Shitstorm zur Gillette Werbung - Das Beste im Mann

Da wollte sich der Rasiererhersteller Gillette ein neues Image zulegen und beschwört einen Shitstorm ungeahnten Ausmaßes. In einem Werbespot stellt das Unternehmen die neue Männlichkeit vor. Doch das Problem liegt nicht nur in der sexistischen Darstellung von Männern

Wann ist ein Mann ein Mann? Und wieviel Klischee verträgt die Werbung? / picture alliance
Anzeige

Autoreninfo

Alexander Grau ist promovierter Philosoph und arbeitet als freier Kultur- und Wissenschaftsjournalist. Er veröffentlichte u.a. „Hypermoral. Die neue Lust an der Empörung“. Zuletzt erschien „Vom Wald. Eine Philosophie der Freiheit“ bei Claudius.

So erreichen Sie Alexander Grau:

Anzeige

Vor dreißig Jahren startete das Unternehmen Gillette eine neue PR-Kampagne und schrieb damit Werbegeschichte: „The Best a Man Can Get“, hieß damals der neue Slogan für Gillettes Klingensystem AtraPlus. In Deutschland hieß derselbe Rasierer ContourPlus, und den Werbeslogan übersetze man ziemlich sinnfrei in „Für das Beste im Mann“. Aber wie das so ist bei Werbung: Es kommt nicht auf den Sinn an, sondern auf die kommunizierten Emotionen. Der Clip mit den erfolgreichen, sportlichen und dank Gillette auch glattrasierten Männern wurde zu einem Werbeklassiker, übertraf alle Erwartungen und bescherte Gillette ungeahnte Marktanteile.

Wäre man damals, Ende der 80er Jahre, etwas geschlechtssensibler gewesen und gendermäßig nicht ganz so reaktionär, hätte auffallen müssen, dass der Spot hochgradig sexistisch ist. Denn was bitte soll das Beste im Mann sein? Etwa seine Gesichtsbehaarung? Haben Männer keine anderen Werte? Und sind Männer nur dann wirkliche Männer, wenn sie Karriere machen („du hast es weit gebracht“) und ihren Söhnen teure Autos vererben („Vater und Sohn, so war es immer schohohon“)?

Sexistischer Werbespot

Aber vor dreißig Jahren sah man das zum Glück noch deutlich entspannter. Männer durften Männer sein, erfolgsorientiert und kämpferisch, auch wenn es mitunter etwas albern wirkte. Sie durften ihren Söhnen beibringen, Männer zu werden. Sie durften sich Männerritualen hingeben und sich wie Männer benehmen. So ändern sich die Zeiten.

Denn glaubt man dem aktuellen Spot, den Gillette Anfang der Woche lancierte, sind Männer notgeile, brutale, rücksichtslose und unzivilisierte Kreaturen, die man nur mit einer ordentlichen Portion feministischer Pädagogik zivilisieren kann – wenn überhaupt. Mit anderen Worten: Man hat das eine Klischee durch das andere, nunmehr politische korrekte ersetzt. Das ist doppelt ärgerlich. Zum einen, weil Klischees immer dümmlich daherkommen. Vor allem aber, weil sich hier ein Weltkonzern, Procter & Gamble, zum Sprachrohr einer unsäglichen Geschlechterpolitik macht, die sich modern gibt, faktisch aber Menschen in das puritanische Korsett einer postsexuellen Normativität pressen möchte.

Es lebe das postmaskuline Zeitalter

Der Spot beginnt, indem er Männer zeigt, die angeblich typisch männlich handeln, also übergriffig, sexistisch, triebgesteuert, rücksichtslos und brutal. Dazu sehen wir testosteronvernebelte Dumpfbacken, die an ihren Grills stehen und „Boys will be boys“ rufen, als sei das eine Entschuldigung. Aber zum Glück gibt es ja Gillette und all die progressiven Menschen, die gendertheoretisch auf der Höhe sind, Geschlechterrollen kritisch hinterfragen und wissen, dass das Elend der Welt vor allem ein Produkt der Männlichkeit ist: „Something finally changed, and there will be no going back. Because we believe in the best in men.” (auf Deutsch: Etwas hat sich endlich verändert, und es gibt von nun an keinen Weg mehr zurück. Denn wir glauben an das Beste im Mann.)

Männlichkeit, so lernt der geneigte Zuschauer, ist toxisch. Deshalb gilt es, sie auszumerzen. Männlichkeit führt direkt zu Mobbing, sexueller Belästigung, Sexismus und Gewalt. Männlichkeit bedeutet Hierarchien, Gehorsam und Unterordnung. Deshalb, so die Logik des Clips, muss der Mann der Männlichkeit entsagen. Es lebe das postmaskuline Zeitalter. Denn der neue Mann, so wird suggeriert, wird lammfromm sein, das Gespräch suchen, statt sich zu prügeln. Er wird diskriminierungssensibel sein und emphatisch, er wird sich vegetarisch ernähren und Selbsthilfegruppen gründen, um auch die letzten Reste seiner toxischen Männlichkeit zu überwinden. Wäre das Ganze nicht so ärgerlich, man müsste sich totlachen.

Ein unguter Trend

Doch leider ist dieser Unfug ernst gemeint. Entsprechend gab es in den vergangenen Tagen einen der größten Shitstorms der Werbegeschichte. Das ist kein Wunder. Denn zum einen ist der Spot sexistisch. Er verzerrt Männlichkeit zu einer Karikatur, und man muss sich nur einmal vorstellen, was los wäre, wenn Gillette einen ähnlichen Clip mit negativ besetzten weiblichen Klischees gedreht hätte.

Vor allem aber entspringt er einem Denken, das nicht in der Lage ist, die Komplexität und Ambivalenz dessen einzufangen, was Menschsein bedeutet. Er scheint entschlossen, einen neuen, eindimensionalen Menschentypus heranzuziehen. Nebenbei: Ginge es Procter & Gamble tatsächlich um die Bekämpfung archaischer Patriachate, wäre ein an den arabischen Kulturkreis adressierter Clip eigentlich die logische Konsequenz. Aber den wird es vermutlich nicht geben. Und im gewissen Sinne ist das sogar gut so.

Denn das eigentliche Problem des unsäglichen Gillette-Clips ist nicht einmal seine Ideologie, sondern die Idee, dass sich Wirtschaftsunternehmen überhaupt gesellschaftspolitisch positionieren. Das ist ein unguter Trend. Werbung sollte nicht zu einem Feld politischer Agitation degenerieren. Und Unternehmen sollten sich nicht mit einer Idee gemein machen, auch nicht mit einer guten.

Anzeige