Jordan Peterson - Mit dem Herzen eines Cowboys

Die Menschen haben verlernt, dass Leben Leiden bedeutet. Das ist eine These des kanadischen Psychologen Jordan Peterson. In seiner Heimat und in den USA ist er längst ein Star. Nun erscheinen die zentralen Bücher des liberalkonservativen Denkers auf Deutsch

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Bei den linksliberalen „Schneeflocken“, wie Peterson seine Gegner nennt, macht er sich mit seiner Kritik eher verhasst / picture alliance
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Autoreninfo

Alexander Grau ist promovierter Philosoph und arbeitet als freier Kultur- und Wissenschaftsjournalist. Er veröffentlichte u.a. „Hypermoral. Die neue Lust an der Empörung“. Zuletzt erschien „Vom Wald. Eine Philosophie der Freiheit“ bei Claudius.

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Laut New York Times ist Jordan Peterson der wichtigste Intellektuelle der westlichen Welt. In Deutschland allerdings kennt ihn kaum jemand. Der Ritterschlag durch das Flaggschiff der linksliberalen US-Presse war auch deshalb bemerkenswert, weil Peterson alles andere als ein klassischer Intellektueller ist. Weder ist er Soziologe oder Philosoph noch Literat oder Künstler. Peterson ist Professor für Psychologie. Und er ist ein Liberalkonservativer, dessen Popularität sich seiner Kritik linker Glaubensgewissheiten verdankt.

Zu einem Medienstar wurde Peterson Anfang 2016, als er vehement gegen die sogenannte „Bill C-16“ protestierte, ein Gesetz, mit dem der kanadische Gesetzgeber die Verwendung der Transgendersprache zur gesetzlichen Pflicht erhoben hat. Bei Youtube wurden Jordan Petersons Interviews und Vorträge teils millionenfach besucht.

Kampf gegen Sprachreglementierung

Dass der 1962 geborene Peterson hierzulande noch ein Unbekannter ist, hat zunächst damit zu tun, dass seine international erfolgreichen Bücher „Maps of Meaning“ und „12 Rules for Life“ bisher nicht auf Deutsch erhältlich waren. Hinzu kommt, dass sein Hauptanliegen, der Kampf gegen Sprachreglementierung und Political Correctness, in Deutschland als nicht dringlich empfunden wird. Doch das kann sich bald ändern. Die Handbücher für das gendergerechte Deutsch liegen schon in einschlägigen Schubladen. Da trifft es sich gut, dass Petersons Bücher in diesem Herbst nun endlich auch auf Deutsch erhältlich sein werden.

„Maps of Meaning“ erscheint Anfang November unter dem Titel „Warum wir denken, was wir denken. Wie unsere Überzeugungen und Mythen entstehen“. Ziel des mit rund 1000 Seiten sehr umfangreichen Werkes ist es zu zeigen, wie Ideologien entstehen und wie sie Menschen gegebenenfalls dazu bringen, einen Massenmord zu begehen. Wie konnte Auschwitz passieren, wie der Gulag, wie die Killing Fields, wie Ruanda?

Ideologien mit totalitärem Wahrheitsanspruch

Die psychologischen Grundlagen unserer Weltbilder, unseres Denkens lassen sich, so Peterson, aus den archaischsten Überlieferungen aller Kulturen extrahieren: den Mythen. Sie dienen der Orientierung und ordnen die Welt in das Bekannte und Sichere, in das Fremde und Chaotische und den ewig Wissenden, dessen Ziel es ist, das Chaotische zu ordnen und zu erschließen.

Mythen, erklärt Peterson im Rückgriff auf den Schweizer Psychiater und Kulturtheoretiker C. G. Jung, sind strukturiert von Archetypen, wiederkehrenden Mustern und Motiven, die in unsere Psyche eingeschrieben sind und unsere Vorstellungen von der Welt gliedern. Ein solcher Archetypus ist die Vorstellung von einem Bezwinger des Chaos, etwa Odysseus, Siegfried, der heilige Georg.

Doch Mythen gliedern nicht nur unsere Wahrnehmung der Welt, sie binden uns ein in einen jahrtausendealten Orientierungsrahmen. Der aber wird in der Moderne zerbrochen. Mythen und Religionen sterben. Die Menschen verlieren den inneren Kompass. Nur einzelne Versatzstücke der alten Mythen überleben, etwa die Idee des starken Individuums, und verzerren die Weltsicht. Es entstehen gefährliche Ideologien, die mit einem totalitären Wahrheitsanspruch auftreten, wie etwa die neomarxistische Linke mit ihrer Gender- oder Critical-Whiteness-Theorie.

Packt euch und eure Kinder nicht in Watte!

Jordan Peterson stellt der Moderne eine verhängnisvolle Diagnose. Wir haben, so der Psychologe, eine Reihe einfacher Tatsachen menschlicher Existenz aus dem Blick verloren. Etwa, dass Leben Leiden bedeutet, Krankheit, Tod, Schmerz und Verlust. Die Folge sind nicht nur gefährliche politische Ideologien, sondern schwere Persönlichkeitsstörungen.

Peterson ist nicht nur Professor für klinische Psychologie, sondern zugleich Therapeut. Deutlich wird das in seinem zweiten Buch „12 Rules for Life“ mit dem deutschen Untertitel „Ordnung und Struktur in einer chaotischen Welt“. Seine dort formulierten Lebensregeln laufen darauf hinaus, dass der moderne Mensch wieder lernen muss, sich selbst ernst zu nehmen. Werdet erwachsen, lautet letztlich Petersons einfache, aber wichtige Botschaft. Lernt den aufrechten Gang, lernt, dass Leben Kampf bedeutet, Konkurrenz und Hierarchie. Packt euch und eure Kinder nicht in Watte. Und vor allem: „Räume erst einmal dein Zimmer auf, ehe du die Welt kritisierst.“

In seinem Vorwort bezeichnet der Psychiater Norman Doidge Peterson als „Cowboy-Psychologen“. Das ist respektvoll gemeint. Und tatsächlich ist Petersons Psychologie männlich. Respekt, Mut, Gehorsam, Achtung sind für ihn von zentraler Bedeutung für die psychische Gesundheit. Bei den linksliberalen „Schneeflocken“, wie Peterson seine Gegner nennt, macht man sich damit eher verhasst. Ein echter Cowboy lässt sich davon nicht erschüttern.

Dies ist ein Text aus der November-Ausgabe des Cicero, die Sie am Kiosk oder in unserem Onlineshop erhalten.














 

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