassen. Es war nur ein Verdacht, aber selbst der Dresdner Polizeipräsident konnte ihm damals etwas abgewinnen und sah beim Verschwinden der schier unbezahlbaren Kunstschätze aus den Beständen der Staatlichen Kunstsammlung Dresden „Bezüge in Richtung Berlin“. 

Drei Tatverdächtige wurden verhaftet

Warum es dann aber doch noch ein Jahr dauern sollte, bis aus der mulmigen Ahnung ein hinreichender Tatverdacht werden konnte, werden wohl erst die nächsten Tage zeigen. Fest steht, am heutigen Dienstag schlug die sächsischen „Soko Epaulette“ mit gut 1.600 Polizeibeamten im Berliner Clan-Milieu zu, um die vermutlichen Täter des Kunstraubs im Grünen Gewölbe dingfest zu machen. Dabei stellten die Beamten während ihrer Großrazzia nicht nur verschiedenste Beweismittel wie Festplatten und Werkzeuge sicher, sie nahmen auch drei Tatverdächtige fest, nach zwei weiteren wird gefahndet. Nach Angaben der Deutschen Presse Agentur sollen alle fünf der polizeibekannten, arabischstämmigen Großfamilie Remmo angehören – just jenem Clan also, der auch für den spektakulären Münz-Raub im Bode-Museum 2017 verantwortlich war.

Es scheint, als würde man sich in dem eigentümlichen Neuköllner Familienbetrieb Remmo mehr und mehr auf Kunst- und Kulturgegenstände spezialisieren – ein sicheres zweites Standbein neben den bewährten Geschäftsfeldern Drogenhandel, Geldwäsche und Schutzgelderpressung. Es ist ein sicheres und krisenfestes Arbeitsumfeld, immerhin belegt Deutschland unter den beliebtesten Ländern für Kunsträuber hinter Großbritannien und den USA einen guten fünften Platz. Denn wo der Kunstmarkt blüht, da gedeiht auch das Verbrechen. Dass der kriminelle Teil der einst aus dem Libanon geflüchteten Großfamilie Remmo, deren Mitglieder heute zumeist die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen, bei seinen Kulturtätigkeiten nicht das Wahre, Schöne und Gute im Auge hat, das zumindest scheint offensichtlich. 

Das Werk wird zerstört

Die sogenannte Big Maple Leaf-Münze aus Berlin etwa, die das Bildnis von Königin Elisabeth II. zeigte und die einen Goldwert von 3,75 Millionen Euro gehabt haben soll, dürfte vermutlich in kleine Stücke geteilt, geschmolzen und am Ende verkauft worden sein. Ein profundes Geschäft, das für den Kunstschatz aus Dresden, der bei der heutigen Razzia, wie eigentlich erwartet, nicht gefunden werden konnte, nichts Gutes erahnen lässt. 

Schon kurz nach der Tat nämlich hatten damals Experten wie die Juwelen-Sachverständige Beate Kalisch aus dem rheinischen Meerbusch gemutmaßt, dass es wahrscheinlich sei, dass die Täter die alten Diamanten aus dem Schmuck lösen würden, um sie anschließend umarbeiten zu lassen: Die Steine, so Kalisch damals gegenüber der Süddeutschen Zeitung, würden auf diese Weise kleiner und 10 bis 30 Prozent ihres Gewichts verlieren, „aber dafür würde der Schliff perfekter. Sie würden dann richtig, richtig viel Geld bringen.“

Es geht um viel Geld

Und um „richtig viel Geld“ scheint es der gut 500-köpfigen Familie Remmo bei nahezu all ihren schmutzigen Geschäften zu gehen. Anders, als etwa beim legendären französischen Kunsträuber Stéphane Breitwieser, der zwischen 1995 und 2001 in ganz Europa gut 240 Kunstwerke im Wert von geschätzt 1,4 Milliarden Dollar gestohlen haben soll („Ich genieße Kunst. Ich liebe solche Kunstwerke“, so Breitwieser in der späteren Gerichtsverhandlung) und anders auch als beim berüchtigten und vermutlich als geisteskrank einzustufenden Mona-Lisa-Räuber Vincenzo Peruggia, geht es dem Neuköllner Clan weder um Schönheit noch um Manie. 

Es scheint, als wäre nicht nur Profitgier, sondern ebenso kulturelle Zerstörungswut der eigentliche Motor hinter derlei Verbrechen an den einzigartigen Schätzen in deutschen Museen. Eine neuartige Form von Kulturverlust scheint sich dieser Tage breitzumachen, das belegten jüngst auch die noch immer ungeklärten Anschläge auf 70 Kunstwerke auf der Berliner Museumsinsel. Für den Präsidenten der Stiftung Preußischer Kulturbesitz Hermann Parzinger sind sie Ausdruck einer „neuen Bedrohungslage“ gegenüber der Kultur. Noch aber will die Polizei das Wiederauffinden der historischen Dresdner Schmuckstücke nicht gänzlich ausschließen. „Die Hoffnung stirbt zuletzt“, so ein Sprecher der Polizei am Dienstag.

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